Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. Juni 1993, Zl. SD 117/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 FrG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen "hinsichtlich der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hierin mit der Maßgabe bestätigt, daß er sich ebenfalls auf die Rechtsgrundlage des § 18 Abs. 1 Zi. 1 FrG zu stützen hat". Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer am 12. Februar 1992 aufgrund eines von der Österreichischen Botschaft Ankara am 10. Februar 1992 ausgestellten, bis 29. Februar 1992 gültigen Sichtvermerkes nach Österreich gelangt. Der Sichtvermerk trage den Stempelaufdruck "Geschäftsreise"; der Beschwerdeführer habe bei der Antragstellung eine Erklärung unterschrieben, nach welcher er nur zu dem Zweck und für jene Dauer, die er in seinem gleichzeitig abgegebenen Sichtvermerksantrag angeführt habe, nach Österreich reisen würde. Am 20. März 1992 habe der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes eingebracht und in diesem als Zweck des weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet einen "besuchsweisen Aufenthalt, Geschäftsreise sowie Autoankauf" angegeben. Am 2. April 1992 habe ihm die Bundespolizeidirektion Wien einen bis zum 30. September 1992 gültigen Sichtvermerk ausgestellt. Am 1. Oktober 1992 habe der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, in deren Zuständigkeitsbereich er mittlerweile verzogen gewesen sei, einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes eingebracht, und zwar zur Anbahnung von Geschäften. Der Beschwerdeführer habe - in den Sichtvermerksanträgen - jeweils falsche Angaben über den Zweck und die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gemacht. In der Niederschrift vom 16. Oktober 1992 habe er nämlich angegeben, daß der wahre Grund seiner Einreise der gewesen sei, daß er unbedingt eine Beschäftigung benötige, um seine Kinder und seine Gattin in der Türkei ernähren zu können. Wenngleich der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG insofern nicht zutreffe, als sich der Beschwerdeführer nicht die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung nach dem Fremdengesetz habe verschaffen können, da dieses zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich, aber auch zu jenen Zeitpunkten, zu denen er die Erteilung von Sichtvermerken beantragt habe, noch nicht in Geltung gestanden sei, erscheine auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers, der unter falschen Angaben nach Österreich gelangt und entgegen seiner ausdrücklichen Erklärung nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes weiterhin im Bundesgebiet geblieben sei sowie hier unter unrichtigen Behauptungen wirtschaftlich Fuß zu fassen versuche, die Annahme im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG gerechtfertigt, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde. Durch das Aufenthaltsverbot werde zwar in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen, doch erscheine dieser Eingriff zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung selbst dann dringend geboten, wenn man berücksichtige, daß der Beschwerdeführer nunmehr bereits eine Beschäftigung (als Schlosser) gefunden habe. Würde aus fremdenpolizeilicher Sicht toleriert werden, daß ein durch falsche Angaben erschlichener Aufenthalt im Bundesgebiet letztlich doch zu dem von dem Fremden beabsichtigten Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung im Bundesgebiet führe, würde derartigen Vorgangsweisen nicht entsprechend Einhalt geboten. Bei der nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung ging die belangte Behörde davon aus, daß die Familie des Beschwerdeführers in der Türkei lebe. Der Beschwerdeführer sei noch nicht so lange im Bundesgebiet, daß davon gesprochen werden könne, daß er hier integriert wäre. Familiäre oder sonstige Bindungen seien lediglich darin zu sehen, daß er sich derzeit bei seiner Cousine aufhalte und eine Bekannte für ihn teilweise aufkomme. Trotz des Umstandes, daß der Beschwerdeführer nunmehr Arbeit gefunden habe, wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 sowie der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG lauten:
"§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 zu verschaffen.
§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.
§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen."
Der Beschwerdeführer bestreitet die Feststellung der belangten Behörde, daß er jeweils vor österreichischen Behörden falsche Angaben über den Zweck und die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gemacht habe. Es habe sich lediglich der beabsichtigte Zweck seines Aufenthaltes im Laufe der Zeit geändert. Bei diesen Ausführungen läßt der Beschwerdeführer völlig seine - abschließenden - Angaben in der Niederschrift vom 16. Oktober 1992 außer acht, wonach der wahre Grund seiner Einreise der gewesen sei, daß er unbedingt eine Beschäftigung benötige, um seine Kinder und seine Gattin in der Türkei ernähren zu können. Schon allein im Hinblick auf diese Aussage des Beschwerdeführers bestehen gegen die von ihm bekämpften Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde keine Bedenken.
Nicht zu teilen vermag der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, daß durch die festgestellten unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht verwirklicht worden sein könne. Abgesehen davon, daß schon nach dem Wortlaut der genannten Bestimmung "die Einreise" nicht zwingend mit der Wendung "gemäß § 15 Abs. 1 und 3" verknüpft ist, sprechen nicht nur der Zweck der Regelung, sondern auch die Materialien (692 BlgNR 18. GP, 38), gegen die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht. Die angeführte Wendung dient lediglich der Anpassung der Bestimmung an das Fremdengesetz, bringt aber keine inhaltliche Änderung gegenüber dem § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz zum Ausdruck.
Der der belangten Behörde unterlaufene Rechtsirrtum verletzt den Beschwerdeführer aber nicht in seinen Rechten. Bei dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt, der gemäß § 41 Abs. 1 VwGG der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugrunde zu legen ist, muß nämlich von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sowie vom Vorliegen einer "bestimmten Tatsache" ausgegangen werden, welche im Grunde des § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die Annahme rechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde (vgl. neben anderen das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0129).
Soweit der Beschwerdeführer meint, daß bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn gemäß §§ 19 und 20 FrG unzulässig sei, ist ihm zu erwidern, daß mit Rücksicht auf die Kürze seines Aufenthaltes in Österreich, den er sich noch dazu durch falsche Angaben vor österreichischen Behörden erschlichen hat, und den nicht bestrittenen Umstand, daß seine Gattin und die Kinder in der Türkei leben, von einem im Sinne des § 19 FrG relevanten, durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden kann. In einem solchen Fall bedarf es weder der Prüfung, ob ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer dringend geboten ist, noch einer Interessenabwägung im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG (vgl. neben vielen anderen das hg. Erkenntnis vom 14. März 1993, Zl. 93/18/0112). Ob der Beschwerdeführer - wie er geltend macht - über geregelte Wohnsitz- und Einkommensverhältnisse verfüge und bisher in Österreich nicht straffällig gewesen sei, ist daher nicht rechtserheblich.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180352.X00Im RIS seit
11.07.2001