Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. August 1993, Zl. SD 333/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. August 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das "Bundesgebiet der Republik Österreich" erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer, der sich seit Juli 1991 in Österreich aufhalte, habe im Dezember 1992 beim Arbeitsamt Wien 16, Herbststraße, gefälschte Auszüge aus dem Eheregister (eines serbischen Standesamtes) vorgelegt und aufgrund der Eintragung eines österreichischen Ehepartners um einen Befreiungsschein angesucht. Der Beschwerdeführer habe zugegeben, einem Mann namens M für die Besorgung eines Befreiungsscheines S 70.000,-- bezahlt zu haben. Seinem Berufungsvorbringen, er sei von M selbst getäuscht worden und habe weder eine Scheinehe eingehen noch einen Befreiungsschein erhalten wollen, müßten einerseits seine vorerwähnte eigene Aussage und anderseits entgegengehalten werden, daß es diesfalls keine logische Erklärung für die Bezahlung des beträchtlichen Betrages von S 70.000,-- gebe. Es sei hiezu auch auf die Angaben des Vaters des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme am 9. Februar 1993 hinzuweisen, wonach sein Sohn (der Beschwerdeführer) bei der Übergabe der Papiere im Arbeitsamt gesehen habe, daß er angeblich mit einer Österreicherin verheiratet sei. Diese Angaben habe der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 13. August 1993 unbekämpft gelassen. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer gegenüber einer österreichischen Behörde unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse - Vortäuschung der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - gemacht habe, um sich einen Befreiungsschein und damit in weiterer Folge die Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu verschaffen. Solcherart sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt und auch die Annahme im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt.
Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers liege insofern vor, als sich seine Mutter und andere Familienangehörige in Österreich aufhielten. Aufgrund des vom Beschwerdeführer an den Tag gelegten Verhaltens sei jedoch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und damit zulässig. Im Hinblick auf die kurze Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich und die Tatsache, daß er hier bisher keiner Beschäftigung nachgegangen sei, könne von einer Integration des Beschwerdeführers keine Rede sein. Ungeachtet der gegebenen familiären Bindungen des Beschwerdeführers könnten den Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine und seiner Familie Lebenssituation nicht ein solches Gewicht beigemessen werden wie den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer behauptet, die Feststellung im bekämpften Bescheid, daß er gegenüber einer österreichischen Behörde durch Vortäuschung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin unrichtige Angaben gemacht habe, um sich einen Befreiungsschein und damit in der Folge eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen, sei aktenmäßig nicht gedeckt; vielmehr verhalte es sich so, daß der Beschwerdeführer selbst von M nicht nur getäuscht, sondern überdies um S 70.000,-- geschädigt worden sei, da er keine Kenntnis von der eingeschlagenen Vorgangsweise des Genannten gehabt habe. Es sei schon im Kern der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe eine österreichische Behörde getäuscht, insofern unrichtig, als zur Täuschung vorsätzliches Handeln erforderlich sei, ein solches jedoch nicht gegeben sei, da der gefälschte Auszug aus dem Eheregister nicht vom Beschwerdeführer vorgelegt worden sei.
1.2. Der Einwand, daß der Beschwerdeführer den gefälschten Eheregisterauszug nicht selbst dem Arbeitsamt vorgelegt habe, wird erstmals in der Beschwerde erhoben und ist deshalb als im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung zu werten. Abgesehen davon käme dieser Behauptung, auch wenn sie zuträfe, keine Relevanz zu. Im gegebenen Zusammenhang wesentlich ist vielmehr die Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß der Beschwerdeführer bei der Übergabe der Papiere im Arbeitsamt gesehen habe, daß er angeblich mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Diese Feststellung stützte die belangte Behörde auf die Aussage des Vaters des Beschwerdeführers vom 9. Februar 1993 vor der Bundespolizeidirektion Wien. Letztere blieb vom Beschwerdeführer, dem sie nach dem Inhalt der dem Gerichtshof im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung eines vom Beschwerdeführer beantragten Sichtvermerkes
(hg. Zl. 93/18/0342) vorgelegten Verwaltungsakten zur Kenntnis gebracht worden war, unbestritten (vgl. die Stellungnahme vom 13. August 1993 an die belangte Behörde). Die demnach in einem mängelfreien Verfahren getroffene besagte Feststellung ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof seiner Prüfung des bekämpften Bescheides zugrunde zu legen. Von daher gesehen bestehen gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe einer österreichischen Behörde gegenüber unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich einen Befreiungsschein zu verschaffen, keine Bedenken.
2.1. Wenngleich der daraus von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verfehlt ist - die unrichtigen Angaben dem Arbeitsamt gegenüber dienten unmittelbar allein der Beschaffung eines Befreiungsscheines, nicht aber dazu, sich die "Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3" zu verschaffen -, führt dieser Rechtsirrtum nicht zu einer Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, weil die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, das Verhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, im Ergebnis zu Recht besteht. Ein Aufenthaltsverbot kann nämlich rechtens ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vg. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0247, und vom 8. Juli 1993, Zlen. 93/18/0283, 0284).
2.2. Das Verhalten des Beschwerdeführers, der dem Arbeitsamt gegenüber wider besseres Wissen unrichtige Angaben machte, um die Ausstellung eines Befreiungsscheines (zwecks legaler Ausübung einer Beschäftigung) zu erreichen, und der sich auf der Grundlage des solcherart erschlichenen Befreiungsscheines eine Aufenthaltsberechtigung (im Wege der Erteilung eines Sichtvermerkes) zu verschaffen trachtete, ist nicht weniger verwerflich als ein dem § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG subsumierbares Verhalten. Unter Zugrundelegung dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ist die Annahme der belangten Behörde, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, gefährde (§ 18 Abs. 1 leg. cit.), nicht rechtswidrig.
3.1. Mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, das Aufenthaltsverbot sei im Grunde des § 19 FrG zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier zum Schutz der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und insoweit zulässig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0104, und vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0129).
3.2. Die belangte Behörde hat die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer aber auch auf dem Boden des § 20 Abs. 1 FrG nicht zu Unrecht bejaht. Zutreffend hat sie bei der gebotenen Interessenabwägung auf die relativ kurze Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich sowie darauf hingewiesen, daß beim Beschwerdeführer - da während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes ohne Beschäftigung - von einer Integration nicht gesprochen werden könne. Den familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich wurde im angefochtenen Bescheid richtigerweise kein großes Gewicht beigemessen, hat doch der Beschwerdeführer nie behauptet, enge Bindungen zu seiner im Bundesgebiet lebenden Mutter zu haben - der Vater des Beschwerdeführers hält sich nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht in Österreich auf -, und auch nicht dargetan, inwiefern sich die Trennung von der Mutter negativ auf sein weiteres Fortkommen auswirken würde. Daß die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang nicht auf allfällige Nachteile (welcher Art auch immer) Bedacht nahm, die dem Beschwerdeführer durch eine Abschiebung in sein Heimatland erwachsen könnten, kann ihr nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, da der besagte Umstand für die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes (das ausschließlich den Verlust der Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers in Österreich bewirkt) rechtlich irrelevant ist.
Angesichts der nicht sehr gewichtigen privaten (familiären) Interessen des Beschwerdeführer kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das hier maßgebliche öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen höher wertete und zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangte, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180482.X00Im RIS seit
20.11.2000