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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1346;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. September 1993, Zl. Fr 2019/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 5. September 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 2 iVm § 21 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer, der sich seit Juni 1991 in Österreich aufhalte, insgesamt zehnmal wegen Übertretungen der StVO und des KFG, darunter einmal wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 StVO und zweimal wegen Verstoßes gegen § 64 Abs. 1 KFG, rechtskräftig bestraft worden sei. Sowohl beim Lenken eines Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als auch beim Lenken eines Kfz ohne Lenkerberechtigung handle es sich um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG. In beiden Fällen würden öffentliche Interessen erheblich beeinträchtigt, weshalb auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Der seit über drei Jahren in Österreich aufhältige Beschwerdeführer habe kurz nach seiner Einreise eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet; er lebe von seiner Frau getrennt; der Ehe entstammten keine Kinder. Im Bundesgebiet hielten sich noch der Bruder und die Schwägerin des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer sei seit Mai 1993 als Lagerarbeiter beschäftigt. Seinen eigenen Angaben zufolge habe der Beschwerdeführer einen Kredit in der Höhe von S 300.000,-- aufgenommen; sein Bruder und seine Schwägerin hätten eine Bürgschaftserklärung abgegeben. Die belangte Behörde verkenne nicht, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einen nicht unerheblichen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers darstelle; dennoch komme sie aufgrund der zahlreichen Verstöße des Beschwerdeführers gegen die österreichische Rechtsordnung zu dem Ergebnis, daß diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Die Interessenabwägung (nach § 20 Abs. 1 FrG) ergebe, daß aufgrund der Intensität und Häufung der vom Beschwerdeführer während seines bisherigen kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet begangenen Verwaltungsübertretungen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf den privaten Bereich des Beschwerdeführers.
Das Aufenthaltsverbot sei wegen der schwerwiegenden Übertretungen nach der StVO und dem KFG verhängt worden. Rechtskräftige Bestrafungen nach den genannten Vorschriften seien nach Ablauf von fünf Jahren getilgt. Die belangte Behörde gehe bei der Dauer des Aufenthaltsverbotes von jenem Zeitraum aus, der von der Verwaltungsbehörde in einem allfälligen Strafverfahren noch zu berücksichtigen sei. Da keine weiteren schwerwiegenden Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung vorlägen, sei die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit fünf Jahren festgesetzt worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2, des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG lauten:
"§ 18 (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt
1.
die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
2.
anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
2.
im Inland mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung, einer Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes 1969, BGBl. Nr. 423, des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist;
§ 19 Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.
§ 20 (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen.
1.
die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intesität der familiären oder sonstigen Bindungen."
2.
Zutreffend hat die belangte Behörde das Lenken eines Kfz
in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO) wie auch das Lenken eines Kfz ohne Lenkerberechtigung jeweils als schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) FrG qualifiziert (vgl. aus der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes zu § 3 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz, die auch für den vorgenannten Tatbestand des FrG zum Tragen kommt, etwa die Erkenntnisse vom 29. Juni 1992, Zl. 92/18/0243, und vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0451). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat die belangte Behörde zu Recht auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt angesehen, handelt es sich doch bei den in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit und den Umstand, daß das Lenken eines Kfz ohne Lenkerberechtigung zu den gröbsten Verstößen gegen das KFG zählt, um Gefährdungen öffentlicher Interessen (der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) von großen Gewicht (vgl. dazu etwa das zitierte Erkenntnis Zl. 92/18/0243 und das Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 92/18/0450).
3. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die Ansicht des Beschwerdeführers, es sei die Voraussetzung des § 19 FrG nicht erfüllt, nicht zu teilen. Vielmehr läßt die von den inkriminierten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers ausgehende Gefahr die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über ihn zum Schutz der öffentlichen Ordnung (vgl. Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten erschienen.
4. Ist damit die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG zulässig, so ist dies - anders als die Beschwerde meint - auch unter dem Blickwinkel des § 20 Abs. 1 leg. cit. zu bejahen.
Im angefochtenen Bescheid wurde der ca. dreijährige Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie der Aufenthalt des Bruders und der Schwägerin des Beschwerdeführers in Österreich und seine Bindungen zu diesen Personen berücksichtigt. Familiäre Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner - nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen im bekämpften Bescheid - von ihm getrennt lebenden Gattin, wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Daß die belangte Behörde der Übernahme der Bürgschaft seitens des Bruders und der Schwägerin für einen vom Beschwerdeführer aufgenommenen Kredit im Rahmen der Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG keine Relevanz beigemessen hat, ist nicht zu beanstanden. Selbst wenn das Aufenthaltsverbot eine Inanspruchnahme der genannten Personen aus dem Titel der von ihnen übernommenen Bürgschaft zur Folge hätte, wäre dies kein einem der in den Z. 1 und 2 des § 20 Abs. 1 FrG angeführten Tatbestandsmerkmale subsumierbarer Umstand. Denn er hätte weder Einfluß auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Bruders und der Schwägerin noch auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen des Beschwerdeführers - dies unbeschadet der Frage, ob die Genannten überhaupt zu "seinen Familienangehörigen" zu zählen sind.
5. Dem Beschwerdeeinwand, der Zeitraum des Aufenthaltsverbotes sei "weitaus überhöht", ist zu entgegnen, daß nach der hg. Rechtsprechung zum Fremdenpolizeigesetz ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 28. Oktober 1991, Zl. 90/19/0320, und vom 29. Juni 1992, Zl. 92/18/0248). Das Fremdengesetz bietet - unter Bedachtnahme auf dessen § 21 Abs. 1 - keinen Anlaß, von dieser Rechtsansicht abzugehen; sie ist vielmehr durch § 21 Abs. 2 erster Satz leg. cit. gedeckt. Wenn sich die belangte Behörde im Beschwerdefall in der Lage sah, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nach Verstreichen von fünf Jahren anzunehmen, so erweckt dies auf dem Boden der dargestellten Rechtslage keine Bedenken. Der Tilgungsfrist des § 55 Abs. 1 VStG kommt allerdings im gegebenen Zusammenhang - entgegen der offenbaren Ansicht der belangten Behörde - keine Bedeutung zu.
6. Nach dem Gesagten liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor. Da dies bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (daher auch ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages bezüglich einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneress) als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Normen und MaterienEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180474.X00Im RIS seit
11.07.2001