TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/28 92/12/0258

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Veröffentlicht am 28.10.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
72/02 Studienrecht allgemein;

Norm

AHStG §40 Abs2 lite idF 1981/332;
AHStG §40 Abs3;
AVG §13 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde der B in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Universitätskollegiums der Universität Klagenfurt vom 28. September 1992, Zl. 94/92, betreffend Nostrifizierung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens brachte die Beschwerdeführerin am 5. Juni 1991 bei der Universität für Bildungswissenschaften Klagenfurt unter Anschluß verschiedener Unterlagen einen Antrag auf Nostrifizierung ihres an der Universität Zagreb erworbenen ausländischen akademischen Grades "Mag. phil." ein. Wie ein Amtsvermerk darüber zeigt, wurde die Beschwerdeführerin von der Behörde dahin gehend informiert, daß ihr Ansuchen erst nach Vollständigkeit der gemäß § 40 AHStG vorzulegenden Unterlagen dem Universitätskollegium zur Prüfung übermittelt werden könne. Im besonderen wurde von der Beschwerdeführerin die Vorlage ihrer Diplomarbeit verlangt. Diesem Begehren konnte die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig entsprechen.

In weiterer Folge wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. Jänner 1992 behördlicherseits in Kenntnis gesetzt, daß der Nachweis der von ihr verfaßten Diplomarbeit eine wesentliche Voraussetzung für eine allfällige Nostrifizierung darstelle. Nach § 40 Abs. 3 AHStG könne aber die Nachsicht von der Vorlage einzelner Urkunden und Nachweise erteilt werden, wenn glaubhaft gemacht werde, daß die Beibringung unmöglich oder mit übergroßen Schwierigkeiten verbunden sei.

Die Beschwerdeführerin ersuchte daraufhin mit Schreiben vom 8. Februar 1992 um Nachsicht der Beibringung an, weil es ihr infolge der Kriegsereignisse in Kroatien nicht möglich sei, ein Exemplar aus dem Universitätsarchiv zu erhalten. Im übrigen würden diese Arbeiten auch nur 20 Jahre verwahrt.

In der Sitzung am 29. April 1992 gelangte das Universitätskollegium zur Ansicht, daß der Beschwerdeführerin die Beibringung der Diplomarbeit durchaus möglich sei und daß für eine Entscheidung ein Ansuchen ohne Diplomarbeit nicht ausreiche. Der Beschwerdeführerin wurde noch eine Frist bis 10. Juni 1992 zur Beibringung der Diplomarbeit eingeräumt.

Mit Schreiben vom 9. Juni 1992 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung der Philosophischen Fakultät der Universität Zagreb, Vorstand des Lehrstuhles für Stilistik, nach der die Beschwerdeführerin im Seminar des genannten Professors ein "schriftliches Referat "Der dichterische Kosmos von Milos Grnjanski"" im Umfang von etwa 30 handgeschriebenen Seiten verteilt habe. Dieses erfolgreiche Referat sei als Diplomarbeit anerkannt, aber nicht archiviert worden. Die Beschwerdeführerin ersuchte weiters gemäß § 30 Abs. 3 (richtig wohl: § 40 Abs. 3 AHStG) um Nachsicht von der Vorlage der Diplomarbeit.

Ohne weitere feststellbare Erhebungsschritte erging mit Datum 28. September 1992 der angefochtene Bescheid, der wie folgt lautet:

"Über das Ansuchen von Frau ... (Beschwerdeführerin) vom

4. Juni 1991 um Nostrifizierung ihres an der Universität Zagreb erworbenen akademischen Grades mit dem österreichischen akademischen Grad "Mag.phil." hat das Universitätskollegium am 29. April 1992 entschieden, und es ergeht daher gemäß § 75 Abs. 2 in Verbindung mit § 64 Abs. 3 des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG), BGBl Nr. 258/1975, in der geltenden Fassung folgender

Spruch:

Gemäß § 13 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 1950/172, in der geltenden Fassung wird das Ansuchen nach fruchtlosem Ablauf der zur Vorlage der Diplomarbeit eingeräumten Frist zurückgewiesen."

Zur Begründung wird ausgeführt, § 40 Abs. 2 AHStG zähle jene Belege taxativ auf, die dem Ansuchen um Nostrifizierung ausländischer akademischer Grade und Studienabschlüsse angeschlossen sein müßten. Mit Schreiben der Universitätsdirektion vom 17. Jänner 1992 sei der Beschwerdeführerin die Beibringung ihrer Diplomarbeit mit dem Hinweis aufgetragen worden, daß der Nachweis der Diplomarbeit eine wesentliche Voraussetzung für die Nostrifizierung darstelle und ohne diese keine materiell-rechtliche Entscheidung getroffen werden könne. In ihrer Stellungnahme vom 8. Februar 1992 habe die Beschwerdeführerin um Nachsicht von der Vorlage der Diplomarbeit mit dem Hinweis ersucht, daß es ihr infolge der Kriegsereignisse in Kroatien nicht möglich sei, ein Exemplar aus dem Universitätsarchiv zu erhalten.

Gemäß § 40 Abs. 3 AHStG könne die zuständige akademische Behörde Nachsicht von der Vorlage einzelner Urkunden und Nachweise erteilen, wenn glaubhaft gemacht werde, daß ihr Beibringen unmöglich oder mit übergroßen Schwierigkeiten verbunden sei.

Mit Beschluß des Universitätskollegiums vom 29. April 1992 sei der Beschwerdeführerin noch einmal eine Frist bis zum 10. Juni 1992 eingeräumt worden, ihre Diplomarbeit vorzulegen. Gleichzeitig habe das Universitätskollegium festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 AHStG auf Grund der zu diesem Zeitpunkt in Zagreb nicht mehr unmittelbar bestehenden Kriegsgefahr nicht gegeben seien.

Auch innerhalb der bis zum 10. Juni 1992 gesetzten Frist sei von der Beschwerdeführerin keine Diplomarbeit oder eine gleichartige Arbeit vorgelegt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt. In dieser Gegenschrift vertritt die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die von der Beschwerdeführerin zuletzt vorgelegte Bestätigung der Universität Zagreb vom 5. Juni 1992 die Auffassung, sie habe keine Nachsicht nach § 40 Abs. 3 AHStG erteilen können, weil diese das Verfassen einer Diplomarbeit vorausgesetzt hätte und die Beschwerdeführerin mit der von ihr vorgelegten Bestätigung den Beweis erbracht habe, daß es gar keine Diplomarbeit gegeben habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf vollständige Feststellung der Ermittlung des Sachverhaltes und in ihrem Recht auf Nostrifizierung ihres akademischen Grades mit dem österreichischen akademischen Grad "Mag. phil." verletzt.

Sie bringt im wesentlichen vor, die Behörde habe sich mit der von ihr vorgelegten Bestätigung (Schreiben vom 9. Juni 1992) weder auseinandergesetzt noch ihr eine Mitteilung zukommen lassen, daß sie andere Beweismittel beibringen müsse. Sie habe durch die Vorlage der Bestätigung des Lehrkanzelinhabers nachgewiesen, daß ihr die Vorlage einer Diplomarbeit unmöglich sei, weil eine solche an der Universität Zagreb nicht archiviert sei und daher auch nicht vorgelegt werden könne. Wenn der belangten Behörde diese Bestätigung für eine Dispens zu wenig gewesen wäre, hätte sie die Beschwerdeführerin auf diesen Umstand aufmerksam machen müssen und ihr Gelegenheit zur Beibringung anderer Beweismittel geben müssen.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Was unter Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG zu verstehen ist, kann nur der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden (vgl. insbesondere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1967, Zl. 1047/67, und die dort weiters angegebene Vorjudikatur).

Nach der weiter heranziehbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der genannten Bestimmung gibt diese der Behörde nicht die uneingeschränkte Ermächtigung, unter allen Umständen alle Unterlagen, die einem Ansuchen nach dem Gesetz anzuschließen sind, zu verlangen, sondern erlaubt nur diejenigen anzufordern, die für die Entscheidung des Parteibegehrens notwendig sind (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1974, Slg. Nr. 8622/A).

Die Beschwerdeführerin beantragte am 5. Juni 1991 die Nostrifizierung ihres an der Universität Zagreb erworbenen akademischen Grades. Das vorliegende Verwaltungsverfahren ist daher ab diesem Zeitpunkt bei der Behörde anhängig. Es findet daher auf das vorliegende Verwaltungsverfahren gemäß § 45 Abs. 12 der AHStG-Novelle BGBl. Nr. 306/1992 die vor der genannten Novelle geltende Fassung BGBl. Nr. 332/1981 Anwendung, weil die neue Rechtslage erst auf jene Verfahren anzuwenden ist, die ab dem 1. September 1992 anhängig gemacht werden.

Nach § 40 Abs. 2 des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes (AHStG), BGBl. Nr. 177/1966 in der Fassung BGBl. Nr. 332/1981, hat das Ansuchen die inländische Studienrichtung anzugeben, mit deren Abschluß die Gleichstellung beantragt wird, sowie den entsprechenden inländischen akademischen Grad. Folgende Belege sind anzuschließen:

a)

Geburtsurkunde,

b)

der Nachweis der österreichischen Staatsbürgerschaft, bzw. von Personen, die nicht Inländer sind, der Nachweis des ordentlichen Wohnsitzes in Österreich,

c)

das Reifezeugnis oder die Urkunde, auf Grund derer der Bewerber an der ausländischen Hochschule zum Studium zugelassen wurde,

d)

die Nachweise über das ausländische Hochschulstudium,

e)

die Nachweise über die im Ausland abgelegten Prüfungen einschließlich der allenfalls verfaßten Diplomarbeit oder Dissertation,

f)

die Urkunde(n), die als Nachweis des Abschlusses des ausländischen Studiums ausgestellt wurde(n),

g)

die Urkunde über die Verleihung des ausländischen akademischen Grades, sofern ein solcher verliehen wurde.

Nach § 40 Abs. 3 leg. cit. kann die zuständige akademische Behörde die Nachsicht von der Vorlage einzelner Urkunden und Nachweise erteilen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß ihre Beibringung unmöglich oder mit übergroßen Schwierigkeiten verbunden ist.

Die Regelung des § 40 Abs. 2 lit. e AHStG zeigt, daß dem Ansuchen um Nostrifizierung u.a. Nachweise über die im Ausland abgelegten Prüfungen einschließlich der ALLENFALLS verfaßten Diplomarbeit oder Dissertation anzuschließen sind. Aus dem Gesetzestext ergibt sich daher durch die Verwendung des Wortes "allenfalls" eindeutig, daß die Vorlage einer Diplomarbeit nur dann erfolgen muß, wenn eine solche tatsächlich verfaßt worden ist.

Auf Grund der von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. Juni 1992 vorgelegten Bestätigung der Universität Zagreb vom 5. Juni 1992, aus der sich ergibt, daß bei der Beschwerdeführerin ein "schriftliches Referat" als Diplomarbeit anerkannt worden sei, hätte die belangte Behörde auf Grund der gegebenen Rechtslage, die die Vorlage einer Diplomarbeit nicht zwingend vorsieht, die Verpflichtung gehabt zu klären, ob bei der gegebenen Sachlage überhaupt eine Diplomarbeit der Beschwerdeführerin vorliegt oder nicht. Folgt man nun der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung, es habe gar keine Diplomarbeit gegeben, so liegt kein Formgebrechen vor und die belangte Behörde hätte mit einer Sachentscheidung vorzugehen gehabt, wobei die vorher dargelegte Auffassung aber noch entsprechender Feststellungen bedurft hätte. Wäre die Auffassung der Beschwerdeführerin zutreffend, das schriftliche Referat sei als Diplomarbeit zu werten, es sei aber nicht archiviert worden, so hätte entsprechend dem Ansuchen der Beschwerdeführerin vor der Zurückweisung wegen Formgebrechens eine Entscheidung über die Nachsicht unter dem Aspekt des Ablaufes der Archivfrist bzw. nach den letzten Behauptungen der Beschwerdeführerin mangels Archivierung erfolgen müssen.

Keinesfalls ist die belangte Behörde bei dieser Sachlage berechtigt gewesen, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Nostrifizierung zurückzuweisen, weil noch gar nicht feststand, ob ein für die Sachentscheidung relevantes Formgebrechen überhaupt vorliegt.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Formgebrechen behebbareVerbesserungsauftrag AusschlußFormgebrechen behebbare BeilagenVerbesserungsauftrag Nichtentsprechung ZurückweisungFormgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle Mängel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992120258.X00

Im RIS seit

07.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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