TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/28 93/18/0458

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Veröffentlicht am 28.10.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §39a;
AVG §45 Abs2;
AVG §52 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der H in A, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 25. August 1993, Zl. III 19-2/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 25. August 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine indische Staatsangehörige, gemäß den §§ 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 6, 19, 20 und 21 Fremdengesetz (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 24. April 1992 bei der österreichischen Botschaft in New Delhi einen Sichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer vom 2. Mai bis 1. Juli 1992 beantragt und als Reisezweck "Tourist" angegeben. Der Beschwerdeführerin sei daraufhin ein Sichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 23. Juli 1992 erteilt worden. Am 2. Mai 1992 sei sie in das Bundesgebiet eingereist. Am 4. Mai 1992 sei sie unter einer näher bezeichneten Adresse in Innsbruck angemeldet worden, wo ihre Tante wohne. Im Juni 1992 sei eine Beschäftigungsbewilligung für die Beschwerdeführerin als Köchin beantragt worden.

Die in der Berufung enthaltene Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe erst in Österreich ihre Absicht, Urlaub zu machen, geändert und sich erst hier entschlossen, länger zu bleiben und einer Arbeit nachzugehen, sei völlig unglaubwürdig und widerspreche auch der Lebenserfahrung. Auf Grund des zeitlichen Ablaufes der Ereignisse sei davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin bereits bei der Antragstellung nicht die Absicht gehabt habe, nur für die beantragte Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes in Österreich zu bleiben, sondern bereits damals über den Weg eines "Touristenvisums" nach Österreich habe gelangen wollen, um für längere Zeit hier zu bleiben und - nach Möglichkeit - zu arbeiten. Die Richtigkeit dieser Annahme ergebe sich auch aus den Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 1. und 2. Dezember 1992. Im übrigen habe auch die Mutter der Beschwerdeführerin am 1. Dezember 1992 angegeben, daß auch die Beschwerdeführerin "für immer" nach Österreich habe reisen wollen. Die Beschwerdeführerin habe nach ihren Angaben in Indien keinerlei Verwandte mehr, was gleichfalls dafür spreche, daß die Beschwerdeführerin und ihre Mutter bei den niederschriftlichen Vernehmungen am 1. und 2. Dezember 1992 die Wahrheit gesagt hätten.

Für die belangte Behörde stehe daher fest, daß die Beschwerdeführerin am 24. April 1992 gegenüber einer österreichischen Behörde, nämlich der österreichischen Botschaft in New Delhi, unrichtige Angaben gemacht habe, um sich die Einreise und die anschließende Aufenthaltsberechtigung in Form eines Sichtvermerkes zu verschaffen. Der Tatbestand nach § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei erfüllt; es liege sohin eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. vor. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei im Interesse der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Die im § 20 Abs. 1 leg. cit. gebotene Interessenabwägung falle zum Nachteil der Beschwerdeführerin aus, weil die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes spreche das wichtige öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines halbwegs geordneten Einwanderungs- bzw. Fremdenpolizeiwesens. Die Beschwerdeführerin sei erst knapp mehr als ein Jahr in Österreich, weshalb nur von einem geringen Grad der Integration ausgegangen werden könne. Dazu komme, daß die Dauer des erlaubten Aufenthaltes sehr kurz gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei volljährig und ledig. Familiäre Bindungen habe sie in Österreich zu einem schon länger hier aufhältigen Bruder und zur ihrer Tante, ferner zu ihrer Mutter, die gemeinsam mit ihr eingereist sei. Das Interesse des Betriebes, in dem die Beschwerdeführerin arbeite, an ihrem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sei kein bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigendes maßgebendes Interesse. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 sowie der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG lauten:

"§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 zu verschaffen;

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20.(1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1.

die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen."

2.1. Die Beschwerde enthält konkrete Ausführungen ausschließlich zur Bekämpfung der Sachverhaltsfeststellung, die Beschwerdeführerin habe gegenüber der österreichischen Botschaft in New Delhi unrichtige Angaben über die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet gemacht. Die Beschwerdeführerin meint, es sei keineswegs erwiesen, daß sie bereits bei Antragstellung die Absicht gehabt habe, für längere Zeit in Österreich zu bleiben.

Die Beschwerdeführerin vermag mit diesen Ausführungen keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung zu wecken. Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Annahme, ein Fremder, der kurz nach seiner Einreise in das Bundesgebiet eine Beschäftigung annimmt, habe eine darauf abzielende Absicht bereits vor seiner Einreise gehabt, steht nämlich mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Widerspruch. Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß die belangte Behörde ihre Sachverhaltsfeststellungen auch auf die Angaben der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter stützen konnte sowie auf die unbestritten gebliebene Tatsache, daß die Beschwerdeführerin in Indien keine Verwandten mehr habe.

2.2. Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang als Verfahrensmangel, daß bei ihrer Vernehmung durch die erstinstanzliche Behörde kein Dolmetscher beigezogen worden sei. Als Dolmetscher habe ihre Tante fungiert, die zwar die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, aber nicht perfekt Deutsch spreche.

Die Beschwerdeführerin nimmt mit diesen Ausführungen erkennbar auf § 39a AVG Bezug. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ist dann, wenn eine Partei oder eine zu vernehmende Person der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, taubstumm, taub oder stumm ist, erforderlichenfalls der der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizuziehen. Die §§ 52 Abs. 2 und 53 sind sinngemäß anzuwenden.

Selbst wenn die belangte Behörde dadurch, daß sie sich auf die ohne Beiziehung eines Amtsdolmetschers und ohne Beeidigung des nichtamtlichen Dolmetschers zustandegekommenen Niederschriften über die Vernehmung der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter gestützt hat, einen Verfahrensmangel bewirkt hat, führt dies die Beschwerde nicht zum Erfolg, weil ein Verstoß gegen die genannten Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung des Bescheides führt, wenn er relevant im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1992, Zl. 92/18/0311, m.w.N.). Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, daß die Aussage der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter unrichtig übersetzt worden sei, in welchem konkreten Umfang die Übersetzung vom tatsächlichen Inhalt der Aussagen abweiche und inwieweit die belangte Behörde daher bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Beschwerdeführerin hat es somit unterlassen, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen hatte.

3.1 Ausgehend von diesem Sachverhalt stößt es auf keine Bedenken, wenn die belangte Behörde den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG als verwirklicht angesehen und darauf die Annahme gegründet hat, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ordnung gefährde. Mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen war das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier zum Schutz der öffentliche Ordnung) dringend geboten und das Aufenthaltsverbot daher im Grunde des § 19 FrG zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0104).

3.2. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung führt die Beschwerdeführerin nichts ins Treffen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag keine Rechtswidrigkeit in diesem Zusammenhang zu erkennen.

4. Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Schlagworte

Beeidigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180458.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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