TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/28 93/18/0280

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Veröffentlicht am 28.10.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8 Abs2;
StGB §43;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des G in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 7. Oktober 1992, Zl. St - 64/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 sowie § 4 Fremdenpolizeigesetz auf unbestimmte Zeit ein Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 12. Mai 1992 wegen des am 9. November 1991 gemeinsam mit dem türkischen Staatsangehörigen S begangenen Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB sowie wegen des am 2. November 1991 begangenen Verbrechens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt worden, wobei ihm ein Strafteil von 20 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Der Verurteilung (wegen schweren Raubes) liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer zusammen mit S einen Taxifahrer beraubt habe, wobei dieser von S mit einer umgebauten Schreckschußwaffe zur Herausgabe des Geldes und seines Fahrzeuges genötigt und durch die Abgabe von zwei Schüssen verletzt worden sei. Die Ausführung der Tat habe der Beschwerdeführer mit S während der Taxifahrt besprochen. Nach Verübung der Tat sei er gemeinsam mit S mit dem Kraftfahrzeug des überfallenen Taxilenkers geflüchtet. Aufgrund dieser Verurteilung lägen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz vor. Zu der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgenommenen Interessenabwägung führte die belangte Behörde aus, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt jugendlich gewesen sei, bereits im gerichtlichen Strafverfahren als mildernd gewertet worden sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei in Österreich geboren und würde sich seither hier aufhalten, hielt die belangte Behörde entgegen, daß der Beschwerdeführer durchaus nicht durchgehend in Österreich aufhältig gewesen sei. So habe er beispielsweise von 1986 bis 1989 in der Türkei gelebt, wo er eine Schule (Internat) besucht und bei einem Onkel gelebt habe. Er habe zwar vier Klassen Volksschule in Österreich besucht, von den vier Klassen Hauptschule aber nur das erste Jahr in Österreich, den Rest jedoch in der Türkei absolviert. Wenngleich er sicherlich in seiner Familie und in Österreich integriert sei, könne somit doch nicht gesagt werden, daß er zu seinem Heimatland keinerlei Beziehung mehr habe. Es sei dem Beschwerdeführer auch zuzugestehen, daß seine familiären Beziehungen gut seien und daß seine Familie hinter ihm stehe. Dennoch spreche die Schwere der von ihm begangenen Straftat (gemeint ist der schwere Raub) gegen ihn, wozu noch komme, daß er immerhin eine Woche zuvor "ohne wirtschaftliche Not" ein Fahrrad gestohlen habe. Auch wenn der Beschwerdeführer die Tat (gemeint den schweren Raub) nur als "Mitläufer und untergeordnet" begangen haben sollte, seien bei ihm doch Charakterzüge sichtbar geworden, die seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet als Gefahr für die öffentliche Sicherheit erscheinen ließen. Trotz der Erschwernisse, auf die der Beschwerdeführer hinsichtlich seines beruflichen oder persönlichen Fortkommens in seinem Heimatland stoßen werde, würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde von diesem mit Beschluß vom 17. März 1993, B 2003/92, abgelehnt und mit dem weiteren Beschluß vom 2. Juni 1993 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Aufgrund der oben angeführten gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 14. April 1993, Zlen. 93/18/0061, 93/18/0105 und 93/18/0106) zu Recht von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) Fremdenpolizeigesetz ausgehen und daraus das Vorliegen einer bestimmten Tatsache ableiten, welche die in § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz umschriebene Annahme rechtfertigt.

Auch die von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgenommene Interessenabwägung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Da die vom Beschwerdeführer geltend gemachten, zu seinen Gunsten sprechenden Gesichtspunkte (jahrelanger Aufenthalt in Österreich, volle Integration, Eltern und Geschwister leben seit langer Zeit in Österreich, erhebliche Erschwerung des persönlichen und beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers in der Türkei) im wesentlichen von der belangten Behörde berücksichtigt worden sind, erübrigte sich die Aufnahme der vom Beschwerdeführer dazu beantragten Beweise. Da der Beschwerdeführer wenige Tage vor dem von ihm verübten Verbrechen des schweren Raubes auch einen Diebstahl begangen hat, kann nicht davon gesprochen werden, daß es sich bei seinem deliktischen Verhalten um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe. Mit Rücksicht auf die besondere Schwere der Straftat nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB, welche nach den Ausführungen im strafgerichtlichen Berufungsurteil auch nicht etwa nur aus bloßer Unbesonnenheit begangen wurde, sowie in Anbetracht des Hinzutretens des Diebstahles ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie die für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer sprechenden öffentlichen Interessen als unverhältnismäßig schwerer wiegend erachtet hat als die gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers. An diesem Ergebnis vermag auch nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer minderjährig ist. Seinen Einwand, daß er zu seinem Heimatland keinerlei Beziehungen mehr habe, hat die belangte Behörde durch den - unbestritten gebliebenen - Hinweis entkräftet, daß er sich immerhin von 1986 bis 1989 in der Türkei aufgehalten habe. Daß der Beschwerdeführer in einem Beruf tätig sei, den er nicht auch im Ausland ausüben könne, hat er nicht behauptet. Auch der Umstand, daß dem Beschwerdeführer vom Gericht ein Teil der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurde, steht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, Zl. 90/19/0146) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Was das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Wohlverhalten anlangt, so ist der seit der Begehung der Straftaten verstrichene Zeitraum zu kurz, um die Gefahr weiterer strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers ausschließen zu können.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180280.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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