TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/29 93/01/0165

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Veröffentlicht am 29.10.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/01/0231 93/01/0297 93/01/0298

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerden 1) des D in L, vertreten durch den Vater B (Drittbeschwerdeführer), dieser vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, 2) der S in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, 3) des B in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, und 4) des C in S, vertreten durch den Vater B (Drittbeschwerdeführer), dieser vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 13. Jänner 1993, Zl. 4.322.144/2-111/13/91 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers, hg. Zl. 93/01/0165), Zl. 4.322.142/3-111/13/91 (hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin, hg. Zl. 93/01/0231), Zl. 4.322.142/2-111/13/91 (hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers, hg. Zl. 93/01/0297) und Zl. 4.322.143/2-111/13/91 (hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers, hg. Zl. 93/01/0298), alle betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beechwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den jeweils im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen vier Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1993 wurde ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern - Staatsangehörigen "der früheren SFRJ" albanischer Nationalität, die am 23. Juli 1991 in das Bundesgebiet eingereist sind und am 25. Juli 1991 Asylanträge gestellt haben - kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof -nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:

1. Der ERSTBESCHWERDEFÜHRER erachtet sich durch den ihn betreffenden angefochtenen Bescheid "in seinem Recht auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens gem. § 37 AVG verletzt". Ihm ist aber entgegenzuhalten, daß der Bundesminister für Inneres gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens nur in den dort angeführten Fällen anzuordnen hat, ein solcher Fall - insbesondere auch der, daß das Ermittlungsverfahren offenkundig mangelhaft war - nicht vorlag und die belangte Behörde daher gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hatte. Die Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren, nämlich anläßlich seiner Befragung am 29. Juli 1991, enthielten keinen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschn. A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) in Betracht gekommen wäre. Die belangte Behörde war daher auf der Grundlage dieser Angaben auch nicht gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - welche Vorschrift eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, bedeutet - nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803).

Bei seiner (ebenfalls wie bei den übrigen Beschwerdeführern unter Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführten) Vernehmung am 29. Juli 1991 hat der Erstbeschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe primär angegeben - wobei die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben ausdrücklich durch seine Eltern, die Zweitbeschwerdeführerin und den Drittbeschwerdeführer, bestätigt wurden -, daß er sich der Flucht seiner Eltern angeschlossen habe, da er in seinem Heimatland wegen des Bürgerkrieges große Angst gehabt habe. Damit hat er aber keine konkreten, individuell gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen behauptet, sondern lediglich auf die allgemeine Lage, in der sich die gesamte Bevölkerung in seinem Heimatland befindet, hingewiesen. Entgegen der Ansicht des Erstbeschwerdeführers reicht auch seine Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe für sich allein zur Annahme seiner Flüchtlingseigenschaft nicht aus. Diesbezüglich hat er bei seiner Vernehmung bloß hinzugefügt, daß er aus diesem Grunde in der Schule "ausgespottet und schikaniert" worden sei, woraus sich nicht ergibt, daß diese Beeinträchtigungen - abgesehen von der Frage nach ihrer Intensität - den staatlichen Behörden seines Heimatlandes zuzurechnen gewesen wären. Wenn der Erstbeschwerdeführer geltend macht, er habe seine Fluchtgründe in der Berufung "noch ausdrücklich weiter konkretisiert", so war darauf - wie bereits gesagt - gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht Bedacht zu nehmen. Im übrigen wäre für seinen Standpunkt auch daraus nichts zu gewinnen; daß er hiebei "im wesentlichen" auf die von seinen Eltern ins Treffen geführten Fluchtgründe verwiesen hat, waren doch auch diese - wie die belangte Behörde ebenfalls richtig erkannt hat, worauf noch zurückzukommen sein wird, und ungeachtet der Frage nach ihren Auswirkungen auf den Erstbeschwerdeführer - im gegebenen Zusammenhang nicht als tauglich anzusehen. Ebensowenig könnte sein weiteres Berufungsvorbringen, "die momentane Situation" in seinem Heimatland würde für ihn und seine Familie die Möglichkeit ausschließen, "'in Zukunft in Freiheit leben zu können", hierfür genügen.

2. Auch der VIERTBESCHWERDEFÜHRER macht der belangten

Behörde zu Unrecht zum Vorwurf, keine weiteren Ermittlungen durchgeführt zu haben, wobei für ihn sinngemäß das gleiche gilt wie für den Erstbeschwerdeführer, seinen Bruder. Der Viertbeschwerdeführer hat bei seiner Vernehmung am 29. Juli 1991 (damals gleichfalls durch seine Eltern bestätigt) seine Ausreise aus seinem Heimatland damit begründet, daß er und seine Geschwister mit ihren Eltern "mitgeflüchtet" seien, weil diese "die Familie zusammenhalten", er nur wisse, daß sein Vater mit der Miliz "wegen irgendwelcher Gründe", die er nicht angeben könne, Schwierigkeiten gehabt habe, und er große Angst habe, da in seinem Heimatland "auch Krieg" sei. Damit hat der Viertbeschwerdeführer keine Umstände dargetan, die die Annahme rechtfertigen würden, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen eines der im $ 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe außerhalb seines Heimatlandes befinde. Auch sein (mit dem des Erstbeschwerdeführers wortgleiches und demnach darüber hinaus nicht zielführendes) Berufungsvorbringen war im Hinblick auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unbeachtlich. Seine Beschwerdebehauptung, auch Familienangehörige hätten, sofern sie der albanischen Volksgruppe zuzuzählen seien, "im Sinne einer 'Sippenhaftung Sippenhaftungl" Repressalien zu befürchten, verstößt im übrigen gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot.

3. Die ZWEITBESCHWERDEFÜHRERN hat bei ihrer Vernehmung am 29. Juli 1991 erklärt, ihr Heimatland verlassen zu haben, da ihr Mann, der Erstbeschwerdeführer, geflüchtet sei und "er mich und meine Familie nicht alleine zurückgelassen hat". Ihr Gatte sei geflüchtet, da die Miliz bei ihnen eine Hausdurchsuchung durchgeführt und ein Gewehr gefunden habe, worauf er festgenommen und geschlagen worden sei. Als er nach drei Tagen wieder nach Hause gekommen sei, hätten sie sich zur Flucht nach Österreich entschlossen. Sie habe um ihre Kinder Angst gehabt, da in ihrem Heimatland Bürgerkrieg herrsche. Letzteres wird in der Beschwerde nicht einmal erwähnt und könnte ihr - wie bereits in Erledigung der Beschwerden des Erstbeschwerdeführers und des Viertbeschwerdeführers dargelegt - auch nicht zum Erfolg verhelfen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat aber im erstinstanzlichen Verfahren - entsprechend der Begründung dieses angefochtenen Bescheides - auch sonst keine Umstände aufgezeigt, aus denen eine sie selbst treffende relevante Verfolgung abgeleitet werden könnte, war doch eine solche in der Vornahme einer Hausdurchsuchung - die für ihre Ausreise noch gar nicht ausschlaggebend war - für sich allein nicht zu erblicken (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0146, und vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0777) und hat sie lediglich dem Wunsch Rechnung getragen, ihren (ihrer Meinung nach verfolgten) Gatten bei seiner "Flucht" nach Österreich zu begleiten. Für derartige Fälle sieht nur der S 4 Asylgesetz 1991 die Möglichkeit der Ausdehnung der Gewährung von Asyl vor, die jedoch einen dementsprechenden Antrag (den die Zweitbeschwerdeführerin, ebenso wie ihre Kinder, nicht gestellt hat) und die Gewährung von Asyl an den Drittbeschwerdeführer gemäß S 3 leg. cit. zur Voraussetzung gehabt hätte. Auch in diesem Beschwerdefall traf die belangte Behörde auf der Grundlage obiger Angaben keine weitere Ermittlungspflicht, weshalb § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 anzuwenden war. Dadurch, daß sie sich dessenungeachtet auch mit dem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt und dieses als unglaubwürdig gewertet hat, wurde daher die. Zweitbeschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt. Dazu kommt, daß dieses zusätzliche Vorbringen - wonach die Zweitbeschwerdeführerin ihrem Gatten zur Flucht aus dem Polizeigefängnis verholfen habe und aus diesem Grund ebenfalls von der Polizei in ihrem Heimatland gesucht werde - nicht entnommen werden kann, daß die ihr deswegen allenfalls drohenden Maßnahmen auf einen der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe, insbesondere den ihrer Nationalität oder den ihrer politischen Gesinnung, zurückzuführen wären.

4. Was schließlich den DRITTBESCHWERDEFÜHRER anlangt, so geht dieser in der Beschwerde zwar - im Hinblick auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zutreffend - nur von dem bei seiner Vernehmung am 29. Juli 1991 geschilderten Sachverhalt aus, indem er auf sein (ergänzendes, teilweise davon abweichendes) Berufungsvorbringen überhaupt nicht zu sprechen kommt. Seiner Auffassung, die belangte Behörde habe diesen Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt, vermag aber der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Seinen Angaben zufolge sei er Sympathisant der "LDK (Liria Demokratische Partei Kosovo)" und gehöre der albanischen Minderheit in Jugoslawien an. Er habe an verschiedenen Demonstrationen teilgenommen, deswegen aber keine Schwierigkeiten gehabt. Am 30. Juni 1991 habe er "ohne Grund" seine Arbeit verloren, "wahrscheinlich" weil er Albaner sei. Am 2. Juli 1991 seien drei Milizbeamte zu ihm nach Hause gekommen und hätten die Wohnung ohne Hausdurchsuchungsbefehl nach Gewehren und albanischen Fahnen durchsucht. Sie hätten bei ihm ein Gewehr gefunden, das er von seinem Vater vor ca. 10 Jahren geschenkt bekommen habe. Daraufhin sei er mitgenommen, drei Tage festgehalten und geschlagen worden, wobei er nicht ernstlich verletzt worden sei. Nach diesem Vorfall habe er sich zur Flucht mit seiner Familie nach Österreich entschlossen. Diese sei ihm leicht gefallen, da Bürgerkrieg herrsche und er auf der Landwirtschaft auch keine Ernte einbringen könne, weil er Angst habe, erschossen zu werden. Damit hat der Drittbeschwerdeführer nicht behauptet, den Behörden seines Heimatlandes konkret wegen seiner politischen Einstellung (an sich oder in Verbindung mit seiner Teilnahme an Demonstrationen) bekannt zu sein. Das Ungemach, das er bisher zu ertragen hatte, bestand -abgesehen vom Verlust seines Arbeitsplatzes, mit dem noch nicht zwangsläufig der Entzug seiner Lebensgrundlage verbunden war ausschließlich in den nach der Hausdurchsuchung gegen ihn ergriffenen Maßnahmen. Diese hatten aber ihre Ursache nicht in einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe, sondern darin, daß der Drittbeschwerdeführer - entsprechend der Annahme der belangten Behörde, gegen die er sich nicht wendet - widerrechtlich eine Waffe besessen hat. Es muß aus seinen Angaben auch darauf geschlossen werden, daß er anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt worden ist, wobei daraus jedenfalls nicht hervorgeht, daß er eine daraus resultierende, über die allfällige Ahndung einer strafbaren Handlung hinausgehende weitere Verfolgung zu erwarten hätte.

5. Da sich somit sämtliche Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. W i e n , am 29. Oktober 1993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010165.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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