TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/29 93/01/0390

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Veröffentlicht am 29.10.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §20 Abs1;
AsylG 1991 §1;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der V in W, mit mj. B, mj. A, und mj. J, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1993, Zl. 4.337.947/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der "früheren SFRJ" albanischer Nationalität, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Mai 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihr lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 22. März 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, habe sie bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 29. April 1992 angegeben, sie sei nie Mitglied einer politischen Partei gewesen und habe ihre Religion frei ausüben dürfen. Die albanische Volksgruppe im Kosovo, der sie angehöre, werde von den Serben unterdrückt, habe keine Rechte und finde nur schwer Arbeitsplätze. Der Gatte der Beschwerdeführerin habe am 18. April 1992 einen Einberufungsbefehl zur Bundesarmee für den 20. April 1992 erhalten, worauf er und die Beschwerdeführerin - weil ihr Gatte die Familie nicht habe verlassen und nicht auf Seite der Serben in einem sinnlosen Krieg habe kämpfen wollen - beschlossen hätten, ihr Heimatland in der Absicht, sich in Österreich eine neue Existenz aufzubauen, zu verlassen.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin ergänzend ausgeführt, sie habe mit ihrem Gatten ihr Heimatland deshalb verlassen, weil dieser seit 1989 Mitglied der "LDK" sei, einer Partei, die für mehr Rechte, bessere Arbeitsplätze und höhere Löhne für Angehörige der albanischen Volksgruppe eintrete und deshalb von den Serben verfolgt werde. Die Beschwerdeführerin sei moslemischen Glaubens und würde auch aus religiösen Gründen verfolgt, was im Verlust ihres Arbeitsplatzes zum Ausdruck gekommen sei. Angehörige der albanischen Volksgruppe würden von den Serben extrem unterdrückt, weshalb die Beschwerdeführerin Angst habe, im Fall ihrer Rückkehr von den Serben weiterhin aus ethnischen und religiösen Gründen verfolgt zu werden.

Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) zunächst deshalb verneint, weil sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin lediglich auf allgemeine Umstände in ihrem Heimatland bezogen habe. Angesichts der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren entspricht diese Auffassung der belangten Behörde der Rechtslage. So rechtfertigen weder die im Heimatland eines Asylwerbers allgemein herrschenden Verhältnisse noch wirtschaftliche Gründe die Anerkennung als Flüchtling bzw. die Gewährung von Asyl (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, 1990, S. 28 und 29, angeführte Judikatur). Ebensowenig sind Hinweise auf die Lage bzw. die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit allein - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtssprechung ausgeführt hat (vgl. Steiner, aaO, S. 30, angeführte Judikatur) - geeignet, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 glaubhaft zu machen.

Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die von der Beschwerdeführerin erstmals in ihrer Berufung geltend gemachte Verfolgung aus religiösen Gründen und insbesondere den auf diese Gründe zurückgeführten Verlust des Arbeitsplatzes deswegen als nicht glaubwürdig angesehen hat, weil die Beschwerdeführerin bei ihrer erstinstanzlichen Einvernahme solche Gründe nicht erwähnt, sondern unbestritten angegeben hat, ihre Religion frei ausgeübt zu haben. Diese Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin entspricht auch deswegen der Rechtslage, weil die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hatte. Aus diesem Grund ist der belangten Behörde auch dadurch kein Verfahrensmangel unterlaufen, daß sie auf die erst in der Berufung geltend gemachte Mitgliedschaft des Gatten der Beschwerdeführerin bei der "LDK" nicht eingegangen ist.

Wenn auch die belangte Behörde es unterlassen hat, auf die Einberufung des Gatten der Beschwerdeführerin zum Militärdienst einzugehen, so kann in dieser Unterlassung ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht erblickt werden, weil diese Einberufung nicht als konkrete, gegen sie selbst gerichtete Verfolgung gewertet werden könnte. Allerdings könnte für den Fall, daß dem Gatten der Beschwerdeführerin Asyl gewährt werden sollte, über ihren Antrag die Asylgewährung gemäß § 4 Asylgesetz 1991 auf die Beschwerdeführerin (und ihre mj. Kinder) ausgedehnt werden.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die belangte Behörde wäre zu Erhebungen und insbesondere dazu verpflichtet gewesen, sie ergänzend einzuvernehmen, ist ihr entgegenzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen konkreter, individuell gegen die Beschwerdeführerin gerichteter Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde nicht verhalten, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. Der insoweit geltend gemachte Verfahrensmangel liegt sohin nicht vor.

Soweit die Beschwerdeführerin erstmals in der Beschwerde geltend macht, sie müsse im Fall ihrer Rückkehr wegen "Verrats" bzw. wegen Beihilfe zur Desertion mit "einem Angriff von erheblicher Intensität in die von ihrem Heimatstaat zu schützende Sphäre" rechnen, unterliegt sie mit diesem Vorbringen dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot, weshalb auf diese Ausführungen nicht weiter einzugehen war. Gleiches gilt auch für die in der Beschwerde erstmals ins Treffen geführte, aus der strapaziösen Flucht hergeleitete "Streßsituation" der Beschwerdeführerin bei ihrer erstinstanzlichen Einvernahme. Darüber hinaus ist festzuhalten, daß es einem Asylwerber zugemutet werden muß, bei seiner Ersteinvernahme wenigstens ansatzweise die wesentlichen Gründe, auf denen seine Furcht vor Verfolgung beruht, vorzubringen.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010390.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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