TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/29 92/01/0980

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Veröffentlicht am 29.10.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des A in T, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juli 1992, Zl. 4.327.798/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem albanischen Staatsangehörigen, der am 21. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist war - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält nach Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen zunächst allgemeine Rechtsätze, wobei die belangte Behörde abschließend die Auffassung vertritt, weder "durch die vergangenen Ereignisse, noch durch die notorische aktuelle Situation in Albanien" habe eine den Beschwerdeführer selbst betreffende Verfolgungsgefahr bescheinigt werden können, weshalb dessen Flüchtlingseigenschaft zu verneinen und ihm kein Asyl zu gewähren gewesen sei.

Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, sich mit den (von ihr gar nicht wiedergebenen) Angaben des Beschwerdeführers über seine im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Fluchtgründe auseinanderzusetzen. Vielmehr hat sie sich damit begnügt, im Rahmen der von ihr zu treffenden Prognose bezüglich des Bestehens einer Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer auf die in dessen Heimatland geänderten politischen Verhältnisse hinzuweisen. Sie hat diesbezüglich ausgeführt, es habe sich alles, was der Beschwerdeführer im Asylverfahren vorzubringen vermocht habe, auf die Situation in dessen Heimatland zur Zeit des stalinistischen Regimes und vor allem während der Umbruchszeit 1991/92 bezogen. In der Zwischenzeit habe sich jedoch die Lage in Albanien in geradezu spektakulärer und dramatischer Weise geändert. Die derzeit auch effektiv in Kraft stehende Verfassung vom 29. April 1992 gewähre die liberalen Grundrechte wie Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Streikrecht, Freizügigkeit und Privateigentum und sichere deren Beachtung durch Institutionen der gewaltenteilenden parlamentarisch-pluralistischen Demokratie. Es seien im Laufe des Jahres 1991 sämtliche politischen Häftlinge freigelassen worden und keine staatliche Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sonstigen sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mehr bekannt geworden. Es könne die triste wirtschaftliche Lage zwar nicht geleugnet werden, ebensowenig die hohe Kriminalitätsrate im Heimatland des Beschwerdeführers, doch stellten diese sicherlich bedauerlichen Mißstände keine "Verfolgung" durch staatliche Organe im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.

Der Beschwerdeführer bestreitet dies und macht geltend, daß in seinem Heimatland weiterhin politische Verfolgung existiere, und es evident sei, daß er aufgrund seiner politischen Gesinnung als Anhänger der demokratischen Partei nach wie vor in wohlbegründeter Furcht vor staatlichen Repressionsmaßnahmen gelebt habe. Da überdies aufgrund seines Studiums sowie der politischen Verfolgung in seinem Heimatland vor der Ausreise die Ableistung des Militärdienstes nicht möglich gewesen sei, habe er nach Vollendung seines 26. Lebensjahres im Falle einer Rückkehr mit einer hohen Gefängnisstrafe zu rechnen. Mit diesem Beschwerdevorbringen verstößt der Beschwerdeführer auch nicht gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, weil ihm im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit im Sinn des § 37 AVG geboten wurde, zu dem von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die für die Ablehnung des Asylantrages herangezogene maßgebende Argumentation, insbesondere hinsichtlich der geänderten Verfassungsrechtslage, aber auch der Freilassung politischer Gefangener, schließt nämlich die Behauptung des Beschwerdeführers, es bestehe auch nach der Änderung der politischen Verhältnisse aufgrund der faktischen politischen Lage für ihn weiterhin die begründete Furcht, aus politischen Gründen verfolgt zu werden, nicht aus (vgl. u.a. auch das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zlen. 92/01/1029, 1030).

Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und damit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010980.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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