TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/29 93/01/0471

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Veröffentlicht am 29.10.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. April 1993, Zl. 4.297.084/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. Jänner 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 14. April 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 28. Juni 1990 angegeben, er sei weder Mitglied einer politischen Partei gewesen noch sei er politisch verfolgt worden; auch habe er seine Religion frei ausüben können. Im Mai 1990 habe er in seinem Heimatland an einer von ihm und seinen Studienkollegen organisierten Demonstration wegen der schlechten wirtschaftlichen Bedingungen im Land teilgenommen. Diese Demonstration sei von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden, wobei zahlreiche Festnahmen erfolgt seien. Dem Beschwerdeführer sei es aber gelungen zu entkommen. Vermutlich sei er als Teilnehmer namhaft gemacht worden, weil sein Foto unter zahlreichen anderen bei fast allen Polizeidienststellen ausgehängt gewesen sei.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer angegeben, er sei wegen politischer Probleme in seinem Heimatland nach Österreich gereist. Nachdem er gegen den niedrigen Lebensstandard und die Arbeitslosigkeit der Universitätsabsolventen demonstriert habe, seien er und andere Mitglieder der Benin Universität von der Polizei gesucht worden. Mit Hilfe seines Bruders sei dem Beschwerdeführer das Verlassen seines Heimatlandes möglich gewesen.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst beizupflichten, wenn er rügt, daß der angefochtene Bescheid eine schlüssige, durch Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gedeckte Begründung für die Annahme, die Auflösung der Demonstration durch die Polizei und der Aushang seines Bildes seien nicht aus politischen Gründen, sondern lediglich in Wahrnehmung der polizeilichen Ordnungsfunktion erfolgt, vermissen läßt. Dieser der belangten Behörde unterlaufene Mangel kann aber nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach sich ziehen, weil auch bei seiner Vermeidung angesichts des erstinstanzlichen Vorbringens des Beschwerdeführers, welches gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 dem angefochtenen Bescheid zugrunde zu legen war, die belangte Behörde nicht zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. So kann aus der ins Treffen geführten Teilnahme des Beschwerdeführers an einer Demonstration und deren Auflösung durch die Polizei, ohne daß er festgenommen worden wäre, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht abgeleitet werden, weil - wie der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen ausgesprochen hat - selbst Festnahmen und Anhaltungen im Anschluß an Demonstrationen, wenn sie ohne weitere Folgen bleiben, nicht als Verfolgung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle gewertet werden können (vgl. für viele andere z. B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zlen. 93/01/0348, 0349). Auch den Aushang des Bildes des Beschwerdeführers bei Polizeistationen hat die belangte Behörde zu Recht nicht zum Anlaß genommen von Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne der angeführten Gesetzesstelle auszugehen, weil dieser Umstand allein noch nicht den Schluß zuläßt, der Beschwerdeführer sei aus in dieser Gesetzesstelle angeführten Gründen gesucht worden und hätte für den Fall seiner Ergreifung mit polizeilichen Maßnahmen zu rechnen gehabt, die in ihrer Intensität so weit gegangen wären, daß sein weiterer Verbleib in seinem Heimatland als unzumutbar einzustufen gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer hat auch geltend gemacht, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, Ermittlungen über die Umstände anzustellen, die in seinem Heimatland zu Verfolgungshandlungen führen. Hiezu ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, die Asylbehörden hätten in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde somit nicht zu weiteren Ermittlungen verhalten.

Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde behauptet, er müsse aus Gründen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Verfolgung befürchten, unterliegt er mit diesem Vorbringen dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Verwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010471.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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