Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. November 1992, Zl. 4.296.238/4-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. November 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen "der früheren SFRJ" albanischer Nationalität, der am 22. April 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 29. Juli 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, abgewiesen und ausgesprochen, daß ihm Österreich kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 15. Mai 1990 im wesentlichen ausgeführt, er gehöre der albanischen Minderheit an und sei seit Februar 1989 Mitglied der illegalen Demokratischen Partei in Prishtina gewesen. Er habe im Jahre 1989 dort an mehreren Demonstrationen teilgenommen, sei dabei aber nie identifiziert worden. Am 23. Jänner 1990 habe er an seiner letzten Demonstration teilgenommen, bei der mehrere seiner Freunde verhaftet "und in den Arrest gegeben" worden seien. Diese hätten dann auch seinen Namen angegeben, woraufhin er von der Miliz gesucht worden sei. Nachdem er hievon durch Bekannte erfahren habe, habe er bis zu seiner Ausreise nach Österreich in Prishtina "im Untergrund" gelebt.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid rügte der Beschwerdeführer das erstinstanzliche Verfahren als mangelhaft, da er "zu keinem geeigneten Vorbringen angeleitet" worden und bei seiner Vernehmung kein Dolmetsch anwesend gewesen sei. Bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel hätte der Beschwerdeführer darstellen können, daß er einer nationalen Studentenbewegung angeschlossen gewesen sei, die im Zuge der Unruhen im Kosovo verboten worden sei und deren Mitglieder von der Polizei gesucht worden seien. Die Mitgliedschaft sei unter die Strafsanktion einer bis zu 15jährigen Haftstrafe gestellt worden.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß Beschränkungen des Versammlungsrechtes oder der Abhaltung von Demonstrationen keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft darstellten und auch damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen nicht als Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 qualifiziert werden könnten. Da es das legitime Recht jedes Staates sei, seine innere und äußere Sicherheit sowie seine Einrichtungen zu schützen und Organisationen, bei denen Grund zur Annahme bestehe, daß sie gegen die staatlichen Einrichtungen opponieren und die Sicherheit gefährden, aufzulösen und die Mitgliedschaft zu sanktionieren, könne die Mitgliedschaft in einer verbotenen nationalen Studentenbewegung und die damit im Zusammenhang stehende Suche durch die Polizei ebenfalls nicht zur Asylgewährung führen.
Die Auffassung der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer Flüchtlingseigenschaft nicht zukommt, trifft im Ergebnis zu:
Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des - von der belangten Behörde im vorliegenden Fall anzuwendenden - § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht, sondern es müssen (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die aus objektiver Sicht, sowie unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, 92/01/0605).
Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit stellt - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgeführt hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. November 1992, 92/01/0719) - allein noch keinen Grund für die Gewährung von Asyl dar. Denn es kommt immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers an, nicht aber bloß auf die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, 92/01/0734). Soweit der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren konkrete, gegen ihn gerichtete Maßnahmen vorgebracht hat, nämlich daß er von der Polizei wegen der Teilnahme an der Demonstration vom 23. Jänner 1990 gesucht worden sei, wurde dies von der belangten Behörde - unter dem Gesichtspunkt der Intensität des Eingriffes - zu Recht (noch) nicht als Asylgrund im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gewertet. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind selbst polizeiliche Maßnahmen wie die Festnahme oder Anhaltung, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an (verbotenen) Demonstrationen stehen, für sich allein (noch) nicht als relevante Verfolgungshandlungen anzusehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 10. März 1993, Zl. 92/01/0879). Daß er diesbezüglich schwerwiegendere Maßnahmen zu befürchten gehabt hätte, hat der Beschwerdeführer im Verfahren erster Instanz freilich nicht vorgebracht.
Gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 wäre die belangte Behörde jedoch gehalten, auf die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung zusätzlich vorgebrachten Umstände einzugehen und eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 199 vorläge (die übrigen im § 20 Abs. 2 leg. cit. genannten Gründe kommen im Beschwerdefall nicht in Betracht). In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer geltend, er hätte "im Rahmen der Manuduktionspflicht angeleitet werden müssen, ein geeignetes Vorbringen zu erstatten".
Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers kann allerdings weder aus § 13a AVG noch aus § 16 Asylgesetz 1991 eine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, einen Asylwerber anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Sepember 1993, Zl. 93/01/0768). Vielmehr ist - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0726) - im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen, und es obliegt ihm, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen des Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Frage kommt, hat die belangte Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu drängen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0768).
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang weiters rügt, daß er der deutschen Sprache nur "lückenhaft mächtig", dem Verfahren aber "nicht einmal ein Dolmetsch" beigezogen und er solcherart gehindert gewesen sei, ein geeignetes Vorbringen zu erstatten, ist ihm entgegenzuhalten, daß nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 15. Mai 1990 ein Dolmetscher beigezogen wurde und der Beschwerdeführer gegen die Niederschrift keine Einwendung gemäß § 15 AVG erhoben, sondern vielmehr am Ende der Vernehmung mit seiner Unterschrift ausdrücklich erklärt hat, daß ihm der Inhalt der Niederschrift vorgelesen worden sei, er alles verstanden und dem Inhalt nichts mehr hinzuzufügen habe.
Da somit der Aktenlage nicht entnommen werden kann, daß eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorläge, insbesondere auch über die - bereits oben behandelten - Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde nicht verhalten, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. Sie hatte vielmehr ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen, ohne auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung Bedacht zu nehmen.
Mit dem erstmals in der Beschwerde vorgetragenen Vorbringen, der Beschwerdeführer hätte, wäre er von der Behörde vernommen worden, zum Ausdruck bringen können, daß er sich durch seine Flucht nach Österreich auch der Wehrpflicht entzogen habe, wofür eine Strafdrohung von zehn Jahren Freiheitsentzug bis zur Verhängung der Todesstrafe ausgesetzt sei, unterliegt er dem Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992011105.X00Im RIS seit
20.11.2000