TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/11 93/18/0417

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Veröffentlicht am 11.11.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
FrPolG 1954 §10a;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §5 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §5 Abs1 idF 1990/190;
FrPolG 1954 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des B in M, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Juli 1992, Zl. UVS-01/15/00105/92, betreffend Festnahme zum Zweck der Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, war am 28. Juni 1992 ohne Reisepaß und ohne österreichischen Sichtvermerk aus Ungarn kommend über die grüne Grenze nach Österreich eingereist.

2. Mit Bescheid vom 1. Juli 1992 hatte die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer gegenüber gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPolG) iVm § 57 Abs. 1 AVG zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) angeordnet.

Aufgrund dieses dem Beschwerdeführer am 1. Juli 1992 zugestellten Bescheides war er am selben Tag in Schubhaft genommen worden.

3. Gleichfalls am 1. Juli 1992 hatte der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt. Dieser war mit Bescheid derselben Behörde vom selben Tag gemäß § 17 Abs. 1 und 3 Z. 3 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen worden. Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung war vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 9. Juli 1992 der Asylantrag gemäß § 3 leg. cit. abgewiesen worden.

4. Mit Bescheid vom 3. Juli 1992 (dem Beschwerdeführer am selben Tag zugestellt) hatte die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 10a FrPolG die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt.

5. Am 9. Juli 1992 hatte der Beschwerdeführer an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) Beschwerde mit dem Begehren erhoben, sowohl die Festnahme als auch die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

6. Mit Bescheid vom 17. Juli 1992 wies die belangte Behörde gemäß § 5a FrPolG iVm § 67c Abs. 3 AVG die Beschwerde, soweit mit ihr die Rechtswidrigkeit der Festnahme des Beschwerdeführers behauptet wurde, als unbegründet ab, und erklärte die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung für rechtswidrig.

Unter Zugrundelegung der maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen (s. die vorstehenden Punkte 1. bis 5.) kam die belangte Behörde im Hinblick auf § 17 Abs. 2 und § 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991 zu dem Ergebnis, daß dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen sei. Die Erlassung des Schubhaftbescheides am 1. Juli 1992 um 13.30 Uhr sei daher unter diesem Gesichtspunkt zulässig gewesen; die darauf gründende, zu diesem Zeitpunkt erfolgte Inschubhaftnahme sei somit bescheidmäßig gedeckt gewesen. Im übrigen seien im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft insofern gegeben gewesen, als sich der Beschwerdeführer unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten habe, er sich nicht mit einem Reisedokument habe ausweisen können, ohne ausreichende Mittel für seinen Unterhalt sowie ohne "Unterstand bzw. unangemeldet wohnhaft" gewesen sei. Es sei daher zu befürchten gewesen, daß der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt durch Begehung strafbarer Handlungen (Eigentumsdelikte, illegale Arbeitsaufnahme) bestreiten und er sich aufgrund der negativen Entscheidung der Asylbehörde sowie des drohenden Aufenthaltsverbotes und einer daraus resultierenden Abschiebung dem Zugriff der Behörde entziehen werde. Daß sich ein Bruder in Österreich aufhalte und dieser eine Verpflichtungserklärung abgeben sowie Unterkunft gewähren wolle, habe der Beschwerdeführer bis zum Zeitpunkt der Festnahme nicht erwähnt. Die Festnahme zum Zweck der Schubhaft am 1. Juli 1992 um 13.30 Uhr sei demnach nicht rechtswidrig gewesen.

7. Gegen diesen Bescheid, und zwar ausschließlich gegen dessen abweisenden Ausspruch, richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat die Beschwerde u.e. dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 14. Juni 1993, B 958/92).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Umfang seines abweisenden Teiles.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 1 FrPolG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder aus dem Grund notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

Wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, hat gemäß § 5a Abs. 1 FrPolG das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.

2.1. Nach Meinung des Beschwerdeführers ist der bekämpfte Bescheid (im Umfang des abweislichen Ausspruches) deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft nicht erfüllt gewesen seien. Zum einen sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer aufgrund dessen vorläufiger Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unzulässig gewesen; zum anderen sei die rechtliche Beurteilung, die Schubhaft sei im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grund notwendig, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten zu verhindern, durch keinerlei Feststellungen gedeckt.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der Beschwerdeführer hatte keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung, da er aus Ungarn (auf dem Landweg) nach Österreich gekommen, also nicht gemäß § 6 Asylgesetz 1991 eingereist ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0099). Von daher gesehen bestand im Hinblick auf den vorliegend heranzuziehenden § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 idF vor der Novellierung durch Art. II Z. 2 BGBl. Nr. 838/1992 kein Hindernis gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer, zu dessen Vorbereitung die Schubhaft verhängt worden war.

Was das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Grunde des § 5 Abs. 1 FrPolG anlangt, so ist festzuhalten, daß nach Lage der (dem Verwaltungsgerichtshof vom Verfassungsgerichtshof direkt übermittelten) Verwaltungsakten die Behörde im Zeitpunkt der Inschubhaftnahme am 1. Juli 1992 (13.30 Uhr) mit dieser Maßnahme das Ziel der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer verfolgt hatte. Die mit der am 3. Juli 1992 verfügten Ausweisung vorgenommene Änderung des Schubhaftzweckes bewirkte keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers in bezug auf seine Festnahme. Desweiteren lag im Zeitpunkt der Inschubhaftnahme

(1. Juli 1992, 13.30 Uhr) ein diese Maßnahme deckender vollstreckbarer Bescheid der zuständigen Behörde vor; eine Zuständigkeit des Bundesasylamtes gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 war mangels vorläufiger Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nicht gegeben. Was schließlich das Vorliegen zumindest eines der zwei im § 5 Abs. 1 FrPolG normierten Schubhaftgründe betrifft, so stellte die belangte Behörde dazu im angefochtenene Bescheid - von der Beschwerde unbekämpft - fest, daß der Beschwerdeführer nicht über ausreichende Mittel für seinen Unterhalt, ebenso nicht über eine Unterkunft und auch nicht über ein Reisedokument verfügt habe. Diese Umstände aber lassen den Schluß auf die Notwendigkeit der Festnahme des Beschwerdeführers zum Zweck der Schubhaft im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit nicht als rechtswidrig erkennen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1993, Zlen. 92/18/0499, 0500). Der rechtlichen Unbedenklichkeit dieser behördlichen Beurteilung steht auch das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bundesbetreuungsgesetz (BGBl. Nr. 405/1991) nicht entgegen, besteht doch auf die Leistung nach diesem Gesetz (Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen) kein Rechtsanspruch (§ 1 Abs. 3 leg. cit.).

3.1. Verfahrensmängel erblickt die Beschwerde darin, daß die belangte Behörde keine Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG vorgenommen und dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit geboten habe, sein Vorbringen in bezug auf das Vorliegen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu untermauern.

3.2. Zum ersten Einwand genügt der Hinweis, daß nach dem Gesetz eine Abwägung im Grunde des § 3 Abs. 3 FrPolG ausschließlich im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, nicht jedoch auch bei Verhängung der Schubhaft vorgesehen ist. Die zweite Rüge erledigt sich mit einer Verweisung auf die Ausführungen unter II.2.2.

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180417.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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