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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art129a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gritsch, in der Beschwerdesache der B in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bundespolizeidirektion Wien, wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Entfernung eines im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Filmes aus einem Fotoapparat der Beschwerdeführerin, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten, von diesem aber mit Beschluß vom 11. Juni 1990, B 1539/89-6, abgelehnten und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretenen Beschwerde wird folgendes vorgebracht:
Die Beschwerdeführerin habe sich am 5. November 1989 gegen ca. 16.30 Uhr mit einer Freundin in der Nähe des Praters im Bereich der Perspektivstraße aufgehalten, um für eine Ausstellung unter dem Arbeitstitel "Ausländer als Juden unserer Zeit" Aufnahmen von Ausländern in Österreich herzustellen. Auf dem Platz an der Perspektivstraße hätten sich ca. 200 Personen, hauptsächlich Polen, aufgehalten. Wie der Beschwerdeführerin später von Polizeibeamten bekanntgegeben worden sei, habe es sich dabei um sogenannte Schwarzhändler gehandelt. Die Beschwerdeführerin habe eben ihr Objektiv einstellen wollen, um eine Aufnahme zu machen, als sie festgestellt habe, daß ein Polizeibeamter eine Amtshandlung an einem Ausländer vorgenommen habe. Sie habe diese Szene fotografieren wollen, sei aber nicht dazugekommen, da sie von einem Polizisten wahrgenommen worden sei, der auf sie zugekommen sei und erklärt habe, es sei verboten, einen Polizisten zu fotografieren. Gleichzeitig habe er der Beschwerdeführerin den Fotoapparat weggerissen. Der Beschwerdeführerin sei erklärt worden, sie habe an einem ihr von einem der Beamten zugewiesenen Platz zu warten, offenkundig, damit die Polizisten die Amtshandlung gegenüber den Schwarzhändlern fortsetzen könnten. Ein Pole, welcher offenbar nicht ausreichend Deutsch verstanden habe, habe versucht, mit der Beschwerdeführerin in Verbindung zu treten. Als die Beschwerdeführerin diesen Kontakt erwidert habe, habe einer der Beamten die Beschwerdeführerin verärgert gefragt, warum sie sich einmische. Nach der Beendigung der Amtshandlung an den Schwarzhändlern hätten sich die Beamten der Beschwerdeführerin zugewandt und sie zur Ausweisleistung aufgefordert. Sie habe erklärt, keinen Lichtbildausweis bei sich zu haben und habe einen Ausweis des Fotoreferates der Technischen Universität Wien vorgewiesen. Die Beschwerdeführerin sei dann von einem der Beamten zum Verschwinden aufgefordert worden, der ihr auch erklärt habe, sie sollte beim nächsten Mal einen Ausweis dabei haben. Die Beschwerdeführerin habe erklärt, sich entfernen zu wollen, jedoch den Beamten nach seiner Dienstnummer gefragt. Dieser habe erklärt, er gebe ihr seine Dienstnummer, habe sie unter einem am Arm gefaßt und sie zum Dienstfahrzeug geschleppt. Sie sei dann in das Bezirkspolizeikommissariat Leopoldgasse überstellt worden. Später habe sie zur Kenntnis nehmen müssen, daß sie gemäß § 35 lit. a und c VStG wegen ungestümen Benehmens und Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen worden sei. Aus "advokatorischer Vorsicht" werde jedoch die Festnahme der Beschwerdeführerin und ihre Anhaltung im Bezirkspolizeikommissariat Leopoldgasse nicht in Beschwerde gezogen. Nach Einlangen im Bezirkspolizeikommissariat Wien 2, Leopoldgasse 18, sei die Beschwerdeführerin in die Zelle abgegeben worden. Vorher habe einer der Beamten den der Beschwerdeführerin in der Perspektivstraße zwischenzeitig wieder übergebenen und von ihr in ihrer Tasche verstauten Fotoapparat aus dieser herausgenommen und habe sich damit ins Nebenzimmer begeben. Die Beschwerdeführerin habe ersucht, ihr den Fotoapparat zurückzugeben. Sie sei jedoch aufgefordert worden, ihre Effekten abzugeben, wobei einer der Beamten erklärt habe, der Fotoapparat werde zu den Effekten gegeben. Sodann sei der Beschwerdeführerin erklärt worden, sie habe auf den Polizeijuristen, welcher sie vernehmen werde, zu warten. Dieser sei gegen 20.30 Uhr erschienen. Gegen 21.00 Uhr sei die Beschwerdeführerin aus der Haft entlassen worden. Hinsichtlich des Fotoapparates habe die Behörde einen Sicherstellungsauftrag gemäß § 37 VStG erlassen. Der Beschwerdeführerin sei aufgetragen worden, unverzüglich einen Betrag von S 1.500,-- als Sicherstellung zu erlegen. Der im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Fotoapparat der Marke Ricoh KR-10 X, in welchem sich zu diesem Zeitpunkt ein Farbnegativfilm der Marke Kodak Ectacrom 400 der Filmempfindlichkeit 400 ASA befunden habe, sei von der Behörde als Pfand für den zu erlegenden Betrag von S 1.500,-- zurückbehalten worden. Der ebenfalls im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Negativfilm sei mit 33 Aufnahmen (es habe sich um einen 36-Bilder-Film gehandelt) belichtet gewesen. Die Aufnahmen hätten hauptsächlich aus Portraits von Ausländern zur Verwirklichung des Ausstellungsobjektes bestanden. Am darauffolgenden Tag, dem 6. November 1989, habe die Beschwerdeführerin mit einem Bürgen das Bezirkspolizeikommissariat Wien 2 aufgesucht. Bei der Entgegennahme der Kamera habe sie feststellen müssen, daß das Bildzählwerk 0 angezeigt habe. Hierauf habe die Beschwerdeführerin erklärt: "Mir scheint, der Film ist nicht mehr drinnen". Als sie hierauf die Kamerarückwand geöffnet habe, habe sie zur Kenntnis nehmen müssen, daß der Film tatsächlich entfernt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe den anwesenden Polizeijuristen gefragt, wo der Film sei. Der Beamte habe darauf geantwortet: "Woher wissen wir, daß Sie einen Film hatten". In der Strafanzeige vom 5. November 1989 wegen der angeblichen Vergehen nach Art. IX EGVG sei von der Behörde festgehalten worden: "Bemerkt wird, daß H. uns während unserer Amtshandlung fotografierte".
Aus der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeergänzung ergibt sich, daß sich die Beschwerde "gegen die in der Zeit zwischen 5.11.1989 16.45 Uhr und 6.11.1989 von Beamten der belangten Behörde aus dem im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Fotoapparat vorgenommene Entfernung eines ebenfalls im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Filmes" richtet.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diese von ihr behauptete Maßnahme in dem aus § 39 VStG erfließenden Recht verletzt, daß entgegen dieser Gesetzesstelle keine Beschlagnahme vorgenommen werde, sowie in ihrem Recht nach Art. 18 B-VG, welcher die Verwaltung verpflichte, ohne (einfach-)gesetzliche Grundlage kein Verwaltungshandeln zu setzen.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In der Gegenschrift wird bestritten, daß von Organen der belangten Behörde dem Fotoapparat der Beschwerdeführerin ein Film entnommen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin stützt ihre Annahme, es liege eine der belangten Behörde zurechenbare Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor, auf die Behauptung, in dem ihr von Polizeibeamten abgenommenen Fotoapparat sei ein Film gewesen, der nach Rückgabe des Apparates gefehlt habe. Selbst wenn diese Behauptung zutreffen würde, läge keine der belangten Behörde zurechenbare Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor. Der Fotoapparat wurde, wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ausführt, als Pfand für eine Sicherheitsleistung (§ 37 VStG) einbehalten. Die Entnahme bzw. Nichtrückgabe eines Filmes würde, da sie mit dem Grund der Einbehaltung des Fotoapparates in keinem Zusammenhang stünde, ein Delikt darstellen, welches der belangten Behörde nicht zuzurechnen wäre (vgl. Funk, Der verfahrensfreie Verwaltungsakt, S. 170 f).
Abgesehen davon haben jene Polizeibeamten, die mit der Beschwerdeführerin zu tun hatten, als Zeugen in einem gegen die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des Art. IX EGVG durchgeführten Verwaltungsstrafverfahren ausgesagt, sie hätten dem Fotoapparat der Beschwerdeführerin keinen Film entnommen. Welchen Bezug die von der Beschwerdeführerin namhaft gemachten Zeugen zu dem verfahrensrelevanten Geschehen haben sollten, geht aus der Beschwerde nicht hervor. Daß diese Zeugen die Wahrnehmung hätten machen können, daß Organe der belangten Behörde in Ausübung ihres Amtes den Film aus dem Fotoapparat der Beschwerdeführerin entfernt hätten, wird von der Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet. Auch aus dem von der Beschwerdeführerin als Beweismittel beantragten und von der belangten Behörde vorgelegten Akt ergibt sich kein Bezug zwischen den beantragten Zeugen und dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren relevanten Thema einer Beschlagnahme des Films durch Organe der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß im Zusammenhang mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten "Entfernung und Unterlassung der Herausgabe" eines belichteten Filmes eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der belangten Behörde nicht stattgefunden hat. Daraus folgt, daß die Beschwerde in Ermangelung eines tauglichen Beschwerdegegenstandes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen ist (vgl. die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1992, B 1347/90; vom 9. Juni 1992, B 901/91 u.a.).
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992100037.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009