TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/15 92/10/0473

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Veröffentlicht am 15.11.1993
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Index

L68508 Forst Wald Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
ForstG Vlbg 1979 §10 Abs1;
ForstG Vlbg 1979 §7 Abs1;
ForstG Vlbg 1979 §7 Abs3;
ForstG Vlbg 1979 §9 Abs2 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter im Beisein der Schriftführerin Dr. Gritsch über die Beschwerde der G in R, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 15. Oktober 1992, Zl. Va-421-3/1990, betreffend Neubewaldung (mitbeteiligte Partei: H in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Vorschreibungen "Die 2 auf GSt. Nr. 188 Grundbuch R stehenden Birken mit derzeit ca. 12 - 14 m Höhe, welche im Abstand von 3 m zur Grundgrenze zu den im Eigentum vom Frau H befindlichen Grundstücken (Nr. 185 und 183) stehen, sind jedenfalls zu entfernen. Die Auflage ist ab 1.4.1993 einzuhalten." wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen im Betrag von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 188 der KG R. Das Grundstück grenzt an die im Eigentum der Mitbeteiligten stehenden Grundstücke Nr. 183 und 185, je KG R. Mit Eingabe vom 29. Jänner 1990 beantragte die Beschwerdeführerin die nachträgliche Erteilung der Bewilligung nach dem Landesforstgesetz für die Neubewaldung einer Teilfläche dieses Grundstückes im Ausmaß von ca. 12 x 18 m. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 9 Abs. 1 und 2 des Landesforstgesetzes, Vorarlberger Landesgesetzblatt Nr. 28/1979 (Vlbg LFG), die beantragte Bewilligung unter folgenden Vorschreibungen erteilt:

"Um eine Beeinträchtigung durch Durchwurzelung und Beschattung der Grundstücke Nr. 183 und 185 zu verhindern, ist ein 3 m breiter Streifen zu diesen Grundstücken hin von jeder Bepflanzung freizuhalten. Die zwei auf GSt. Nr. 188 Grundbuch R stehenden Birken mit derzeit ca. 12-14 m Höhe, welche im Abstand von 3 m zur Grundgrenze zu den im Eigentum von Frau H befindlichen Grundstücken (Nr. 185 und 183) stehen, sind jedenfalls zu entfernen. Die Auflage ist ab 1.4.1993 einzuhalten."

Auf Grund des Gutachtens eines Sachverständigen für Land- und Forstwirtschaft vom August 1992 stellte die belangte Behörde fest, die Grundstücke der Mitbeteiligten grenzten direkt an die Neubewaldungsfläche. Es handle sich bei ihnen um eher extensiv genutzte Dauergrünlandflächen, die in letzter Zeit hauptsächlich von Schafen abgeweidet worden seien. Der Boden werde eher spärlich gedüngt. Eine andere als Weidenutzung sei nur händisch oder mittels "landwirtschaftlicher Bergmaschinen" zu bewerkstelligen und sie sei wirtschaftlich nicht erfolgversprechend. Für die landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke der Mitbeteiligten seien durch den Bestand von Forstpflanzen auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin kaum Nachteile zu erwarten, insbesondere wenn im Fichten- und Lärchenbereich der 3 m-Abstand eingehalten und die unterhalb dieses Bereiches befindlichen zwei Birken entfernt würden. Von diesen Feststellungen ausgehend vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die nachteiligen Auswirkungen der gegenständlichen Neubewaldung auf die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke der Mitbeteiligten infolge Beschattung und Durchwurzelung würden bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen dem Interesse an der Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft nicht widersprechen. In Anbetracht der steilen Hanglage und der eher extensiven Nutzung sei bei Einhaltung dieser Vorschreibungen nicht anzunehmen, daß die Nachbargrundstücke für die landwirtschaftliche Erzeugung nicht mehr oder nur mit wesentlich vermindertem Ertrag verwendet werden könnten und ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil erwachsen werde. Nach dem genannten Gutachten würden die beiden Birken auf Grund ihrer Höhe jetzt schon die Nachbargrundstücke der Mitbeteiligten beschatten. Daher könne entgegen dem Begehren der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Kriterien des § 9 Vlbg LFG und die Rechte der Mitbeteiligten auf die Entfernung dieser Birken nicht verzichtet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Bekämpft wird allein der Auftrag zur Entfernung der zwei Birken, nicht jedoch die Einschränkung der erteilten Bewilligung (Freihaltung eines 3 m breiten Streifens). Die Beschwerdeführerin bringt vor, es fehle eine Feststellung darüber, wann die gegenständliche Pflanzung vorgenommen worden sei. Dies sei aber für die Anwendbarkeit des am 1. Jänner 1980 in Kraft getretenen Landesforstgesetzes und damit für das Vorliegen einer Neubewaldung im Sinne dieses Gesetzes entscheidend. Weiters sei es widersinnig, auf einem Grundstück eine Aufforstung zu bewilligen, gleichzeitig aber die Beseitigung zweier bereits stockender, absolut standortangepaßter Bäume aufzutragen. Schließlich stelle die bekämpfte Vorschreibung keine Auflage im Sinne des § 9 Abs. 2 lit. b LFG, sondern einen Beseitigungsauftrag dar, der weder im Landesforstgesetz eine Deckung finde noch forstlicher Logik entspreche. Beantragt wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Regelungen über die Neubewaldung finden sich im dritten Abschnitt des Landesforstgesetzes.

Nach § 7 Abs. 1 Vlbg LFG dürfen Grundflächen, die weniger als 15 m von fremden landwirtschaftlich genutzten Grundflächen entfernt sind, nur mit Bewilligung der Behörde neubewaldet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. ist die Neubewaldung zu bewilligen, wenn ihre Auswirkungen auf die benachbarten landwirtschaftlich genutzten Grundstücke dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft nicht widersprechen. Eine Beeinträchtigung dieses öffentlichen Interesses liegt insbesondere vor, wenn anzunehmen ist, daß eine Grundfläche infolge Beschattung, Durchwurzelung oder sonstiger nachteiliger Einwirkungen unter Berücksichtigung der Art des Betriebes für die landwirtschaftliche Erzeugung nicht mehr oder nur mit wesentlich vermindertem Ertrag verwendet werden kann und dem landwirtschaftlichen Betrieb ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil erwächst.

Nach § 9 Abs. 2 Vlbg LFG hat die Behörde, wenn ansonsten die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht gegeben wären, die Bewilligung (a) auf einen Teil der Grundfläche, für welche sie beantragt worden ist, einzuschränken oder (b) mit Bedingungen oder Auflagen wie hinsichtlich der Art des Bewuchses oder der Umtriebszeit zu versehen.

Nach § 10 Abs. 1 leg. cit. hat die Behörde unabhängig von einer allfälligen Bestrafung von Amts wegen oder über Antrag einer Partei dem Eigentümer einer Grundfläche, mit deren Neubewaldung oder nachfolgenden Bewirtschaftung (§ 9 Abs. 2 lit. b) Bestimmungen dieses Abschnittes übertreten worden sind, die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit Bescheid aufzutragen. Dies gilt nicht, wenn hiezu eine Rodung oder bewilligungspflichtige Auflassung einer Windschutzanlage erforderlich wäre.

Vorweg ist festzuhalten, daß das Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde, die vorliegende Teilanfechtung sei unzulässig, da die bekämpfte "Auflage" von der erteilten Bewilligung nicht trennbar sei, nicht berechtigt ist. Bei dieser von der belangten Behörde als "Auflage" bezeichneten Vorschreibung handelt es sich nicht um eine Auflage im Sinn des § 9 Abs. 2 lit. b Vlbg LFG, weil damit nicht ein bestimmtes Verhalten bei der Gebrauchnahme von der Bewilligung, d.h. der Durchführung der Neubewaldung oder der nachfolgenden Bewirtschaftung (siehe § 10 Abs. 1 Vlbg LFG), vorgeschrieben wird. Vielmehr hat der in Rede stehende zweite Satz, wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, der Sache nach einen Beseitigungsauftrag zum Inhalt. Dabei handelt es sich um einen selbständigen Abspruch, der einer gesonderten Anfechtung zugänglich ist und daher auch für sich allein aufgehoben werden kann. Auf die - verfehlte - Bezeichnung als Auflage kommt es entgegen der Meinung der belangten Behörde (Seite 3 der Gegenschrift) nicht an. Durch diesen Ausspruch hat die belangte Behörde nicht etwa ihre durch die "Sache" iSd § 66 Abs. 4 AVG beschränkte Entscheidungsbefugnis überschritten, da bereits der erstinstanzliche Bescheid einen Entfernungsauftrag zum Inhalt hatte (was sich aus seinem Pkt. 1., wonach ein drei Meter breiter Streifen "von jeder Bepflanzung freizuhalten ist", in Verbindung mit seinem Pkt. 2. ergibt, in dem von der "Schlägerung dieses 3 m breiten Streifens" die Rede ist).

Infolge Bekämpfung ausschließlich des Auftrages zur Beseitigung der zwei Birken hat sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf diesen Ausspruch zu beschränken und ist die Rechtmäßigkeit der erteilten Bewilligung und ihrer flächenmäßigen Einschränkung nicht zu erörtern.

Das Beschwerdevorbringen, es fehle im angefochtenen Bescheid eine (ausdrückliche) Feststellung darüber, wann die gegenständliche Pflanzung vorgenommen worden sei, läßt keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkennen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen vom August 1992 ist die Anpflanzung "vor 12 Jahren" - mithin im zeitlichen Geltungsbereich des nach seinem § 44 Abs. 1 am 1. Jänner 1980 in Kraft getretenen Landesforstgesetzes - erfolgt. Diese Zeitangabe wurde von der Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde bestritten. Lediglich hinsichtlich der zwei im Anschluß daran stockenden zwei Birken hat sie in ihrer Stellnahme vom 6. Oktober 1992 eingewendet, es handle sich dabei um "Altbestand". Dieser Umstand ist im gegebenen Zusammenhang ohne Belang. Die zwei Birken, die für sich allein jedenfalls noch nicht als "Neubewaldung" im Sinne der Definition des § 7 Abs. 3 Vlbg LFG - "Schaffung von Wald auf einer Grundfläche, die bisher nicht Wald war, sowie die Neuanlegung sonstiger geschlossener Baumbestände, sei es durch Aufforstung (Saat oder Pflanzung) oder durch Naturverjüngung" - zu qualifizieren sind, dürfen nämlich nicht losgelöst von der angrenzenden Neubewaldungsfläche betrachtet werden. Mit der dort vorgenommenen Bepflanzungsaktion im Jahre 1980 war nun aber der bewilligungspflichtige Tatbestand der Neubewaldung der streitgegenständlichen Fläche ohne Zweifel gegeben. Denn damit war auf dieser zusammenhängenden (also auch den Bereich der angrenzenden zwei Birken umfassenden) Fläche, sei es durch Aufforstung oder durch Naturverjüngung, jedenfalls ein "sonstiger geschlossener Baumbestand" neu angelegt (zweiter Fall der Definition des § 7 Abs. 3 Vlbg LFG).

Als Rechtsgrundlage des gegenständlichen Beseitigungsauftrages, bei dem es sich, wie bereits dargelegt, nicht um eine Auflage nach § 9 Abs. 2 lit. b Vlbg LFG handelt, kommt nur § 10 Abs. 1 leg. cit. in Betracht. Für die Erteilung einer Bewilligung und für die Erteilung eines Wiederherstellungsauftrages sind unterschiedliche Voraussetzungen normiert. Die belangte Behörde hat

- offensichtlich auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht über den Charakter und die Rechtsgrundlage der bekämpften Vorschreibung - lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1, nicht jedoch jener des § 10 Abs. 1 Vlbg LFG geprüft. Einer solchen Prüfung hätte es jedenfalls im Hinblick auf die Kriterien des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle bedurft. Es ist aber auch das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung des ersten Satzes (Neubewaldung trotz Fehlens einer behördlichen Bewilligung nach dem Landesforstgesetz) ungeachtet des Umstandes fraglich, daß nach der Aktenlage die gegenständliche Neubewaldung ohne eine solche Bewilligung erfolgt ist. Denn mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides lag eine solche Bewilligung für die gegenständliche Neubewaldung - mit Ausnahme eines 3 m breiten Streifens an der Grundgrenze - vor, weshalb die gleichzeitige Erteilung eines Wiederherstellungsauftrages nach § 10 leg. cit. für forstlichen Bewuchs innerhalb der von der Bewilligung erfaßten Fläche nicht mehr in Betracht kam. Dies gälte in gleicher Weise für die gegenständlichen zwei Birken, falls sie sich innerhalb dieser Fläche befinden sollten. Laut Gutachten und angefochtenem Bescheid stehen sie "im Abstand von 3 m zur Grundgrenze". Dies läßt offen, ob sie sich noch außerhalb des 3 m breiten Streifens oder aber zur Gänze oder zumindest zum Teil innerhalb dieses Streifens befinden. Damit bedarf der maßgebende Sachverhalt auch insoweit der Klarstellung.

Da die aufgezeigten Mängel offensichtlich auf eine unrichtige Rechtsansicht zurückzuführen sind, ist der angefochtene Bescheid im bekämpften Umfang (und zwar wegen des untrennbaren Zusammenhanges einschließlich der zugehörigen Fristbestimmung) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992100473.X00

Im RIS seit

17.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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