TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/15 93/10/0163

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Veröffentlicht am 15.11.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
70/06 Schulunterricht;

Norm

AVG §63 Abs1;
SchUG 1986 §13;
SchUG 1986 §70;
SchUG 1986 §71 Abs1;
SchUG 1986 §71 Abs2;
SchUG 1986 §71 Abs9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der minderjährigen BB, vertreten durch ihre Mutter AB als gesetzliche Vertreterin, beide in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 25. Juni 1993, Zl. 21.401/3-III/4/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst (belangte Behörde) wurde die Berufung der Schülerin BB (Beschwerdeführerin), vertreten durch ihre Erziehungsberechtigte AB, gegen die "Entscheidung" des Kursleiters der Wintersportwoche der 3a, 3b und 3c Klasse der HIB vom 9. bis 16. Jänner 1993, wonach aufgrund der Elternerklärung vom 18. November 1992 die Teilnahme der Schülerin an der Wintersportwoche nicht möglich sei, gemäß § 70 Abs. 1 sowie § 71 Abs. 1, 2 und 9 des Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 472/1986 (SchUG), als unzulässig zurückgewiesen.

Nach der Begründung besuche die Beschwerdeführerin im Schuljahr 1992/93 die 3b Klasse der HIB als externe Schülerin. In einer Sitzung vom 2. Juni 1992 habe der Schulgemeinschaftsausschuß der genannten Lehranstalt einstimmig gemäß § 64 Abs. 2 Z. 1 lit. a SchUG beschlossen, den Antrag des Kustos für Leibeserziehung betreffend die Durchführung einer Wintersportwoche für die dritten Klassen vom 9. bis 16. Jänner 1993 sowie die Organisation und den Kostenrahmen dieser Wintersportwoche anzunehmen. Mit der Leitung sei Professor Mag. K. betraut worden. Im November 1992 habe der Kursleiter den Eltern der Schüler ein Informationsschreiben hinsichtlich der Durchführung und der Kosten der Wintersportwoche übermittelt, wobei ein Vordruck für eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten hinsichtlich der Teilnahme ihres Kindes enthalten gewesen sei. Am 18. November 1992 habe die Erziehungsberechtigte der genannten Schülerin dem Schulleiter eine (modifizierte) Erklärung übermittelt. Danach sei sie einverstanden, daß ihre Tochter an der Wintersportwoche teilnehme, "soferne der Schulerhalter die Kostentragung übernehme". Die Teilnahme sei weiters dann möglich, "wenn der Schulerhalter für die Beistellung der erforderlichen Ausrüstung und für die Sicherheit sorge".

Der Schulleiter habe daraufhin die Erziehungsberechtigte ersucht, sich mit dem Leiter der Wintersportwoche in Verbindung zu setzen. Trotz mehrfacher schriftlicher Urgenzen des Schulleiters sei sie diesem Ersuchen nicht nachgekommen. Mit Schreiben vom 18. Dezember 1992 habe ihr der Kursleiter mitgeteilt, daß aufgrund der von ihr unterfertigten Erklärung die Teilnahme ihrer Tochter am Schikurs nicht möglich sei. Aufgrund dieses Schreibens habe die Erziehungsberechtigte Berufung erhoben, wobei sie im wesentlichen vorgebracht habe, die Entscheidung des Kursleiters bedeute in ihren Auswirkungen durch Nichtaufnahme in eine gemäß § 13 Abs. 1 SchUG eingerichtete Schulveranstaltung zur Ergänzung des lehrplanmäßigen Unterrichtes eine zeitlich beschränkte Suspendierung gemäß § 49 Abs. 3 leg. cit. einer Schülerin von einer verpflichtenden Schulveranstaltung. Der Entscheidung, die sich auf keine gesetzliche Ermächtigung stützen könne, mangle es an den Mindesterfordernissen des § 70 Abs. 4 SchUG. Die Entscheidung lege auch nicht offen, ob der Schulgemeinschaftsausschuß über die Kosten der Wintersportwoche und etwaige Wahlmöglichkeiten einen die Eltern bzw. Schüler bindenden Beschluß gemäß § 64 Abs. 2 Z. 1 lit. a SchUG gefaßt habe und ob über den Verlauf der diesbezüglichen Sitzung eine schriftliche Aufzeichnung vorhanden sei. Keinesfalls könne einer Schülerin eine Nichtteilnahme an der Wintersportwoche gegen ihren Willen aufgedrängt werden, um auf Fragen der Finanzierung bzw. der Gewährleistung der Sicherheit durch den Schulerhalter erst gar nicht eingehen zu müssen. Lediglich die Schulbehörde erster Instanz hätte gemäß § 49 Abs. 3 SchUG eine teilweise Suspendierung vom Schulbesuch aussprechen können. Die Entscheidung des Professor Mag. K. greife in eine ausschließliche Kompetenz des Bundesministers ein.

Bezüglich dieses Vorbringens verwies die belangte Behörde zunächst auf § 71 Abs. 9 SchUG, wonach gegen Entscheidungen, die weder im Abs. 1 noch im Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung genannt würden, noch in erster Instanz von einer Schulbehörde zu treffen seien, eine Berufung nicht zulässig sei. In den genannten Absätzen scheine der Tatbestand "Teilnahme an einer Wintersportwoche" bzw. "Teilnahme an einer Schulveranstaltung" nicht auf. Es fehle somit im Beschwerdefall an einem Berufungstatbestand. Ferner gehe die Rüge, daß die Verfahrensbestimmungen des § 70 Abs. 2 bis 4 SchUG nicht eingehalten worden seien, ins Leere. Nach § 13 Abs. 3 lit. b SchUG seien Schüler zur Teilnahme an Schulveranstaltungen nicht verpflichtet, wenn mit der Veranstaltung - wie z.B. bei einer Wintersportwoche - eine Nächtigung außerhalb des Wohnortes verbunden sei. Schüler, die aus diesem Grund an einer Schulveranstaltung nicht teilnehmen, seien gemäß § 13 Abs. 4 leg. cit. vom Schulleiter nach Möglichkeit einer anderen Klasse zu einem ersatzweisen Schulbesuch zuzuweisen. Die Beurteilung der Erreichung des Lehrzieles der betreffendene Schulstufe habe ohne Rücksicht auf die Nichtteilnahme an einer Schulveranstaltung zu erfolgen. Aufgrund der zitierten Bestimmungen könne die belangte Behörde auch dem Vorbringen der Erziehungsberechtigten nicht folgen, wenn diese das Vorliegen einer zeitlich beschränkten Suspendierung ihrer Tochter vom Besuch der Schule gemäß § 49 Abs. 3 SchUG behaupte. Gemäß § 9 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 7. Juni 1990 über Schulveranstaltungen, BGBl. Nr. 397 (Schulveranstaltungsverordnung), dürften Kostenbeiträge für Fahrt (einschließlich Aufstiegshilfen), Nächtigung, Verpflegung, Eintritte, Kurse, Vorträge, Arbeitsmaterialien, die leihweise Überlassung von Gegenständen, Kosten im Zusammenhang mit der Erkrankung eines Schülers sowie für Versicherungen eingehoben werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, der angefochtene Bescheid spreche zu Unrecht über die Berufung der Beschwerdeführerin (Schülerin BB) ab, da die Berufung von der Mutter der Beschwerdeführerin in EIGENER SACHE und keinesfalls in der Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Schülerin eingebracht worden sei.

Dieses Vorbringen erweist sich als unzutreffend: Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß der erziehungsberechtigten Mutter der Beschwerdeführerin ein vom Kursleiter unterfertigtes Informationsschreiben über die nähere Durchführung und die Kosten der Wintersportwoche zugegangen ist. Dieses Schreiben enthielt unter anderem den Hinweis, daß es für bedürftige Schüler bzw. Eltern mit niedrigem Einkommen verschiedene Formen von Zuschüssen gebe; für allfällige Fragen stünde der Kursleiter bzw. die Direktion gerne während der Sprechstunden zur Verfügung. Dem Informationsschreiben war auch ein Vordruck für eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten bezüglich der Teilnahme ihres Kindes an der Wintersportwoche angeschlossen. Die Erziehungsberechtigte unterfertigte diese Erklärung am 18. November 1992, ergänzte sie jedoch dahingehend, daß sie mit einer Teilnahme ihrer Tochter nur einverstanden sei, "soferne der Schulerhalter die Kostentragung" übernehme; eine Teilnahme sei weiters dann möglich, "wenn der Schulerhalter für die Beistellung der erforderlichen Ausrüstung und für die Sicherheit" sorge. Einer mehrmaligen schriftlichen Urgenz des Schulleiters, beim Kursleiter Professor Mag. K. vorzusprechen oder sich telefonisch mit diesem in Verbindung zu setzen, kam die Erziehungsberechtigte nicht nach. Am 18. Dezember 1992 richtete der Leiter der Wintersportwoche an sie ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrte Frau B.,

da Sie die Einladung zu einem Gespräch mit mir nicht wahrgenommen haben, muß ich Ihnen mitteilen, daß aufgrund der von Ihnen unterfertigen Elternerklärung vom 18.11.1992, betr. Wintersportwoche der 3A/3B/3C vom 9. - 16.1.1993, die Teilnahme Ihrer Tochter Beatrix nicht möglich ist.

Mit freundlichen Grüßen

K."

Die Erziehungsberechtigte erhob dagegen Berufung, wobei sie den Antrag, die Entscheidung von Professor Mag. K. ersatzlos aufzuheben, ausdrücklich "als Erziehungsberechtigte" stellte.

Gemäß § 67 SchUG werden nicht eigenberechtigte Schüler in den Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes grundsätzlich von den Erziehungsberechtigten vertreten.

Die Erziehungsberechtigte behauptete in der Berufung im wesentlichen unter Anführung einzelner Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes, ihre Tochter sei vom Unterricht zeitlich beschränkt suspendiert worden; eine Rechtsverletzungsmöglichkeit könnte deshalb nur in der Sphäre der nichteigenberechtigten Schülerin gegeben sein. Im Beschwerdefall ist daher davon auszugehen, daß die Erziehungsberechtigte die Berufung gegen das Schreiben des Leiters der Wintersportwoche nicht in eigener Sache, sondern als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Tochter einbrachte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1976, VwSlg. NF 9102/A).

Auch die vorliegende Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wurde von ihr als "gesetzlicher Vertreter" ihrer Tochter erhoben. Im Zusammenhang mit dem dabei u.a. als verletzt genannten Recht "auf gesetzeskonforme Teilnahme an einer Wintersportwoche" ist auch die vorliegende Beschwerde der minderjährigen Tochter zuzurechnen.

2. Die Beschwerdeführerin bringt ferner vor, dem Leiter der Wintersportwoche fehle eine Kompetenz zum Ausschluß eines Schülers, weshalb die belangte Behörde dessen Entscheidung hätte ersatzlos aufheben müssen.

Der die "Schulveranstaltungen" regelnde § 13 SchUG lautet auszugsweise:

"§ 13. (1) Aufgabe der Schulveranstaltungen ist die Ergänzung des lehrplanmäßigen Unterrichtes durch unmittelbaren und anschaulichen Kontakt zum wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben, durch die Förderung der musischen Anlagen der Schüler und durch die körperliche Ertüchtigung.

(2) Der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport (nunmehr: Bundesminister für Unterricht und Kunst) hat durch Verordnung unter Bedachtnahme auf die Aufgaben der einzelnen Schularten festzusetzen, welche Schulveranstaltungen in den einzelnen Schulstufen durchzuführen sind oder durchgeführt werden dürfen.... Dabei sind auch die nach der Art der Schulveranstaltung erforderlichen Richtlinien für ihre Durchführung, insbesondere die zu beachtenden Sicherheitsvorkehrungen, festzulegen. Die durch die Schulveranstaltungen erwachsenden Kosten (Fahrpreise, Eintrittsgebühren usw.) müssen dem Grundsatz der Sparsamkeit und Angemessenheit entsprechen.

(3) Die Schüler sind zur Teilnahme an Schulveranstaltungen ohne Rücksicht darauf verpflichtet, ob die Veranstaltung innerhalb oder außerhalb der Schulliegenschaften stattfindet, sofern nicht

a) die Vorschriften über das Fernbleiben von der Schule (§ 45) anzuwenden sind oder

b) mit der Veranstaltung eine Nächtigung außerhalb des Wohnortes verbunden ist.

(4) Schüler, die aus dem Grunde des Abs. 3 lit. b an einer Schulveranstaltung nicht teilnehmen, sind vom Schulleiter nach Möglichkeit einer anderen Klasse zu einem ersatzweisen Schulbesuch zuzuweisen. Die Beurteilung der Erreichung des Lehrzieles der betreffenden Schulstufe hat ohne Rücksicht auf die Nichtteilnahme an der Schulveranstaltung zu erfolgen."

Gemäß § 71 Abs. 1 SchUG ist gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des § 70 Abs. 1 die Berufung an die Schulbehörde erster Instanz zulässig.

Im § 70 Abs. 1 leg. cit. ist die "Teilnahme an einer Schulveranstaltung" nicht erwähnt. Nur bezüglich der dort in den lit. a bis lit. h aufgezählten Angelegenheiten sind ferner die - das Verfahren regelnden Bestimmungen - der Absätze 2 bis 4 anzuwenden.

Auch zu den im § 71 Abs. 2 lit. a bis lit. e SchUG aufgezählten Angelegenheiten - dabei handelt es sich um existenzielle Fragen für den Schüler (vgl. 401 BlgNR, 14. GP Seite 17) -, in denen ebenfalls die Berufung an die Schulbehörde erster Instanz zulässig ist, gehört die "Teilnahme an einer Schulveranstaltung" nicht.

Gemäß § 71 Abs. 9 SchUG ist gegen Entscheidungen, die weder im Abs. 1 noch im Abs. 2 genannt werden, noch in erster Instanz von einer Schulbehörde zu treffen sind, eine Berufung nicht zulässig.

Daraus ergibt sich, daß bezüglich der Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an einer Wintersportwoche weder die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes noch die - wesentlich vereinfachten - Vorschriften des Schulunterrichtsgesetzes (vgl. § 70 Abs. 2 bis 4) anzuwenden sind; eine "Berufung" in dieser Angelegenheit ist nicht vorgesehen und daher nicht zulässig.

In dem oben wiedergegebenen Schreiben des Professors Mag. K. vom 18. Dezember 1992 könnte im übrigen eine "Entscheidung" im Sinne des Schulunterrichtsgesetzes, d.h. ein - wie die Beschwerdeführerin behauptet - "Ausschluß" von der Wintersportwoche, gar nicht erblickt werden. Bei diesem Schreiben handelt es sich vielmehr um eine rein informative Mitteilung des Leiters der Wintersportwoche, daß eine Teilnahme an dieser Wintersportwoche aufgrund der von der Erziehungsberechtigten der Beschwerdeführerin gestellten Bedingungen nicht möglich ist. Eine Entscheidung über die Teilnahme der Beschwerdeführerin aufgrund des auch der Erziehungsberechtigten zugegangenen Informationsschreibens vom November 1992 wurde damit gar nicht getroffen.

Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang - völlig begründungslos - erhobene Behauptung, die Vorschriften der Schulveranstaltungsverordnung über die Kostenbeiträge und die Kostentragung seien nicht eingehalten worden bzw. es gebe keinen Beschluß des Schulgemeinschaftsausschusses über die von den Erziehungsberchtigten konkret zu tragenden Kosten, betrifft nicht den angefochtenen Bescheid und geht daher ins Leere.

3. Aufgrund dieser Erwägungen hat die belangte Behörde die Berufung der durch die Erziehungsberechtigte vertretenen Beschwerdeführerin zu Recht zurückgewiesen. Die Beschwerde war daher in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Dabei entfiel die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 13. Dezember 1984, VwSlgNF 11.616/A).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993100163.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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