TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/16 93/05/0180

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Veröffentlicht am 16.11.1993
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Index

L82000 Bauordnung;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §42;
AVG §45 Abs2;
AVG §7 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1) der MT und 2) des JT in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. Juni 1993, Zl. 8 BauR1-206/1/1993, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. X in W, 2. Gemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister),

Spruch

I. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem bei der mitbeteiligten Gemeinde am 29. Jänner 1992 eingelangten Ansuchen beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für den Umbau des bestehenden Verkaufskioskes in einen Erfrischungspavillon auf Parzelle Nr. 113, KG W. Über dieses Ansuchen wurde mit Kundmachung vom 22. Juni 1992 eine mündliche Verhandlung für den 16. Juli 1992 anberaumt, zu der die Erstbeschwerdeführerin unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. In der Verhandlung vom 16. Juni 1992 richtete der Zweitbeschwerdeführer an den Verhandlungsleiter die Frage, wo die Stellplätze für das "gegenständliche Objekt wie auch für das Wohnhaus G auf der gegenständlichen Liegenschaft" seien. Nach den Einreichplänen erkenne er keinen Stellplatz auf der gegenständlichen Liegenschaft. "Ansonsten müssen alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden", dann hätte er keine Einwände. Weiters lehne er den Herrn Vizebürgermeister Dr. U.K. als Verhandlungsleiter ab, da zwischen ihm und dem Bauwerber ein verwandtschaftliches Verhältnis bestehe.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. September 1992 wurde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt.

Gegen diesen Bescheid brachten beide Beschwerdeführer die Berufung ein, wobei die Erstbeschwerdeführerin darauf hinwies, daß sie ihrem Sohn, dem Zweitbeschwerdeführer, mit Übergabsvertrag vom 31. Dezember 1990 das Eigentum am Hotel L übergeben habe. Die Erstbeschwerdeführerin scheine lediglich deshalb im Grundbuch auf, weil der Eigentumswechsel im Grundbuch noch nicht durchgeführt worden sei. Weiters wurde vorgebracht, das Bauansuchen betreffe keinen Umbau, sondern einen Neubau, die Verkehrssituation in W sei hinlänglich bekannt, durch die Neuerrichtung des Erfrischungspavillons verschwänden zuvor vorhandene Parkplätze. Der Bauwerber habe bereits jetzt bei seiner Pension zu wenig Parkplätze. Der bestehende Verkaufskiosk hätte nach Ansicht des Ortsplaners aus Gründen des Ortsbildes erhalten werden müssen. Überdies wurde vorgebracht, daß Erfrischungspavillons überwiegend in den Abend- und Nachtstunden besucht würden, was mit einer immensen Lärmentwicklung im Ortskern verbunden sei. Hinzu komme noch die Lärmentwicklung der PKWs.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Februar 1993 wurde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 16. Dezember 1992 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß dem Nachbarn hinsichtlich der Stellplätze und der Situation auf öffentlichen Verkehrsflächen kein subjektiv-öffentliches Recht eingeräumt sei.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. Juni 1993 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auch zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde war die Erstbeschwerdeführerin noch Eigentümerin des die Anrainerstellung begründenden Grundstückes in W Nr. 5 (Hotel L), da im Grundbuch der Eigentümerwechsel noch nicht durchgeführt war. Es war daher die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers mangels Parteistellung zurückzuweisen.

Das Mitspracherecht des Nachbarn ist im Baubewilligungsverfahren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, und die seither ständige Rechtsprechung). Eine eingetretene Präklusion ist sowohl von den Baubehörden als auch von der Vorstellungsbehörde und in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof zu berücksichtigen.

Gemäß § 21 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung 1992, LGBl. Nr. 64, sind Anrainer die Eigentümer der im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Parteien im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Bestimmungen des Baurechtes oder der Bebauungspläne stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Grundstücken und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken, die Gebäudehöhe sowie jene Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarn in gesundheitlichen Belangen, im Interesse der Brandsicherheit oder gegen Immissionen dienen.

Die Erstbeschwerdeführerin war zur Verhandlung am 16. Juli 1992 als Anrainerin unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen worden. Der Verhandlungsleiter hat den nicht geladenen Zweitbeschwerdeführer in die Anwesenheitsliste aufgenommen und - offensichtlich unter Berücksichtigung des amtsbekannten Verwandtschaftsverhältnisses - dessen Stellungnahme zu Protokoll genommen. Mit seinem Vorbringen, das in der Sachverhaltsdarstellung schon geschildert wurde, waren aber die rechtzeitig erhobenen Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin umrissen. Diese Einwendungen bezogen sich lediglich auf das Fehlen von Stellplätzen. Den Nachbarn erwachsen aber auch im Geltungsbereich der Kärntner Bauordnung aus den Vorschriften über die Schaffung von Stellplätzen keine subjektiv-öffentlichen Rechte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0056).

Mit dem übrigen Vorbringen, einschließlich des in der Berufung geltend gemachten, vom Kiosk ausgehenden Lärmes am Abend, ist die Erstbeschwerdeführerin, ebenso wie mit einem Hinweis auf eine allfällige Störung des Ortsbildes präkludiert, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat. Abgesehen davon kommt Nachbarn in bezug auf das Ortsbild kein subjektiv-öffentliches Recht zu.

Mit dem Beschwerdevorbringen, die in der Verhandlung unvertretene Partei sei nicht entsprechend der Bestimmung des § 13a AVG angeleitet worden, wird übersehen, daß auch die Anleitungspflicht nach § 13a AVG nicht so weit geht, daß eine Person, die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG zu einer mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden ist, vom Verhandlungsleiter ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müßte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/05/0122 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Zum Beschwerdevorbringen, eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides liege insofern vor, als die belangte Behörde vermeine, daß bei einer Entfernung von 25 m vom Bauvorhaben bis zur Grundgrenze der Liegenschaft der Beschwerdeführer "die Parteistellung allenfalls auch verneint werden" könnte, übersieht die Beschwerdeführerin, daß die Berufungsbehörde sogar von einer Parteistellung beider Beschwerdeführer ausgegangen ist und sich inhaltlich mit dem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt hat. Auch die belangte Behörde hat sich inhaltlich mit dem Vorstellungsvorbringen auseinandergesetzt und grundsätzlich die Parteistellung wegen der Nähe des Bauvorhabens zur Grundgrenze der Liegenschaft W Nr. 5 als gegeben angesehen.

In der Beschwerde wird weiters geltend gemacht, daß eine Befangenheit eines - nicht näher bezeichneten - Verwaltungsorganes vorliege, weil der Bauwerber selbst ebenfalls Mitglied des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde sei.

Gemäß § 7 AVG haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten, wenn wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Selbst dann, wenn an der Entscheidung tatsächlich ein befangenes Verwaltungsorgan mitgewirkt hätte, könnte dies allenfalls einen Verfahrensmangel darstellen, der vom Verwaltungsgerichtshof nur im Falle seiner Wesentlichkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufgegriffen werden könnte, was jedoch hier nicht zutrifft (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1990, Zl. 90/06/0011).

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Damit erübrigt sich auch eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzerkennen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Abgrenzung der Begriffe Behörde und Organwalter Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Verhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993050180.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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