TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/16 91/07/0084

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Veröffentlicht am 16.11.1993
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §34 Abs3;
FlVfGG §10;
FlVfLG Tir 1978 §16;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des GTC in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 13. Mai 1991, Zl. LAS - 180/46/88, in der Fassung des Berichtigungsbescheides dieser Behörde vom 23. Mai 1991, Zl. LAS - 180/52-88, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.530.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Zusammenlegungsverfahren S hat das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) mit Bescheid vom 28. Juli 1988 den Zusammenlegungsplan erlassen. Im Zuge des von der belangten Behörde durchgeführten Verfahrens über die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung richtete der Beschwerdeführer eine mit 16. April 1991 datierte Eingabe an die belangte Behörde, die diese zum Anlaß nahm, mit dem Bescheid vom 13. Mai 1991 gegen den Beschwerdeführer - in diesem Bescheid als "G T" bezeichnet - gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe im Ausmaß von S 800,-- zu verhängen. Mit dem Bescheid vom 23. Mai 1991 berichtigte die belangte Behörde den Namen des Beschwerdeführers.

Gegen den angeführten Bescheid in der berichtigten Fassung richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 2 AVG sind Personen, die Amtshandlungen stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Beistellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis S 1.000,-- verhängt werden.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen können von der Behörde die gleichen Ordnungsstrafen gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

Die der verhängten Ordnungsstrafe zugrunde liegende Eingabe des Beschwerdeführers vom 16. April 1991 weist nachstehenden, von der belangten Behörde als beleidigende Schreibweise qualifizierten Passus auf:

"Kalte Enteignungen gibt es heute nirgends mehr in Europa, nicht einmal das letzte kommunistische Land Albanien wagt einen solchen Grundraub. Nur mehr im repressivsten Land Österreichs, nämlich in Tirol, glaubt man, eine Gemeinde könne eigenmächtig unter Mithilfe der Agrarbehörde fremden Grund ins Eigentum der Gemeinde übernehmen und den Preis für diesen Grund setzt die Gemeinde fest, ohne die Bauern zu fragen, was sie für den Grund verlangen."

Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie diese Schreibweise deshalb als beleidigend gewertet hat, weil dadurch ihr selbst und der Agrarbehörde (erster Instanz) eine rechtlose Handlungsweise und Geisteshaltung unterstellt werde, was in einem demokratischen Rechtsstaat eine absolute Beleidigung der Behörde darstelle. Die vom Beschwerdeführer gewählte Ausdrucksweise und die Unterstellung, die Agrarbehörden in Tirol würden in einer nicht einmal im letzten kommunistischen Land üblichen Weise Mithilfe bei "kalten Enteignungen" bzw. bei der eigenmächtigen Übernahme von Grundstücken in das Eigentum einer Gemeinde leisten, gehen über ein vertretbares Maß der Kritik am Verhalten der Behörde hinaus (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens

4. Auflage, Eisenstadt 1990, S. 218 und 219 zitierte Judikatur). Die belangte Behörde hat daher zu Recht die vom Beschwerdeführer gewählte Schreibweise als beleidigend und somit als Ordnungswidrigkeit eingestuft.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde versucht, seine Ausdrucksweise mit seinem seiner Meinung nach berechtigten Unmut über die Durchführung des Zusammenlegungsverfahrens S zu rechtfertigen, ist ihm entgegenzuhalten, daß auch die Überzeugung einer Partei, ihre Kritik sei berechtigt, eine beleidigende Schreibweise nicht zu entschuldigen vermag. Ebensowenig kann der Beschwerdeführer aus seiner Argumentation, es fehle ihm gegenüber der belangten Behörde der "animus iniuriandi", etwas für sich gewinnen, weil das Tatbild des § 34 Abs. 3 AVG eine Beleidigungsabsicht nicht erfordert (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 4. Auflage, Eisenstadt 1990, S. 217, zitierte Judikatur).

Wenn der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, daß in der Literatur und seitens des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Kritik am österreichischen Zusammenlegungsverfahren bzw. an der Organisation der Agrarbehörden geübt worden sei, versucht, seine Ausdrucksweise in ein anderes Licht zu rücken, ist ihm zu erwidern, daß auch das Vorliegen solcher allgemeiner öffentlicher Kritik nicht eine in den Bereich der Schmähung behördlichen Vorgehens abgleitende Schreibweise rechtfertigen kann.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil eine Aktenvorlage in der Beschwerdeangelegenheit nicht erfolgt ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991070084.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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