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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art129a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des R in L, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in X, wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch den Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung am 30. August 1989, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 29. Juli 1987 hat das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) gemäß § 73 lit. e Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978, LGBl. Nr. 54, i. d.F. des Gesetzes LGBl. Nr. 18/1984, i.V.m. § 54 Abs. 2 leg. cit. (TFLG), im Teilwaldstreit zwischen den Nutzungsberechtigten V.R. und H.R. (Beschwerdeführer), betreffend den strittigen Grenzverlauf zwischen den Waldteilen Folio Nr. 25 "V" und Folio Nr.25/26 "G" auf
Parzelle 2880/1 KG L., aufgrund der durchgeführten Ermittlungen wie folgt entschieden:
"I. Die Grenze zwischen den Waldteilen (gem. Waldprotokoll der Gemeinde L.) Folio Nr. 25 "V" (Nutzungsberechtigte V.R.) und Folio Nr. 25/26 "G" (Nutzungsberechtigter H.R.) verläuft so, wie sie im beiliegenden Lageplan des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abt. III d 3 vom 29.6.1987, III d 3 - 3339/4, dargestellt und ausgewiesen sind. Dieser erwähnte Lageplan bildet somit einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides.
II. Nach Rechtskraft dieses Bescheides ist die Grenze, wie im Lageplan gemäß Punkt I. dieses Bescheides dargestellt, von der Bezirksforstinspektion T. in Innsbruck mit dem Waldaufseher der Gemeinde L. in der Natur rückzustecken und kennzuzeichnen sowie durch Grenzzeichen zu sichern."
Aufgrund der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung hat der Vorsitzende des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) am 29. September 1987 im Beisein des landwirtschaftlichen Sachverständigen und des Gemeindewaldaufsehers sowie der am Teilwaldstreit beteiligten Nutzungsberechtigten an Ort und Stelle eine Verhandlung durchgeführt. In der anläßlich dieses Ortsaugenscheines aufgenommenen Verhandlungsschrift heißt es:
"Die Amtsabordnung des LAS nimmt in der Natur einen Lokalaugenschein und geht von der einvernehmlichen Grenze zwischen dem Teilwäldchen P./R. im F aus und mißt entsprechend dem Waldprotokoll folgende von Norden her Teilwälder ..., und stellt fest, daß die strittige Teilwaldgrenze zwischen R. und R. (hiebei handelt es sich um die Streitparteien) in der Natur genau dem Plan im erstinstanzlichen Bescheid entspricht. Diese Grenze wurde auch in der Natur verpflockt. Eine Kontrollmessung von Süden her ausgehend vom Teilwald G.N. vulgo GI über die Teilwälder H. K." und H. R. (BF) hat ergeben, daß die Maße wie von der Amtsabordnung mit gespanntem Maßstab gemessen wurde, richtig ist.
Der Berufungswerber erklärt daraufhin, daß er durch den erstinstanzlichen Bescheid nicht beschwert ist und zieht seine Berufung zurück."
Diese Niederschrift wurde von sämlichen anwesenden Personen unterschrieben.
Die im gegenständlichen Teilwaldstreit beteiligte Nutzungsberechtigte V. R. beantragte am 3. November 1987 bei der AB, den nunmehr in Rechtskraft erwachsenen erstinstanzlichen Bescheid zu vollstrecken und vor dem LAS eine Verhandlung anzuberaumen.
Mit Schreiben vom 28. März 1989 ersuchte die AB die Bezirksforstinspektion T., die gemäß Punkt II. des rechtskräftigen Bescheides vom 29. Juli 1987 "derzeit verpflockte Teilwaldgrenze dauerhaft zu sichern, die Ausfluchtung zwischen den Waldteilen vorzunehmen und durch Läufersteine ebenfalls zu sichern".
Mit Schreiben vom 4. Juli 1989 teilte die Bezirksforstinspektion T. der AB u.a. folgendes mit:
"Nachdem der bestrittene Punkt zwischen den Teilwäldern Folio 25 (V) und Folio 25/26 (G) nicht lagerichtig aufgefunden werden konnte, weil in den Plänen keine Sperrmaße eingetragen waren, wurde versucht, von den unbestrittenen Punkten, die im Plan und Waldprotokoll aufscheinenden Maße von
35,5 Kl (72,77 m) und 36 Kl (73,10 m) in die Natur zu übertragen.
Dabei ergab sich eine Differenz von 5,6 m. Eine richtige Aussteckung der Grenze ist daher nicht möglich und kann von der Bezirksforstinspektion nicht durchgeführt werden."
Diesen Sachverhalt teilte die AB dem LAS mit und ersuchte diesen unter Bezugnahme auf die Verhandlungsschrift vom 29.9.1987, "die seinerzeit verpflockte Grenze in der Natur wieder herzustellen und mitzuteilen, ob allenfalls aufgrund der do. technischen Unterlagen sich dieser einvernehmlich festgelegte Grenzpunkt rekonstruieren läßt."
Der LAS beraumte in der Folge für den 30. August 1989 eine Verhandlung "zur Festlegung der mit Bescheid vom 29. Juli 1987, III b 1-351 V/13, festgesetzten Teilwaldgrenze in der Natur" an, welche in Anwesenheit des Amtssachverständigen, des Vertreters der Bezirksforstinspektion T. und des Gemeindewaldaufsehers sowie der geladenen Parteien Beschwerdeführer und V. R. von einem Vertreter des LAS abgeführt wurde. In der hierüber aufgenommenen Niederschrift wurde festgehalten:
"Die Amtsabordnung mißt zunächst die Teilwälder ausgehend von Teilwald 26 in F, dann die Teilwälder W. J. Folio (24) J. K. (Folio 24) A. M. Folio 25, und R. V. Folio 25. Diese Vermessung ergibt, daß sich die Teilwaldgrenze 50 cm vom Zauneck im Grundstück des Dr. F. befindet. Daraufhin wird versucht die strittige Teilwaldgrenze von Südwesten her zu ermitteln. Dabei werden die Teilwälder des H. K. (Folio 26) und der Teilwald des R. H. (Folio 25) vermessen. Danach wäre die strittige Teilwaldgrenze zwischen den Teilwäldern V und G 6,10 m vom vorhin erwähnten Zauneck entfernt. Zwischen den von zwei Seiten geführten Vermessungen ergibt sich dahin eine Differenz von 5,70 m. Nach Aussage des Sachverständigen ist eine solche Fehlerquelle bzw. Fehlerquote bei Teilwaldvermessungen in der Natur durchaus möglich. Die Amtsabordnung ist daher der Ansicht, daß zur Festlegung der Teilwaldgrenze diese Fehldifferenz von 5,70 m in der Mitte geteilt werden müßte, sodaß die strittige Teilwaldgrenze nach Ansicht der Amtsabordnung vom Zauneck (südlich) des Dr. F. 3,35 m entfernt in südlicher Richtung verläuft."
Diese Niederschrift wurde von sämtlichen Anwesenden mit Ausnahme von V. R. unterfertigt. Hiezu wurde festgestellt:
"Frau N. erklärt mit dieser Grenzfestsetzung nicht einverstanden zu sein. Sie verweigert die Unterschrift."
In seiner vom Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer nach Ergänzung durch den "Verwaltungsakt" der belangten Behörde vom 30.8.1989 (Festlegung der Teilwaldgrenzen in der KG L. zwischen den Teilwäldern "V", Folio 25, und "G" Folio 25/26) in seinem Recht auf Unverletzlichkeit seines Eigentums verletzt, weil "im gegenständlichen Verfahren die Teilwaldgrenze zwischen den Teilwäldern "V" (Folio 25) und "G" (Folio 25/26) nicht an der gleichen Stelle, wie in der Verhandlungsschrift vom 29.9.1987 ersichtlich, sohin 2,85 m südwestlich innerhalb des Waldteiles des Beschwerdeführers festgesetzt wurde. Sollte die Teilwaldgrenzfestsetzung vom Ermessen der Behörde abhängig sein, so erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung verletzt. Weiters erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein Verfahren vor der zuständigen Behörde verletzt".
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, der Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt der Beschwerdeführer aus, es sei nicht zulässig, daß ein und dieselbe Behörde im Jahre 1987 und im Jahre 1989 Vermessungen vornehme und zu verschiedenen Ergebnissen komme. Selbst wenn die Grenze nach Verpflockung durch die belangte Behörde unkenntlich geworden sein sollte, sei sie nicht zuständig gewesen, neuerlich eine Vermessung vorzunehmen. Selbst wenn die Teilwaldgrenze nur über Ermessen der Behörde festzulegen sei, wäre nicht einsichtig, warum die Differenz zwischen zwei Vermessungen einfach zu halbieren und so der Grenzpunkt festzulegen sei. Die Teilwaldgrenze sei eindeutig und unstrittig festgelegt worden. Dies ergebe sich aus dem Protokoll vom 29. September 1987.
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Eine Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nur vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Sie setzt somit Anwendung von Zwang voraus, sodaß der Eingriffscharakter bei bloßer Mitteilung der Rechtslage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1982, Zl. 81/07/0191), zu verneinen ist.
Ausgehend von dieser dargestellten Rechtslage fehlt es der vom Vertreter der belangten Behörde in der Verhandlung an Ort und Stelle am 30. August 1989 in Ausführung des Bescheides der AB vom 29. Juli 1987 durchgeführten Teilwaldgrenzfestsetzung an der "Normativität" des Verwaltungsaktes, weil sich diese Amtshandlung nur als Mitteilung der Rechtsansicht der belangten Behörde über die Gestaltung des vorzunehmenden Vollzuges des vorerwähnten Bescheides darstellt. Damit fehlt es am Vorliegen eines der Beschwerdeführung zugänglichen Verwaltungsrechtes, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG unter Bedachtnahme auf § 12 Abs. 3 VwGG zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesonders deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990070041.X00Im RIS seit
20.11.2000