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L92057 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Tirol;Norm
ABGB §140 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der M in R, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. August 1991, Zl. Va-456-13.372/1-1991, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 5. Juni 1991 bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die Gewährung von Sozialhilfe durch Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Tiroler Sozialhilfegesetz (TSHG). Nach dem Antrag bewohne sie aufgrund eines auf sie lautenden Mietvertrages in Raitis 18 eine Mietwohnung (Größe: 45 m2; Zahl der Zimmer: 1 1/2), für die sie monatlich S 4.500,-- an Miete inkl. Betriebskosten zu bezahlen habe. Ihr (aufgrund einer Teilzeitbeschäftigung) bezogenes monatliches Nettoeinkommen betrage S 3.800,--. Im gemeinsamen Haushalt mit ihr lebe ihre am 31. August 1986 geborene uneheliche Tochter V, für die sie Alimente von S 1.990,-- und eine Familienbeihilfe von S 1.500,-- monatlich erhalte.
Daraufhin errechnete die erstinstanzliche Behörde im Berechnungsbogen vom 7. Juni 1991 die der Beschwerdeführerin zustehende Sozialhilfe wie folgt:
"Sozialhilferichtsatz: Einkommen:
Haushaltsvorstand S 3.635,-- Einkommen aliquot,
Haushaltsange- abzügl. Freibetrag
hörige mit An- von S 3.000,-- S 1.433,--
spruch auf FB S 1.405,-- Alimente S 1.990,--
S 5.040,-- Summe S 3.423,--
Miete S 4.500,--
Summe S 9.540,--.
Sozialhilferichtsatz S 9.540,--
- Einkommen S 3.423,--
Sozialhilfe S 6.117,--"
Mit Bescheid vom 13. Juni 1991 bewilligte die
erstinstanzliche Behörde der Beschwerdeführerin über ihren
Antrag vom 5. Juni 1991 gemäß § 4 Abs. 1 TSHG ab 1. Juli 1991
auf die Dauer des Zutreffens der gesetzlichen Voraussetzungen
bis auf weiteres, jedoch längstens bis 31. Dezember 1991, eine
laufende Sozialhilfe von monatlich S 6.117,--. In der
Sozialhilfeleistung sei der monatliche Mietzins inkl.
Betriebskosten inkludiert. Nach der Bescheidbegründung sei dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 5. Juni 1991 vollinhaltlich stattgegeben worden, weshalb eine weitere Begründung gemäß § 58 AVG entfallen könne.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde, es sei ihrem Antrag "vollinhaltlich stattgegeben" worden. Sie habe einen Antrag auf Sozialhilfe für sie selbst, nicht jedoch für ihre Tochter gestellt und beantragt, das Einkommen ihrer Tochter von S 1.990,-- an Alimenten nicht in die Sozialhilfe einzurechnen. Weiters sei im Bescheid keine Berechnungsart ersichtlich, weil nur die Gesamtsumme angeführt sei. Ihr seien Fälle bekannt, in denen die Alimente unabhängig von ihrer tatsächlichen Höhe nur in der Höhe des Richtsatzes berechnet worden seien. Sie ersuche um eine Begründung der ungleichen Vorgangsweise und um eine detaillierte Begründung der vorgenommenen Berechnung in Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und fügte hinzu: "Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes für (die Beschwerdeführerin) wird mit monatlich S 4.452,-- und für die minderjährige V mit S 1.665,-- festgesetzt." In der Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde zunächst fest, daß die erstinstanzliche Behörde aufgrund des Vertretungsverhältnisses der Beschwerdeführerin gegenüber ihrem Kind davon ausgegangen sei, daß ihr Antrag vom 5. Juni 1991, der auf die Gewährung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes gelautet habe, sowohl für sie selbst als auch für ihre Tochter gestellt worden sei, und demgemäß auch die Sozialhilfe sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für ihre Tochter berechnet habe. Auch wenn sich die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen die Miteinbeziehung der Alimente in die Berechnung der Sozialhilfe wende, gehe aus diesem Vorbringen nicht hervor, daß sie etwa keine Sozialhilfe für ihre Tochter beantragt hätte, sodaß auch im Berufungsverfahren zu prüfen gewesen sei, ob die Sozialhilfe für die Beschwerdeführerin und ihre Tochter richtig berechnet worden sei. Dies sei aus folgenden Gründen der Fall:
Die laufende, somit monatlich regelmäßig ausbezahlte Sozialhilfe, um deren Berechnung es im vorliegenden Fall gehe, bestehe nach dem TSHG aus dem jeweiligen Richtsatzbetrag sowie den Mietkosten. Bei Bemessung der Sozialhilfe werde der jeweilige Anspruch durch Gegenüberstellung des im konkreten Fall errechneten sozialhilferechtlichen Bedarfes mit dem Gesamteinkommen des Hilfesuchenden berechnet. Laut dem Akteninhalt erziele die Beschwerdeführerin aus einer Teilzeitbeschäftigung ein Einkommen von S 3.800,-- monatlich bzw., bei Berücksichtigung des 13. und 14. Monatsgehaltes, S 4.433,--. Von diesem Betrag sei im Hinblick auf die Regelung des § 7 Abs. 1 lit. b der Tiroler Sozialhilfeverordnung (TSHV) bei Berechnung der Sozialhilfe ein Betrag von S 3.000,-- freigelassen worden, da die Beschwerdeführerin aufgrund der allerdings auch mit einem geringeren Einkommen verbundenen Teilzeitbeschäftigung die Möglichkeit habe, ihr Kind zumindest halbtägig selbst zu betreuen und zu erziehen. Bei Hinzurechnung der Unterhaltsleistung für die minderjährige V von S 1.990,-- ergebe sich somit ein Gesamteinkommen von S 3.423,--. Stelle man dieses Gesamteinkommen dem laufenden Richtsatzbetrag von S 9.540,--, der sich aus der Miete von S 4.500,-- sowie dem Richtsatzbetrag für Haushaltsvorstände von S 3.635,-- und dem Richtsatzbetrag für Familienangehörige mit Familienbeihilfe von S 1.405,-- zusammensetze, gegenüber, so ergebe sich der Differenzbetrag von S 6.117,--, der der Beschwerdeführerin als Sozialhilfeleistung für sich und die minderjährige V zugesprochen worden sei. Durch diese Berechnung der Sozialhilfe sei die Beschwerdeführerin entgegen ihrem Vorbringen keineswegs in ihren Rechten verletzt worden, weil sich derselbe Betrag auch bei getrennter Berechnung der Sozialhilfe ergebe. Demnach betrage die laufende Sozialhilfe für die Beschwerdeführerin nach Abzug ihres Einkommens von S 1.433,-- vom laufenden Sozialhilfebedarf von S 5.885,--, bestehend aus halber Miete plus Richtsatzbetrag, S 4.452,--. Für die minderjährige V ergebe sich nach Abzug der Alimente von ihrem laufenden Sozialhilfebedarf von S 3.655,--, bestehend aus halber Miete plus Richtsatzbetrag, eine laufende Sozialhilfe von S 1.665,--. Hinsichtlich des Vorbringens, daß die Unterhaltsleistung für die minderjährige V überhaupt nicht eingerechnet werden dürfe, sei festzustellen, daß eine Nichteinrechnung der Unterhaltsleistung für Kinder bei Bemessung der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nur dann erfolge, wenn diese Unterhaltsleistung den jeweiligen laufenden sozialhilferechtlichen Bedarf des Kindes abdecken würde. Dann wäre das Kind nämlich überhaupt nicht in die Berechnung der Sozialhilfe miteinzubeziehen, weil dann ja sein Unterhaltsbedarf aus eigenen Mitteln (eben der Unterhaltsleistung des Vaters) abgedeckt werden könnte und somit auch gar keine Notlage im Sinne des Gesetzes vorläge. Da der sozialhilferechtliche Bedarf der minderjährigen V aber mit S 3.655,-- über dem Unterhaltsbeitrag des Vaters liege, seien die Alimente richtigerweise in die Berechnung der gesamten Sozialhilfeleistung miteinbezogen worden.
Mit Beschluß vom 9. Juni 1992, Zl. B 1054/91, trat der Verfassungsgerichtshof die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Zuerkennung der Sozialhilfe im gesetzlichen Ausmaß nach den Bestimmungen des TSHG verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes macht sie unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung die Aufhebung der Wortfolge "und für die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen" im § 1 Abs. 3 lit. a TSHG durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1989, G 219/88, VfSlg. 11993, nicht zur Kenntnis genommen habe. In diesem Erkenntnis sei der Verfassungsgerichtshof nämlich zusammenfassend zum Schluß gekommen, es sei sachlich nicht begründet, wenn auf diese Weise die dem Unterstützungsempfänger gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen unbeschränkt zum Lebensunterhalt der anderen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft beitragen müßten, auch wenn sie ihnen gegenüber gar nicht unterhaltspflichtig seien. Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergebe, wende die belangte Behörde das TSHG im Ergebnis aber so an, wie es vor der Gesetzesaufhebung anzuwenden gewesen wäre. Sie beziehe nämlich bei der Unterhaltsberechnung wiederum die mit dem Sozialhilfeempfänger (der Beschwerdeführerin) gemeinsam im Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen (die minderjährige V) in die Berechnung mit ein, was dazu führe, daß die minderjährige V zur eigenen Bedarfsdeckung nicht ihren gesamten Unterhaltsbetrag von S 1.990,-- sondern nur einen um S 585,-- verkürzten Betrag von S 1.405,-- zur Verfügung habe, dafür aber mit einem Betrag in der Höhe von S 585,-- zum Lebensunterhalt ihrer Mutter, der Beschwerdeführerin, beitrage. Gerade darin habe aber nach dem genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes die Verfassungswidrigkeit der aufgehobenen Wortfolge in § 1 Abs. 3 lit. a TSHG bestanden. Die Einbeziehung der Alimente ihrer Tochter in die Berechnung der Sozialhilfe bringe aber auch eine Schlechterstellung für die Beschwerdeführerin mit sich. Hätte sie nämlich ihre Tochter verschwiegen oder lebten sie in einem getrennten Haushalt, so erhielte die Beschwerdeführerin nach der Berechnung der belangten Behörde S 4.500,-- an Mietaufwand zuzüglich S 4.250,-- gemäß § 4 Abs. 1 lit. a Z. 1 TSHV abzüglich des anrechenbaren Einkommens von S 1.433,--, also S 7.317,-- monatlich. Daran ändere (nach dem Vorbringen in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde, auf das die Beschwerdeführerin in ihrem Ergänzungsschriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof auch in diesem Zusammenhang ausdrücklich verweist) die alternative Berechnungsweise der belangten Behörde nichts. Sie komme nämlich zum selben Berechnungsergebnis nur deshalb, weil sie hiebei der Tochter der Beschwerdeführerin die Tragung der halben Miete anlaste. Auch damit seien sie und die Beschwerdeführerin wiederum mit S 585,-- schlechter gestellt als ohne die an die minderjährige Tochter gewährte Sozialhilfe. Der angefochtene Bescheid sei aber auch insofern aktenwidrig, als die belangte Behörde die Auffassung vertrete, es gehe aus dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin nicht hervor, daß sie für ihre Tochter keine Sozialhilfe beantragt habe. In der Berufung heiße es vielmehr ausdrücklich, daß die Beschwerdeführerin den Sozialhilfeantrag nur für sich, nicht aber für ihre Tochter stelle. Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift (im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) die Auffassung vertrete, daß die Sozialhilfe auch allenfalls ohne ausdrückliche Beantragung für die minderjährige V zu berechnen sei, so übersehe sie, daß durch diese willkürliche Einbeziehung der Minderjährigen in die Sozialhilfeleistung im Ergebnis eine Schlechterstellung für die Beschwerdeführerin erreicht werde, was unzulässig sei. Sie beantrage daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin führt sie aus, es werde seit der Aufhebung der in der Beschwerde genannten Bestimmung des TSHG durch den Verfassungsgerichtshof die Berechnung der Sozialhilfe für jede im Haushalt lebende Person getrennt vorgenommen; diese Vorgangsweise sei auch im angefochtene Bescheid eingehalten worden. Richtig sei, daß die Beschwerdeführerin in der Berufung ihren Antrag auf Gewährung der Sozialhilfe eingeschränkt habe. Die belangte Behörde habe aber im Hinblick auf die amtswegige Gewährung der Sozialhilfe die Sozialhilfeleistungen sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für ihre Tochter festgesetzt. Darin könne keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin erblickt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Tiroler Sozialhilfegesetzes (TSHG), LGBl. Nr. 105/1973, in der ab 1. Juli 1991 geltenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 68/1991, lauten:
"1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§ 1. Allgemeines
(1) Sozialhilfe ist staatliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens.
(2) Sozialhilfe ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Personen zu gewähren, die sich in einer Notlage befinden.
(3) In einer Notlage im Sinne dieses Gesetzes befindet sich,
a)
wer den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält,
b)
...
§ 2. Grundsätze für die Gewährung der Sozialhilfe
(1) Sozialhilfe ist auf Antrag oder von Amts wegen zu gewähren.
...
(4) Bei der Gewährung der Sozialhilfe ist nach Maßgabe des Einzelfalles darauf Bedacht zu nehmen, daß bei möglichst geringer Einflußnahme auf die Lebensverhältnisse des Hilfesuchenden und seiner Familie sowie bei möglichst zweckmäßigem, wirtschaftlichem und sparsamem Aufwand der Hilfesuchende zur Selbsthilfe befähigt wird und eine gründliche und dauernde Beseitigung der Notlage zu erwarten ist.
...
2. Abschnitt
Arten, Form und Ausmaß der Sozialhilfe
§ 3. Arten der Sozialhilfe
Die Sozialhilfe umfaßt
a) die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes,
...
§ 4. Lebensunterhalt
(1) Der Lebensunterhalt umfaßt den Aufwand für die gewöhnlichen Bedürfnisse, wie Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, sowie den Aufwand für die persönlichen Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.
(2) Über die Gewährung der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist im Verwaltungsweg zu entscheiden.
§ 7. Form und Ausmaß der Sozialhilfe
(1) Die Sozialhilfe kann in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gewährt werden.
(2) Das Ausmaß der Sozialhilfe ist im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel zu bestimmen.
(3) Beim Einsatz der eigenen Kräfte ist auf die persönlichen Verhältnisse des Hilfesuchenden, insbesondere auf den Gesundheitszustand, das Lebensalter, die berufliche Eignung und Vorbildung, die geordnete Erziehung der Kinder, die Führung eines Haushaltes und die Pflege von Angehörigen Bedacht zu nehmen.
(4) Die eigenen Mittel, wozu das gesamte verwertbare Vermögen und Einkommen gehört, dürfen bei der Bemessung der Sozialhilfe insoweit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbar wäre oder für den Hilfesuchenden oder dessen Familienangehörige eine besondere Härte bedeuten würde. Kleinere Einkommen und Vermögen, insbesondere solche, die der Berufsausübung dienen, sind nicht zu berücksichtigen.
...
(6) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Vorschriften über die Form und das Ausmaß der Sozialhilfe zu erlassen. Hiebei sind unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten in Tirol für die Bemessung des Lebensunterhaltes Richtsätze festzusetzen. Ferner hat die Landesregierung durch Verordnung nähere Vorschriften zu erlassen, inwieweit das Vermögen und das Einkommen nicht zu berücksichtigen sind."
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der Tiroler Sozialhilfeverordnung (TSHV), LGBl. Nr. 68/1974, in der ab 1. Jänner 1991 geltenden Fassung, LGBl. Nr. 70/1990, lauten:
"1. Abschnitt
Arten der Sozialhilfe
§ 1. Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfaßt Maßnahmen zur Deckung des Aufwandes für
a)
Ernährung-, Körper- und Gesundheitspflege, Instandhaltung der Bekleidung, Beleuchtung, Kleinhausrat, Reinigung, Bildung und Erholung in einem für den Hilfesuchenden angemessenen Ausmaß, Benützung von Verkehrsmitteln und sonstige kleinere Bedürfnisse des täglichen Lebens,
b)
Unterkunft,
c)
Bekleidung und Beheizung.
2. Abschnitt
Form und Ausmaß der Sozialhilfe
§ 4. Bemessung des Lebensunterhaltes
(1) Soweit die Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Geldleistungen gegeben wird, sind unter Anrechnung der gemäß § 7 des Tiroler Sozialhilfegesetzes einzusetzenden eigenen Kräfte und Mittel zu gewähren:
a)
zur Deckung des Aufwandes im Sinne des § 1 lit. a monatliche Leistungen bis zu folgenden Höchstbeträgen (Richtsätze):
1. für Alleinstehende S 4.250,--
2. für Haushaltsvorstände S 3.635,--
3. für Haushaltsangehörige ohne
Anspruch auf Familienbeihilfe S 2.530,--
4. für sonstige Haushaltsangehörige S 1.405,--
b)
eine Beihilfe zur Deckung des Aufwandes für Unterkunft, ausgenommen die Kosten der Einrichtung oder der Sanierung der Unterkunft,
c)
eine Beihilfe zur Deckung des Aufwandes für Beheizung und Bekleidung
...
§ 7. Einsatz der eigenen Mittel
(1) Bei der Bemessung des Ausmaßes der Sozialhilfe im Sinne des § 7 Abs. 2 des Tiroler Sozialhilfegesetzes sind, ungeachtet anderer landesrechtlicher Vorschriften, außer Ansatz zu lassen:
a)
Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz;
b)
ein angemessener Betrag des Arbeitseinkommens von Personen, die trotz vorgerückten Alters oder die trotz starker Beschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit einem Erwerb nachgehen;
..."
Seit der Aufhebung der Wortfolge "und für die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen" im § 1 Abs. 3 lit. a TSHG durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1989, VfSlg. 11.993 (Kundmachung LGBL. Nr. 35/1989), hängt die Gewährung der Sozialhilfe an eine Person unter dem Gesichtspunkt ihrer Notlage nur mehr davon ab, ob sie selbst "den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält"; es ist aber nicht mehr entscheidend, ob sie (auch) in der Lage ist, den Lebensunterhalt für die mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen (ausreichend) zu beschaffen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1989, Zl. 87/11/0231). Befindet sich ein solcher Angehöriger in einer Notlage, d.h. ist er nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für sich aus eigenen Kräften und Mitteln (ausreichend) zu beschaffen und erhält er ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen, so steht ihm jedenfalls ein individueller Sozialhilfeanspruch zu, über den gemäß § 4 Abs. 2 TSHG mit einem an ihn gerichteten Bescheid zu entscheiden ist (vgl. Pfeil in der Entscheidungsanmerkung DRdA 1992, 365).
Entsprechend dieser Rechtslage hätte die erstinstanzliche Behörde, die, wie die Berechnung erweist, von einer Notlage sowohl der Beschwerdeführerin als auch ihrer minderjährigen Tochter ausgegangen ist, in zwei getrennten Bescheiden oder Bescheidaussprüchen sowohl der Beschwerdeführerin als auch ihrer minderjährigen Tochter, vertreten durch die Beschwerdeführerin, Sozialhilfe zu gewähren gehabt. Das ist nicht geschehen; es wurde vielmehr der Beschwerdeführerin für sie und ihre Tochter Sozialhilfe gewährt. Daran hat die belangte Behörde nach dem insofern eindeutigen Spruch des angefochtenen Bescheides, mit dem die Berufung abgewiesen und damit der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides übernommen wurde, trotz der Hinzufügung des Satzes: "Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes für (die Beschwerdeführerin) wird mit monatlich S 4.452,-- und für die minderjährige V mit S 1.665,-- festgesetzt" nichts geändert. Der Spruch ist vielmehr so zu lesen, daß der Beschwerdeführerin ab dem im erstinstanzlichen Bescheid genannten Zeitpunkt Sozialhilfe von S 6.117,--, und zwar S 4.452,-- für sich und S 1.665,-- für ihre minderjährige Tochter gewährt wird. Das entspricht zwar nicht der dargestellten Rechtslage, verletzt aber - für sich genommen - die Beschwerdeführerin nicht im behaupteten Recht auf Zuerkennung des Sozialhilfe im gesetzlichen Ausmaß an sie selbst. In dieses Recht würde durch den angefochtenen Bescheid vielmehr nur dann eingegriffen, wenn ihr eine höhere Sozialhilfe als S 4.454,-- zustünde. Das hängt aber - sachverhaltsbezogen - ausschließlich davon ab, ob die belangte Behörde mit Recht von einem Richtsatz zur Deckung des Aufwandes im Sinne des § 1 lit. a TSHV von nur S 3.635,-- (für Haushaltsvorstände) statt von S 4.250,-- (für Alleinstehende) und einem Aufwand für Unterkunft von nur S 2.250,-- statt S 4.500,-- ausgegangen ist.
Vor Eingehen in eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unter diesen beiden Gesichtspunkten ist zu bemerken, daß die Aufhebung der genannten Wortfolge in § 1 Abs. 3 lit. a TSHG nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht notwendig eine Gesetzwidrigkeit der Differenzierung der Richtsätze in § 4 Abs. 1 lit. a TSHV zur Folge hatte. Denn vor dem Hintergrund der weiterhin und verstärkt auch das TSHG beherrschenden Grundsätze der Individualität im Sinne der Notwendigkeit der Erfassung der Umstände des Einzelfalles sowohl bei der Prüfung der Notlage als auch bei der Entscheidung über die Art und den Umfang der Hilfegewährung (§ 2 Abs. 4, § 7 Abs. 2 bis 4 TSHG) und der Subsidiarität (§ 1 Abs. 3 lit. a TSHG), aber auch der - gerade wegen der vorgenannten Grundsätze erforderlichen - Familiengerechtheit der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 4, § 7 Abs. 3 und 4 TSHG) erscheint es dem Gerichtshof nicht als unsachlich, wenn der Verordnungsgeber bei der Festsetzung von Richtsätzen als generelle Orientierungshilfen für die individuelle Erfassung bestimmter Grundbedürfnisse offensichtlich davon ausgeht, daß hinsichtlich dieser Bedürfnisse bei einer gemeinsamen Haushaltsführung Einsparungen möglich sind und Kinder einen geringeren Bedarf als Erwachsene haben (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, Seite 440). Aus Anlaß des Beschwerdefalles bestehen aber auch keine Bedenken gegen die ziffernmäßigen Abstriche der Richtsätze für Haushaltsvorstände und sonstige Haushaltsangehörige (im Beschwerdefall: eines Kindes von fünf Jahren) von jenen für Alleinstehende.
Die Anwendung des gegenüber dem Richtsatz für Alleinstehende reduzierten Richtsatzes für Haushaltsvorstände setzt schon nach dem (unter Bedachtnahme auf die nunmehrige Fassung des § 1 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 7 Abs. 6 TSHG zu interpretierenden) Wortlaut des § 4 Abs. 1 TSHV - anders als im Falle der Geltung der mehrfach genannten Wortfolge (vgl. die insofern beachtlichen Ausführungen in den Erkenntnissen vom 24. Februar 1989, Zl. 87/11/0267, zum TSHG, vom 4. März 1991, Zl. 90/19/0238, zum NÖSHG, vom 17. September 1991,
Zlen. 91/08/0004, 0093, zum KSHG und vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0067, zum WSHG, sowie Pfeil in der schon genannten Entscheidungsanmerkung DRdA 1992, Seite 367) - nicht notwendig voraus, daß sich die Haushaltsangehörigen, mit denen der Haushaltsvorstand im gemeinsamen Haushalt lebt, in einer Notlage im Sinne des § 1 Abs. 3 TSHG befinden und daher sozialhilfebedürftig sind. Die Heranziehung des Richtsatzes für Haushaltsvorstände ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls in den Fällen berechtigt, in denen ein Elternteil durch die Betreuung seines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden mj. Kindes einen Teil des Lebensunterhaltes dieses Kindes im Sinne des § 4 TSHG abdeckt, dieses Kind aber wegen der Gewährung von Geldunterhaltsleistungen vom anderen Elternteil oder sonstigen dritten Personen zumindest in der Höhe des in Betracht kommenden Richtsatzes für Haushaltsangehörige nach § 4 Abs. 1 lit. a TSHV nicht sozialhilfebedürftig ist. Es wäre nämlich sachlich nicht zu rechtfertigen, die Anwendung des Richtsatzes für Alleinstehende oder für Haushaltsvorstände auf den Sozialhilfeanspruch des betreuenden Elternteiles bei sonst gleichen Verhältnissen von dem seinen Lebensbedarf nicht berührenden Umstand abhängig zu machen, ob der Lebensbedarf des mj. Kindes in der Höhe des an sich in Betracht kommenden Richtsatzes für Haushaltsangehörige durch Geldunterhalts- oder Sozialhilfeleistungen abgedeckt wird. Im Beschwerdefall ist demnach die Heranziehung des Richtsatzes für Haushaltsvorstände bei Bemessung der Sozialhilfe zur Deckung des Aufwandes im Sinne des § 1 lit. a TSHV für die Beschwerdeführerin unabhängig davon berechtigt, ob auch ihre mj. Tochter im relevanten Zeitraum sozialhilfebedürftig war.
Rechtsirrig ist aber die Wertung nur des halben Mietzinses inkl. Betriebskosten für die Wohnung, in der die Beschwerdeführerin und ihre mj. Tochter im gemeinsamen Haushalt leben, als Aufwand der Beschwerdeführerin für Unterkunft nach § 4 Abs. 1 lit. b TSHV. Denn zur Tragung dieses Aufwandes ist privatrechtlich nur die Beschwerdeführerin als Mieterin dieser (im übrigen nach ihrer Größe nicht allein wegen des zusätzlichen Wohnbedarfes der Tochter angemieteten) Wohnung verpflichtet. Der entsprechend dieser Verpflichtung von ihr gezahlte Mietzins inkl. Betriebskosten ist daher ihr alleiniger Aufwand. Daran ändert der Umstand, daß sie in dieser Wohnung mit ihrer mj. Tochter im gemeinsamen Haushalt lebt und sie entsprechend ihrer Unterhaltsverpflichtung (§§ 140 Abs. 2, 166 ABGB) betreut, nichts, weil dadurch die Minderjährige ja nicht zur Tragung (eines Teiles) des Unterkunftsaufwandes verpflichtet wird. Die belangte Behörde hätte daher den gesamten Unterkunftsaufwand als einen solchen der Beschwerdeführerin anerkennen müssen.
Hätte die belangte Behörde aber eine solche Zuordnung vorgenommen, so hätte sie einerseits einen Sozialhilfeanspruch der mj. Tochter der Beschwerdeführerin verneinen müssen, weil die ihr erbrachten, über dem Richtsatz für Haushaltsangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe liegenden Geldunterhaltsleistungen eigene Mittel im Sinne der §§ 1 Abs. 3 lit. a und 7 Abs. 4 TSHG darstellen (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 366, 411, 413, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zlen. 91/08/0004, 0099; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer solchen Berücksichtigung vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1989, VfSlg. 11.992). Andererseits hätte sie der Beschwerdeführerin eine laufende Sozialhilfe von S 6.702,-- monatlich (Richtsatz für Haushaltsvorstände von S 3.635,-- zuzüglich einer Beihilfe zur Deckung des Unterkunftaufwandes von S 4.500,-- abzüglich des anrechenbaren Einkommens von S 1.433,--) zuerkennen müssen.
Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid (nach den obigen Darlegungen zur Auslegung des Spruches zur Gänze) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992080146.X00Im RIS seit
01.02.2002