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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Y, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juni 1993, Zl. R/1-V-92105/01, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) A, 2) I, 3) S, 4) Mag. G, und
5) H, alle in W, alle vertreten durch H in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und den mitbeteiligten Parteien zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 21. November 1991 wurde den mitbeteiligten Parteien dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit sechs Wohnungen auf dem Grundstück Nr. 843/2, EZ. 1336 des Grundbuches über die Kat.Gem. X (X, H-Straße 37 - 39), erteilt.
Die von Nachbarn dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 5. Mai 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen (Pkt. I des Spruches). Unter Pkt. II des Spruches desselben Bescheides wurde der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid unter Berufung auf § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG und § 118 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 als nichtig erklärt.
Dieser, die Nichtigkeit der Baubewilligung aussprechende Teil des Bescheides wurde auf Grund der Vorstellung der Mitbeteiligten mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 22. September 1992 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde zurückverwiesen.
Die Aufsichtsbehörde begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Gemeinderat "verpflichtet gewesen wäre, im Zuge der Ermessensübung die nachteiligen Wirkungen des Bescheides in bezug auf das durch die verletzte Norm geschützte öffentliche Interesse gegen jene Nachteile abzuwägen, welche die Aufhebung des Bescheides in bezug auf die durch das (im Institut der Rechtskraft verkörperte) Prinzip der Rechtssicherheit geschützten Interessen der Bauwerber nach den konkret zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles mit sich brächte". Sollte sich "herausstellen, daß das mit dem Bescheid vom 21. November 1991 genehmigte Projekt keine oder nur unbedeutende tatsächliche Wirkungen auf die durch die verletzte Rechtsvorschrift geschützten Normzwecke entfaltet, dann entspräche ein Eingriff in die Rechtskraft dieses Bescheides, der für die Vorstellungswerber im Hinblick auf die in der Zwischenzeit getroffenen Investitionen und Verfügungen mit ihren bisherigen Wohnräumen bedeutende Nachteile nach sich zöge, nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er in den eingangs zitierten gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommt. Da der Gemeinderat diese Frage nicht geprüft hat, ist der angefochtene Bescheid aufzuheben ...".
Mit dem daraufhin ergangenen Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 20. Jänner 1993 wurde der erwähnte erstinstanzliche Bescheid vom 21. November 1991 neuerlich als nichtig erklärt. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die im Flächenwidmungsplan festgelegte Wohndichte durch das in Rede stehende Bauvorhaben überschritten würde.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung der Mitbeteiligten wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 23. Juni 1993 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 Folge gegeben und der erwähnte Bescheid aufgehoben.
Nach einer Wiedergabe des Wortlautes des § 100 Abs. 2 sowie des § 118 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 und des § 14 Abs. 2 Z. 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 vertrat die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, daß es sich bei der Festlegung der Wohndichte nicht um eine Festlegung einer Widmungs- oder Nutzungsart im Sinne des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 handle, und eine Überschreitung der Wohndichte auch kein Versagungsgrund nach § 100 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 sei.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien erwogen:
Im Hinblick auf diesbezügliche Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde ist zunächst zu dem Umstand, daß im vorliegenden Fall der Gemeinderat und nicht die Stadtgemeinde Klosterneuburg Beschwerde erhoben hat, festzustellen, daß bei einer vom Gemeinderat erhobenen Beschwerde eine Organhandlung vorliegt, die dem Rechtsträger der Gemeinde zuzurechnen ist (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0038, und die darin zitierte Vorjudikatur), weshalb die Anführung des Gemeinderates als Beschwerdeführer nicht zur Zurückweisung der Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation führt.
Im übrigen ist festzuhalten, daß nach ständiger hg. Rechtsprechung nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukommt, sodaß die beschwerdeführende Stadtgemeinde durch den angefochtenen Bescheid nur insoweit in ihren Rechten verletzt sein kann, als dessen Aufhebungsgründen für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukommt (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1985, Zl. 85/05/0098, BauSlg. Nr. 600).
Gemäß § 118 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 (im folgenden: BO) leiden Bescheide, welche entgegen den Bestimmungen des Abs. 3 und des § 9 Abs. 4, § 10 Abs. 6 und 7, § 18 Abs. 2, § 20, § 99 Abs. 1 und 2, § 99 a sowie § 100 Abs. 2 erlassen wurden, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.
Zufolge § 100 Abs. 2 leg. cit. ist die Bewilligung zu versagen, wenn durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen dieses Gesetzes, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, der NÖ Mineralölordnung, LGBl. 8270, einer auf Grund dieser Gesetze erlassenen Verordnung oder des NÖ Raumordnungsgesetzes, LGBl. 8000, über die Zulässigkeit von Bauführungen auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten sowie über Vorbehaltsflächen und Bausperren verletzt werden.
Gemäß § 14 Abs. 2 Z. 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 ist bei der Erstellung von Flächenwidmungsplänen unter Berücksichtigung der überörtlichen Planungen auf folgende Planungsrichtlinien Bedacht zu nehmen: Die Wohndichte im Wohnbauland ist unter Berücksichtigung der geographischen Verhältnisse, der Siedlungsstruktur und der wirtschaftlichen Gegebenheiten festzulegen. Sie darf 30 Einwohner pro Hektar nicht wesentlich unterschreiten.
Die §§ 15 ff leg. cit. enthalten Bestimmungen über die Festsetzung der Widmungs- und Nutzungsarten im Flächenwidmungsplan.
Aus den Bestimmungen des § 100 Abs. 2 BO in Verbindung mit der wiedergegebenen Vorschrift des Raumordnungsgesetzes ergibt sich, daß die Frage der Zulässigkeit einer Bauführung unter dem Gesichtspunkt der - im Flächenwidmungsplan festgesetzten - Widmungs- und Nutzungsarten von der Frage der Übereinstimmung eines Bauvorhabens mit der in der wiedergegebenen Vorschrift des Raumordnungsgesetzes erwähnten Wohndichte zu trennen ist, und daß ein Vorhaben im Sinne des § 100 Abs. 2 BO keine "Bestimmungen dieses Gesetzes", also der Bauordnung verletzt, wenn es gegen die festgelegte Wohndichte verstößt. Der Gerichtshof kann sich der in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf § 4 Abs. 4 Z. 1 BO vertretenen Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anschließen, daß unter den "Bestimmungen dieses Gesetzes" auch die Vorschriften über die Wohndichte zu verstehen sind, weil im § 4 Abs. 4 Z. 1 BO (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle LGBl. 8200-9) lediglich vorgesehen ist, daß im Bebauungsplan u. a. die "Wohndichte im Wohnbauland laut Flächenwidmungsplan ... kenntlich zu machen ist", woraus folgt, daß sich die Wohndichte nicht aus den "Bestimmungen dieses Gesetzes", also der Bauordnung, sondern aus dem auf Grund des Raumordnungsgesetzes erlassenen Flächenwidmungsplan ergibt.
Eine Baubewilligung darf daher unter Berufung auf § 100 Abs. 2 BO nicht deshalb versagt werden, weil im Falle der Ausführung des zu bewilligenden Bauvorhabens den Bestimmungen über die Wohndichte nicht entsprochen wäre. Das bedeutet aber, daß Bescheide, welche entgegen den Vorschriften über die Wohndichte erlassen worden sind, demgemäß nicht den Bestimmungen des § 100 Abs. 2 BO widersprechen und im Sinne des § 118 Abs. 4 leg. cit. an keinem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leiden und daher unter Berufung auf diese Bestimmung nicht aufgehoben werden dürfen. Derartige Bescheide leiden daher auch nicht im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler, weshalb auch eine Aufhebung nach dieser Bestimmung nicht in Frage kommt.
Der Umstand, daß ein Baubewilligungsantrag zufolge § 98 Abs. 2 BO (ebenfalls in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle LGBl. 8200-9) ohne Bauverhandlung abzuweisen ist, wenn er dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht, wenn also das geplante Bauvorhaben zu den Vorschriften des Flächenwidmungsplanes über die Wohndichte im Widerspruch steht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0064), vermag an der Richtigkeit dieses Auslegungsergebnisses nichts zu ändern, weil der Gesetzgeber im Interesse eines restriktiven Eingriffes in die materielle Rechtskraft von Baubewilligungsbescheiden gemäß § 118 Abs. 4 BO nur Verstöße gegen jene Vorschriften des Raumordnungsgesetzes zum Anlaß für die Aufhebung von Bescheiden wegen Nichtigkeit nehmen wollte, welche Festlegungen eines Flächenwidmungsplanes über bestimmte Widmungs- und Nutzungsarten sowie über Vorbehaltsflächen und Bausperren zum Inhalt haben (siehe § 100 Abs. 2 leg. cit.), sodaß nicht jede Verletzung von Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes, also jedenfalls nicht ein bloßer Verstoß gegen die in einem Flächenwidmungsplan erfolgte Festsetzung der Wohndichte, eine Nichtigerklärung von Bescheiden ermöglichen soll.
Die Beschwerdeführerin kann daher mit ihrem Hinweis auf das zitierte hg. Erkenntnis für ihren Standpunkt nichts gewinnen, weil darin keine Ausführungen darüber enthalten sind, ob Bescheide im Falle eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Wohndichte gemäß § 118 Abs. 4 BO für nichtig erklärt werden dürfen.
Die beschwerdeführende Gemeinde war daher nicht berechtigt, den Baubewilligungsbescheid vom 21. November 1991 deshalb für nichtig zu erklären, weil das bewilligte Bauvorhaben gegen die Bestimmungen über die Wohndichte verstößt, weshalb der Bescheid des Gemeinderates vom 20. Jänner 1993 von der belangten Behörde mit Recht aufgehoben worden ist. Die sohin unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993050181.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009