TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/16 91/05/0085

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Veröffentlicht am 16.11.1993
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
L85003 Straßen Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §96 Abs1 Z2;
B-VG Art144 Abs3;
LStG NÖ 1979 §6 Abs1;
LStG NÖ 1979 §6a;
PauschV VwGH 1991 Art1 litA Z1;
PauschV VwGH 1991 Art1 litC Z7;
StGG Art5;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §48 Abs3 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde

1. des AG und 2. der IG in T, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. September 1990, Zl. R/1-SB-LH57, betreffend eine straßenrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1990, Zl. 85/05/0153, zu verweisen. Mit dieser Entscheidung war der damals angefochtene Bescheid der belangten Behörde, betreffend die Bewilligung einer Straßenverbreiterung in dem hier maßgeblichen Bereich, aufgehoben worden. Die belangte Behörde gab bekannt, daß sie mit Berufungsentscheidung vom 19. September 1993 der Berufung (u.a.) der Beschwerdeführer gegen den straßenrechtlichen Baubewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 18. Februar 1993, mit welchem der Mitbeteiligten die straßenrechtliche Baubewilligung für das bezeichnete Detailprojekt "Gars am Kamp-LH 57 und LH 58" erteilt worden sei, als unbegründet abgewiesen habe.

Am 25. Juli 1989 beantragte die Mitbeteiligte die Durchführung einer Bauverhandlung gemäß § 6 des NÖ Landesstraßengesetzes für die Verbreiterung des Gehsteiges an der Landeshauptstraße 57 im Bereich der Liegenschaft der Beschwerdeführer, Grundstück Nr. nn/3, KG T. Aufgrund dieses Antrages wurde von der Bezirkshauptmannschaft H. eine mündliche Verhandlung anberaumt; in der Ladung zur Verhandlung wurde darauf verwiesen, daß die Landeshauptstraße 57 auf eine Breite von 6 m auszubauen war, weshalb der Gehsteig von ursprünglich 1,1 m auf rund 0,7 m, im Bereich der Hauszufahrt sogar auf nur 0,5 m verschmälert worden sei. Um eine gefahrlose Benützung zu ermöglichen, müsse eine Verbreiterung auf 1,5 m erfolgen. Deswegen sei es erforderlich, den nördlichen Torpfeiler um ca. 80 cm zurückzuversetzen.

Die Beschwerdeführer erhoben zunächst schriftliche Einwendungen, die in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 1990 wiederholt wurden:

Mit Bescheid der Marktgemeinde Gars am Kamp vom 21. März 1983 sei den Beschwerdeführern die Errichtung einer straßenseitigen Einfriedung und einer befahrbaren Abdeckung bewilligt worden. Nach dem Protokoll über die Kollaudierung betreffend die auf dem Grundstück der Beschwerdeführer Nr. nn/3 errichtete Einfriedung stehe eindeutig fest, der Bereich des Einfahrtstores befinde sich nicht auf öffentlichem Gut. Anläßlich der Bauverhandlung betreffend die Kamptalbrücke vom 15. März 1984 sei bezüglich der Landeshauptstraße 57 festgehalten worden, daß das Grundstück der Beschwerdeführer von der Verbreiterung der Landesstraße nicht berührt werde. Es bestehe daher keine Notwendigkeit, die Straße gerade bei dem Grundstück der Beschwerdeführer bzw. dem Gartenpfeiler so breit zu errichten, daß das Eigentum der Beschwerdeführer beeinträchtigt werde. Die Beschwerdeführer sprachen sich deshalb gegen eine Zurückversetzung des Gartenpfeilers aus, weil sie beim Reversieren ihres PKW infolge der Enge des Gartengrundstückes auf den Gehsteig gelangen würden.

Bei der Verhandlung an Ort und Stelle am 26. Februar 1990 waren ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger, aber auch ein Vertreter der Straßenmeisterei anwesend. Dem Protokoll ist nicht zu entnehmen, von wem das in dieser Verhandlung erstattete Gutachten, welches im folgenden Bescheid als Gutachten des straßenbautechnischen Amtssachverständigen bezeichnet wird, stammte; jedenfalls wird in diesem Gutachten ausgeführt, unter Berücksichtigung der Tatsache, daß dieser Gehsteig für einen größeren Ortsteil die einzige Zugangsmöglichkeit zum Zentrum von Gars darstelle, sei eine Erweiterung auf das Regelmaß (1,5 m) im gegenständlichen Bereich aus verkehrssicherheitstechnischen Gründen dringend erforderlich.

Am 14. März 1990 erließ die Bezirkshauptmannschaft H. einen Bescheid, der, abgesehen vom Kopf, in "Spruch-Projektbeschreibung-Auflagen" einerseits und "Begründung" andererseits gegliedert ist. Der als "Spruch" bezeichnete Teil lautet wie folgt:

"Die Bezirkshauptmannschaft H. erteilt dem Land Niederösterreich (Landesstraßenverwaltung), ... gemäß § 6 Landesstraßengesetz, LGBl. 8500-1, die Bewilligung zur Verbreiterung des Gehsteiges im Bereich der Liegenschaft G, Parzelle Nr. nn/3, KG T, nach Maßgabe der nachfolgend angeführten Projektsbeschreibung und bei Einhaltung der nachstehenden Auflagen, jedoch eingeschränkt darauf, daß lediglich der nördliche Torpfeiler um 80 cm zurückversetzt wird.

Das Mehrbegehren laut Lageplan, das auch den südlichen Torpfeiler betroffen hätte, wird abgewiesen.

Die Einwendungen von Herrn AG und Frau IG werden als unbegründet abgewiesen."

Aufgrund der gegen diesen Bescheid erstatteten Berufung der Beschwerdeführer führte die belangte Behörde am 19. Juli 1990 an Ort und Stelle eine Verhandlung durch. Die Beschwerdeführer wendeten zusätzlich ein, der östliche Teil der Landeshauptstraße 57 werde von den Kraftfahrern gar nicht benützt bzw. könne im Hinblick auf die anschließende zur neuen Brücke führenden Kurve gar nicht benützt werden. Der beigezogene verkehrstechnische Amtssachverständige bestätigte die Erforderlichkeit der Verbreiterung des Gehsteiges.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge. Durch das Ergebnis des von der belangten Behörde vorgenommenen Lokalaugenscheines sowie des dabei erstatteten schlüssigen Gutachtens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen sei das Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Berufung entkräftet bzw. die Notwendigkeit der Verbreiterung des Gehsteiges im fraglichen Bereich - ohne gleichzeitige Verminderung der Fahrbahnbreite - nachgewiesen worden. An diesem Ergebnis ändere auch nichts, daß die Einfriedung der Beschwerdeführer im straßenseitigen Bereich von der Marktgemeinde Gars als Baubehörde am 21. März 1983 bewilligt worden sei. Wenn in einem Straßenbaubewilligungsverfahren die Notwendigkeit einer Baumaßnahme zweifelsfrei nachgewiesen worden sei, so könne dies durchaus auch auf Kosten eines baubehördlich bewilligten Zaunes geschehen. Auch die nunmehr unbestrittene Tatsache, daß sich das Einfahrtstor zum Anwesen der Beschwerdeführer nicht auf öffentlichem Gut befinde, könne daran nichts ändern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft H., der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigt wurde, wurde "gemäß § 6 Landesstraßengesetz" die Bewilligung zur Verbreiterung des Gehsteiges durch Versetzung eines Torpfeilers um 80 cm erteilt.

§ 6 des NÖ Landesstraßengesetzes in der Fassung LGBl. 8500-3 (in der Folge: LStG) hat folgenden Inhalt:

"§ 6

Bauverhandlung, Trassenbegehung, Baubewilligung

(1) Vor Inangriffnahme der Bauarbeiten für die Neuanlage, Umgestaltung oder Umlegung einer Landeshaupt- oder Landesstraße ist eine örtliche Verhandlung und Begehung der Trasse zum Zwecke der Begutachtung des Bauvorhabens vom Standpunkt der durch den Bauentwurf berührten Interessen durchzuführen. Hiebei ist insbesondere auch darauf Bedacht zu nehmen, daß sich die geplante Straße unter Schonung bestehender Natur- und Kunstdenkmale dem Landschaftsbild anpaßt und dem Verkehr, einschließlich eines allfälligen besonderen landwirtschaftlichen Verkehrsbedürfnisses gerecht wird. Weiters ist auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen.

(2) Der der Amtshandlung zugrunde zu legende Entwurf hat zu enthalten:

1. einen Katasterlageplan mit vorläufigem Teilungsausweis unter Angabe der grundbücherlichen Eigentümer und der vorläufig beanspruchten Flächen,

2.

ein Längenprofil 1 : 1000 : 100 oder 1 : 2000 : 200,

3.

die erforderlichen charakteristischen Querprofile 1 : 100,

4.

einen technischen Bericht.

(3) Zu der Amtshandlung, die in den durchzogenen Gemeinden durch Anschlag an der Amtstafel durch acht Tage vor dem Verhandlungstag kundzumachen ist, sind außer den Entwurfsvertretern die Durchzugsgemeinden, die sonstigen beteiligten Behörden und Amtsstellen sowie alle bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten, insbesondere auch die in Betracht kommenden Stromversorgungsunternehmungen nachweislich zu laden. Abweichungen vom Bauentwurf, über die bei der Verhandlung eine Einigung erzielt wurde, sind in den der Verhandlung zugrundeliegenden Entwurfsplänen mit blauer Farbe ersichtlich zu machen. Privatrechtliche Einwendungen gegen den Bauentwurf, über die eine Einigung nicht erzielt worden ist, sind zur Austragung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

(4) Nach Maßgabe des Ergebnisses der Begehung und Verhandlung ist ein Baubewilligungsbescheid zu erlassen, in dem die Bedingungen festzusetzen sind, die bei der Durchführung des Bauentwurfes vom Standpunkt der öffentlichen und der als begründet erkannten Interessen der Beteiligten zu erfüllen sind.

(5) Die Baubewilligung gilt auch für die Errichtung allfälliger Brücken und sonstiger Straßenbauwerke nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung

(6) Bei Neuanlage, Umgestaltung und Umlegung von Gemeindestraßen und Wegen ist das vorangeführte Verfahren durch den Gemeinderat durchzuführen. Die Landesregierung ist vor Ausschreibung der Verhandlung über das Bauvorhaben gutachtlich zu hören und zu dieser einzuladen. Den Baubewilligungsbescheid erläßt der Gemeinderat.

(7) Das in den vorstehenden Absätzen vorgeschriebene Verfahren kann entfallen, wenn es sich um Bauvorhaben geringen Umfanges handelt und fremde Interessen nicht berührt werden oder über sie eine Einigung erzielt wurde."

Die Beschwerdeführer verweisen richtig darauf, daß die Gehsteigverbreiterung nur auf Kosten ihres Grundstückes vorgenommen werden kann, sohin, daß ein Teil ihrer Parzelle zu enteignen sein würde. Der von der Behörde herangezogene § 6 LStG bietet aber keine Grundlage für einen Eingriff in Privatrechte. Die Enteignung ist in den §§ 7 bis 10 LStG geregelt; daß die Behörde ein solches Verfahren durchgeführt hätte, ist dem Akt nicht zu entnehmen.

Die Baubewilligung nach § 6 LStG erfordert - im Gegensatz zu § 96 Abs. 1 Z. 2 der Bauordnung für Niederösterreich 1976 - KEINE Zustimmung des Grundeigentümers, weil sie nicht geeignet ist, in Sachenrechte einzugreifen. Daraus folgt aber, daß allein durch eine straßenrechtliche Bewilligung eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch Eingriff in sein Eigentum nicht erfolgt sein konnte. Die Realisierung der Gehsteigverbreiterung auf Kosten der Beschwerdeführer kommt erst nach rechtskräftiger Enteignung in Betracht.

Allerdings verweisen die Beschwerdeführer zutreffend darauf, daß im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde keine rechtskräftige Bewilligung der Straßenverbreiterung vorlag. Damit fehlt aber die Grundlage, das hier gegenständliche Bauvorhaben nach den Kriterien des § 6 Abs. 1 LStG, allenfalls § 6a LStG zu beurteilen. Die belangte Behörde konnte am 27. September 1990 anläßlich der Berufungsentscheidung, als keine aufrechte Bewilligung zur Straßenverbreiterung vorlag, nicht die im § 6 Abs. 1 geforderte Abwägung der durch den Bauentwurf berührten Interessen vornehmen, weil insbesondere die Erforderlichkeit einer Gehsteigverbreiterung (in Wahrheit: - verschiebung) als Folge einer Straßenverbreiterung nicht feststand.

Die belangte Behörde hat von der damals gegebenen Möglichkeit, über die Berufung im Straßenverbreiterungsverfahren und im vorliegenden Verfahren in einem Bescheid zu entscheiden, keinen Gebrauch gemacht. Sie belastete aber jedenfalls, als sie über eine Gehsteigverbreiterung als Teil eines nichtbewilligten Straßenbauvorhabens entschied, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 1 AVG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Diese Kostenbestimmungen erfassen den Ersatz des Schriftsatzaufwandes für die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, nicht aber den Ersatz des allein durch die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verursachten Aufwandes. Stempelgebühren waren nur im tatsächlich erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991050085.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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