TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/16 93/08/0031

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Veröffentlicht am 16.11.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/01 Arbeitsvertragsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ASVG §175 Abs3 Z2;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
BSVG §1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs2;
LAG §2 Abs1 Z1;
LAG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des G in F, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 3. Dezember 1992, Zl. 123.999/4-7/92, betreffend Versicherungspflicht in der Unfallversicherung der Bauern (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem als Forstfacharbeiter im Gutsbetrieb des M beschäftigten Beschwerdeführer wurden aufgrund einer sogenannten "Dienstlandvereinbarung" vom Dienstgeber landwirtschaftliche Flächen im Ausmaß von 1,05 ha zur Eigenbewirtschaftung gegen einen "jährlichen Dienstlandrückersatz" von S 350,25 (dabei handelt es sich um anteilige Grundsteuer, die der Dienstgeber für diese Fläche zu entrichten hat), im übrigen aber unentgeltlich "ab 1.3.1991" überlassen. In dieser Vereinbarung vom 2. Mai 1991 heißt es u.a., daß die Überlassung "freiwillig und nicht in Anrechnung auf die sonstigen lohnrechtlichen Ansprüche" erfolge und durch die Überlassung der landwirtschaftlichen Flächen in keinem Fall ein Pachtverhältnis begründet werde. Weiters heißt es in dieser Vereinbarung auszugsweise:

"4.)

Die Grundstücke sind durch landesübliche Bewirtschaftung in gutem Zustand zu erhalten. Die Umwandlung der Kulturgattung, insbesondere von Wiese auf Acker, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der Forstverwaltung. Eine solche Umwandlung ist bei Auflösung der Dienstlandvereinbarung wieder rückgängig zu machen.

Der Viehbestand ist der Größe des Dienstlandes anzupassen. Jede wesentliche Veränderung desselben ist der Forstverwaltung zu melden. Fremdes Vieh darf ohne Zustimmung der Forstverwaltung nicht aufgenommen werden. Notwendige Zäune sind auf Kosten des Dienstlandnehmers herzustellen bzw. instandzuhalten. Lediglich das benötigte Zaunholz wird von der Forstverwaltung unentgeltlich am Stock zugewiesen.

Vorhandene Obstbäume sind zu pflegen und zu schützen. Für vom Dienstlandnehmer gepflanzte Obstbäume besteht bei Auflösung dieser Vereinbarung kein Anspruch auf Ersatz oder Ablöse.

...

6.)

Der Dienstlandnehmer bewirtschaftet das ihm zur Verfügung gestellte Dienstland selbstverantwortlich. Der Dienstgeber übernimmt daher keinerlei Haftung für Schäden welcher Art und an wen auch immer, welche im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des Dienstlandes entstehen.

Der Wert des Dienstlandes unterliegt mit dem Unterschiedsbetrag zwischen amtlichen Wert und Rückersatz als Entgelt bzw. Vorteil aus dem Dienstverhältnis den Lohnabgaben, wie Sozialversicherung und Lohnsteuer.

Dadurch unterliegt diese Bewirtschaftung aber auch der Unfallversicherung gemäß ASVG. Dies gilt sowohl für den Dienstlandnehmer als auch für die mittätigen Familienangehörigen im gemeinsamen Haushalt.

Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und die Lohnsteuer werden im Rahmen der Sachbezugsbewertung bei der Lohn- bzw. Gehaltsverrechnung monatlich in Abzug gebracht.

7.)

Die Grundstücke können vom Dienstgeber jederzeit im Rahmen des Betriebsablaufes unter möglichster Schonung benützt werden. Im Falle von Beschädigungen der Grundstücke oder landwirtschaftlichen Kulturen durch einen betrieblichen Einsatz steht dem Dienstlandnehmer eine entsprechende Entschädigung zu.

8.)

Die Weitergabe des Grundes oder von Teilen desselben an Dritte

ist untersagt. ...

9.)

Diese Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, ist aber an ein aufrechtes Dienstverhältnis gebunden. Sie läuft nur dann weiter, wenn das Dienstverhältnis wegen vorübergehender Arbeitslosigkeit zeitweise unterbrochen wird.

10.)

Während seiner Laufzeit kann diese Vereinbarung jederzeit von beiden Seiten mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Eine Kündigung gilt dann aber auch für die mit der Dienstlandwirtschaft verbundene Dienstwohnung. Im Falle das gegenständliche Dienstland dann anderweitig vergeben wird, wird dem Dienstnehmer eine andere Dienstwohnung zugewiesen. Im Falle von Grundinanspruchnahme wegen des Baues von Straßen, Häusern oder Grundstückseinrichtungen sowie bei Grundverkäufen oder Grundablösen ist von seiten der Forstverwaltung auch eine sofortige Auflösung ohne Kündigungsfrist möglich. In so einem Fall wird aber von seiten der Forstverwaltung getrachtet werden, entsprechende Ersatzflächen zur Verfügung zu stellen. Bezüglich des Ausfalles von Ernteerträgen siehe Punkt 11.).

11.)

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses - aus welchem Grund immer - wird diese Vereinbarung zum gleichen Zeitpunkt automatisch aufgelöst. Bezüglich des allfälligen Ausfalles von Ernteerträgen gelten die diesbezüglichen Bestimmungen der Stmk. Landarbeitsordnung."

In einer bei der mitbeteiligten Partei aufgenommenen Niederschrift vom 13. Mai 1991 gab die Ehegattin des Beschwerdeführers u.a. an:

"Wir haben seit 1.10.90 vom Dienstgeber des Gatten ca. 2 ha Wiesen zur Nutzung erhalten. Ob es sich hiebei um einen Deputatgrund oder einen Pachtgrund handelt, kann ich nicht sagen. Wir mähen das Gras und verfüttern dieses, auch das Heu an unsere drei Stück Vieh (eine Kuh, eine Kalbin, ein Kalb). Da die überlassene Grundfläche bewirtschaftet wird und auch Vieh aufgezogen wird, wurde ich informiert, daß eventuell Unfallversicherungsbeiträge zu zahlen sind bzw. Versicherungspflicht besteht.

...

Die Milch wird selbst verwendet, das Kalb wird voraussichtlich

verkauft. Wir haben ... deshalb eine trächtige Kuh verkauft, um

die Aufzucht zu betreiben. ..."

Aufgrund einer diesbezüglichen Anfrage der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt gab der Beschwerdeführer am 30. Juli 1991 bekannt, daß er seit 24. September 1990 eine Viehhaltung, bestehend aus einer Kuh, einer Kalbin und einem Kalb, betreibe.

Mit Bescheid vom 6. September 1991 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern fest, daß für den Beschwerdeführer ab 24. September 1990 gemäß § 3 des Bauernsozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 559/78, Pflichtversicherung in der Unfallversicherung bestehe. In der Begründung heißt es, die Erhebungen hätten ergeben, daß der Beschwerdeführer sich durch den Kauf einer Kuh am 24. September 1990 "bzw. in der Folge durch eine Kälbin und ein Kalb einen Viehstand, der der Befriedigung eigener Bedürfnisse dient", halte. Die Viehhaltung sei grundsätzlich eine Tätigkeit der land(forst)wirtschaftlichen Produktion, wobei das Ausmaß der zur Verfügung stehenden land(forst)wirtschaftlichen Flächen für die Führung dieses Viehstandes unerheblich sei. Auch eine "Zwergwirtschaft" könne alle Merkmale eines landwirtschaftlichen Betriebes besitzen. Dies treffe im Falle des Beschwerdeführers zu.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, worin er unter anderem ausführte, er sei im Forstbetrieb M in F als Forstarbeiter beschäftigt und bekomme im Rahmen dieses Dienstverhältnisses - wie auch andere Mitarbeiter - neben einer Dienstwohnung mit entsprechenden Nebengebäuden auch Acker- und Grünflächen im Ausmaß von ca. 3 ha zur Bewirtschaftung überlassen. Dies werde gebräuchlicherweise als "Dienstland" oder "Deputatlandwirtschaft" bezeichnet. Die Überlassung von Grün- bzw. Weideland setze eine Viehhaltung geradezu voraus bzw. sei eine solche mit dieser Art der Landwirtschaft untrennbar verbunden. Von einem eigenständigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb könne man allein deswegen schon nicht sprechen, weil im Falle des Beschwerdeführers kein Pachtverhältnis vorliege, die Dauer der Bewirtschaftung mit der Dauer des Dienstverhältnisses gekoppelt sei, der Dienstgeber sich Eingriffsmöglichkeiten vorbehalte, insbesondere in der Kulturgattung, sowie weil kein eigener Einheitswert festgestellt sei und auch keine Zugehörigkeit zur Landwirtschaftskammer vorliege. Der Sachbezugswert der Deputatlandwirtschaft werde als Entgelt monatlich in die ASVG-Beitragsgrundlage einbezogen. Somit sei die Zuständigkeit der AUVA eindeutig gegeben. Deswegen würden Unfälle bei der Bewirtschaftung von Deputatlandwirtschaften einschließlich Viehhaltung dort auch als Arbeitsunfälle anerkannt. Im übrigen beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme des Dienstgebers und beantragte, den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Der Landeshauptmann von Steiermark wies den Einspruch mit Bescheid vom 23. Juni 1992 ab und begründete diesen Bescheid im wesentlichen damit, daß die Viehhaltung eine Tätigkeit der landwirtschaftlichen Produktion sei, wobei das Ausmaß der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen (Deputatflächen) für das Halten dieses Viehstandes unerheblich sei. Wenn es sich im vorliegenden Fall nur um eine "Zwergwirtschaft" handle, so weise sie dennoch alle Merkmale eines landwirtschaftlichen Betriebes auf. Der Beschwerdeführer sei daher gemäß § 3 BSVG in der Unfallversicherung der Bauern pflichtversichert und zwar ohne Rücksicht auf eine Einheitswertuntergrenze. Eine allfällige Pflichtversicherung nach dem ASVG stelle keinen Grund für eine Ausnahme von der Pflichtversicherung nach dem BSVG dar.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 3. Dezember 1992 keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen; die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 BSVG regelt dieses Bundesgesetz u.a. die Kranken- und Pensionsversicherung sowie die Unfallversicherung der im Inland in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen und ihrer mittätigen Angehörigen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 Satz 1 BSVG sind Personen pflichtversichert, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 BSVG sind in der Unfallversicherung aufgrund dieses Bundesgesetzes soweit es sich um eine natürliche Person handelt, die in § 2 Abs. 1 Z. 1 genannten Personen pflichtversichert.

Gemäß § 3 Abs. 2 BSVG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 296/1990) besteht die Pflichtversicherung nach Abs. 1 nur, wenn es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb handelt, dessen zuletzt im Sinne des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellter Einheitswert den Betrag von S 2.000,-- erreicht oder übersteigt oder für den ein Einheitswert aus anderen als den Gründen des § 25 Z. 1 des Bewertungsgesetzes nicht festgestellt wird. Handelt es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, dessen Einheitswert den Betrag von S 2.000,-- nicht erreicht, so besteht die Pflichtversicherung für die betreffenden Personen, vorausgesetzt, daß sie aus dem Ertrag des Betriebes überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Gemäß § 5 Abs. 1 Landarbeitsgesetz 1984, BGBl. Nr. 287, sind die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre (näher bezeichneten) Nebenbetriebe. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei.

Im Verfahren ist nicht strittig, daß der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum aufgrund eines Arbeitsvertrages als Dienstnehmer des eingangs erwähnten Dienstgebers im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG versicherungspflichtig beschäftigt war und der zuständige Krankenversicherungsträger für das ihm überlassene "Dienstland" einen Sachbezugswert im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG beitragspflichtig angerechnet hat.

Zu untersuchen ist hingegen, ob der Beschwerdeführer aufgrund der Bewirtschaftung dieses "Dienstlandes" auch der Unfallversicherungspflicht in der Sozialversicherung der Bauern im Sinne des § 3 BSVG unterliegt. Nach den - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - Feststellungen der belangten Behörde hat er "auf seinem Deputat eine Viehhaltung mit einer Kuh, einer Kälbin und einem Kalb" betrieben, die er "im eigenen Namen und auf eigene Rechnung angeschafft" habe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das grundlegende Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051 mit zahlreichen Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung, sowie aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197) kommt es für die Frage der Unfallversicherungspflicht des Beschwerdeführers nach den genannten Bestimmungen des BSVG u.a. entscheidend darauf an, ob er als selbständig Erwerbstätiger in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb anzusehen ist, wobei es an sich ausreicht, daß eine land(forst)wirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinne entfaltet wird. Die Absicht sowie die Möglichkeit einer Gewinnerzielung sind dabei nicht entscheidend (vgl. neben dem erwähnten Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051, aus der älteren Rechtsprechung die Erkenntnisse vom 27. Oktober 1961, Slg. Nr. 5654/A, und vom 22. März 1972, Slg. Nr. 8197/A, sowie die Erkenntnisse vom 23. Mai 1985, Zl. 83/08/0131, und vom 13. Oktober 1988, Zl. 86/08/0196).

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Haltung von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse (die diesbezügliche Zweckwidmung der Viehhaltung steht im Beschwerdefall nicht in Frage) an sich eine landwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 des Landarbeitsgesetzes 1984 ist, und zwar unabhängig davon, ob sie auf eigenen oder auf fremden Grundflächen oder ohne solche Grundflächen (mittels zugekauften Futters) erfolgt (so schon zur ähnlichen Begriffsumschreibung der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit in Art. V lit. a des Kundmachungspatentes zur Gewerbeordnung - in Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit - das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1959, Slg. Nr. 5094/A). Da der Beschwerdeführer auch nicht bestreitet, daß die Haltung der von ihm angeschafften Nutztiere auf seine Rechnung und Gefahr erfolgt, wäre die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers (und zwar unabhängig davon, ob er die gewonnenen tierischen Produkte veräußert oder im eigenen Haushalt verbraucht: vgl. das Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zl. 08/2663/79) unter zwei Voraussetzungen zu bejahen: Daß (erstens) der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers S 2.000,-- zumindest erreicht oder er aus dem Ertrag des Betriebes überwiegend seinen Lebensunterhalt bestreitet, sowie (zweitens), daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers unter den konkreten rechtlichen Umständen als eine selbständige Erwerbstätigkeit anzusehen ist (zum Erfordernis der Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeit als selbständige Erwerbstätigkeit vgl. das wiederholt zitierte Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051, und die darin zitierte Rechtsprechung).

Was den Einheitswert betrifft vermag der Verwaltungsgerichtshof den Hinweis der belangten Behörde auf

"§ 3 zweiter Satzteil, dritter Fall "... ein Einheitswert nicht

festgestellt wird ..."" (der in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht näher erläutert wird, aber die Entgegnung der belangten Behörde auf den Berufungseinwand des Beschwerdeführers darstellt, es sei für seinen Betrieb kein Einheitswert festgestellt worden) nicht nachzuvollziehen: Die Versicherungspflicht in der Unfallversicherung bei Fehlen eines von den Finanzbehörden festgestellten Einheitswertes besteht nur unter der Voraussetzung, daß die Feststellung eines Einheitswertes aus anderen als den Gründen des § 25 Abs. 1 Z. 1 des Bewertungsgesetzes unterblieben ist. Da nach der genannten Bestimmung des Bewertungsgesetzes ein Einheitswert unter anderem bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen nicht festzustellen ist, wenn dieses geringer ist als S 2.000,--, setzt die Anwendung des "dritten Falles" des § 3 Abs. 2 BSVG die Ermittlung der Gründe voraus, aus denen das Finanzamt einen Einheitswert für den Beschwerdeführer nicht festgesetzt hat bzw. - wenn diese Gründe nicht ermittelbar sein sollten - die Ermittlung eines Einheitswertes des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde. Nur wenn dieser S 2.000,-- erreicht oder übersteigt, könnte nämlich davon ausgegangen werden, daß eine Feststellung des Einheitswertes aus anderen als den in § 25 Abs. 1 Bewertungsgesetz genannten Gründen unterblieben ist. Auf das Erreichen eines solchen Einheitswertes käme es nur dann nicht an, wenn zumindest feststünde, daß der Beschwerdeführer aus dem Ertrag des Betriebes überwiegend seinen Lebensunterhalt bestritten hat.

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall jedoch weder die Gründe ermittelt, aus denen ein Einheitswert für den landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers nicht festgestellt wurde, noch erhoben, ob der Beschwerdeführer aus dessen Ertrag überwiegend seinen Lebensunterhalt bestreitet, sodaß das Verfahren - auch auf dem Boden der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung - ergänzungsbedürftig geblieben ist.

Darüber hinaus indiziert der Sachverhalt des Beschwerdefalles im Lichte des Vorbringens des Beschwerdeführers auch eine nähere Untersuchung der Frage, ob der Beschwerdeführer (ungeachtet der Ausübung der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit der Viehhaltung) überhaupt als selbständig Erwerbstätiger im Sinne der §§ 1 in Verbindung mit 2 Abs. 1 Z. 1 und 3 Abs. 1 Z. 1 BSVG anzusehen ist. Nur dann käme nämlich eine Pflichtversicherung nach dem BSVG für ihn überhaupt in Betracht.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seines Dienstverhältnisses pflichtversichert im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG. Gemäß § 175 Abs. 1 ASVG sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Gemäß § 175 Abs. 3 Z. 2 ASVG gelten in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb als Arbeitsunfall auch Unfälle, die sich

"bei der Arbeit in der Land- oder Forstwirtschaft oder im Haushalt der ständig im Betrieb beschäftigten Dienstnehmer, die als Entgelt vom Betriebsinhaber Grundstücke oder sonstige Betriebsmittel zur eigenen land(forst)wirtschaftlichen Erzeugung erhalten und aus dieser Erzeugung einen wesentlichen Teil des Unterhaltes bestreiten."

Der vom Beschwerdeführer zur Begründung seiner Rechtsauffassung ins Treffen geführte § 175 Abs. 3 Z. 2 ASVG scheint zumindest ein Hinweis dafür zu sein, daß der Gesetzgeber die "Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft der ständig im Betrieb beschäftigten Dienstnehmer, die als Entgelt vom Betriebsinhaber Grundstücke oder sonstige Betriebsmittel zur eigenen land(forst)wirtschaftlichen Erzeugung erhalten" der versicherten unselbständigen Erwerbstätigkeit dieser Dienstnehmer im Betrieb des Dienstgebers zugeordnet hat.

Auch zählen "Naturalbezüge - insbesondere Deputate, Kost, Wohnung, Landnutzung und Viehhaltung" - gemäß § 8 Abs. 2 LAG zum Entgelt im Sinne des Landarbeitsgesetzes. Wird als Teil des Naturallohnes Landnutzung und Viehhaltung gewährt, so richten sich die Art, Beschaffenheit und Ausmaß dieser Naturalbezüge nach der Vereinbarung oder mangels einer solchen nach dem Ortsgebrauch (§ 20 Abs. 1 Landarbeitsgesetz; für das Dienstverhältnis der Gutsangestellten enthalten die §§ 5 Abs. 2 und 14 des Gutsangestelltengesetzes entsprechende Regelungen).

Eine dem § 175 Abs. 3 Z. 2 ASVG entsprechende Bestimmung fehlte im ehemaligen Österreichischen Sozialversicherungsrecht vor 1939 (vgl. etwa die §§ 175, 176 bzw. 241 des GSVG 1938, BGBl. Nr. 1, bzw. ihrer Vorläuferbestimmungen im GSVG, BGBl. Nr. 107/1935, sowie die §§ 59 und 60 des für die Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft ehemals geltenden Landarbeiterversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 235/1928), sie war jedoch bereits im Stammgesetz des ASVG enthalten und entspricht nahezu wörtlich der von 1939 bis 1955 geltenden Vorschrift des § 916 Abs. 1 Z. 2 RVO (nunmehr: § 777 Z. 2 RVO), wonach die "Landwirtschaft und die Haushaltung" der im Unternehmen Beschäftigten, die als Entgelt vom Unternehmer Grundstücke oder sonstige Betriebsmittel zur eigenen landwirtschaftlichen Erzeugung erhalten und aus dieser Erzeugung einen wesentlichen Teil ihres Unterhaltes bestreiten, als Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens gelten. Als Normzweck dieser Bestimmung wird die Ausdehnung des Versicherungsschutzes (unselbständiger Erwerbstätiger) auf Tätigkeiten genannt, die nach den tatsächlichen Verhältnissen in der Landwirtschaft in enger räumlicher und sachlicher Beziehung zum Unternehmen stehen und bei denen vor allem eine Trennung zwischen Unternehmen und eigenwirtschaftlichem Bereich noch schwieriger als sonst wäre (vgl. dazu Ricke in: Kasseler Kommentar zum Sozialgesetzbuch, § 777 RVO, RdNr. 2). Die Deputatwirtschaft komme wirtschaftlich dem Landwirt (ergänze: als Dienstgeber) zugute. Dies rechtfertige es, das Unfallrisiko aus der Deputatwirtschaft einschließlich der Haushaltung dem landwirtschaftlichen Unternehmen des Arbeitgebers zuzuweisen, sodaß der Beschäftigte mit der Deputatwirtschaft nicht selbst versicherungspflichtig und beitragspflichtiger Landwirt werde, sondern als unselbständiger Erwerbstätiger versichert bleibe (Kasseler Kommentar, aaO, RdNr. 12).

Schließlich erstreckt sich der persönliche Wirkungsbereich der Steiermärkischen Kammer für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftskammergesetzes, Stmk LGBl. Nr. 14/1970, im wesentlichen auf die Eigentümer, Fruchtnießer und Pächter landwirtschaftlicher Betriebe bzw. Grundstücke, sohin nicht auch auf Personen, die land- und forstwirtschaftliche Grundstücke aufgrund eines Dienstlandvertrages der vorliegenden Art bewirtschaften (vgl. die bei im wesentlichen gleicher Rechtslage zu § 3 des Steiermärkischen Bauernkammergesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 58/1958 ergangenen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1960, VfSlg. 3753, und des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Jänner 1962, Slg. Nr. 5700/A).

Diese Überlegungen teils rechtlicher, teils tatsächlicher Natur schließen es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht von vornherein aus, daß ein im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb seines Dienstgebers beschäftigter Dienstnehmer auf Grundstücken, die ihm als Dienstland (Deputatland) überlassen werden, eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne der §§ 1 und 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG entfaltet und damit gemäß der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Versicherungspflicht (zumindest) in der Unfallversicherung nach dem BSVG unterliegt. Es ist aber in jenen Fällen, in denen eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit aufgrund einer Dienstlandvereinbarung verrichtet wird, jeweils zu untersuchen, ob dem Dienstnehmer aufgrund der konkret getroffenen Vereinbarungen eine der Selbständigkeit entsprechende Rechtsstellung (zumindest) ähnlich der eines Pächters zukommt oder ob seine Rechtsstellung in bezug auf das "Dienstland" durch das Verhältnis der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit zum Dienstgeber geprägt wird.

Der im Beschwerdefall zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Dienstgeber abgeschlossene Dienstlandvertrag gibt dem Beschwerdeführer im wesentlichen nur das Recht, auf genau bezeichneten, im Eigentum des Dienstgebers stehenden landwirtschaftlichen Flächen gegen anteiligen Ersatz der Grundsteuer eigenes Vieh weiden zu lassen. Zu dieser "landesüblichen Bewirtschaftung" ist der Beschwerdeführer nach Punkt 4.) des Vertrages auch verpflichtet, wobei jedoch eine Umwandlung der Kulturgattung ohne Zustimmung der Forstverwaltung unzulässig ist. Er ist verpflichtet, eine wesentliche Änderung des Viehstandes der Forstverwaltung zu melden und darf fremdes Vieh ohne Zustimmung der Forstverwaltung nicht aufnehmen. Der Dienstlandvertrag wurde zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann jedoch von beiden Seiten jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden; er endet jedenfalls mit dem Ende des Dienstvertrages. Überdies ist der Dienstgeber berechtigt, den Dienstlandvertrag ohne Einhaltung einer Frist bei bestimmten Fällen des Eigenbedarfes aufzulösen; diesem Recht steht eine bloße Bemühungszusage, entsprechende Ersatzflächen zur Verfügung zu stellen, gegenüber.

Nach dieser Vertragsgestaltung hat sich der Dienstgeber während der Dauer der Landüberlassung an den Beschwerdeführer eine weitreichende, fortdauernde Verfügbarkeit der Grundflächen

-

seinen jeweiligen Interessen entsprechend - gesichert und den Dienstlandvertrag überdies eng an den Bestand des Arbeitsverhältnisses gebunden. Die Überlassung des Dienstlandes erfolgt insbesondere nicht (zumindest) für einen solchen Zeitraum, der in etwa den jeweils in Betracht kommenden Richtpachtzeiten des § 5 Landpachtgesetz entspricht, wodurch eine planmäßige, nachhaltige Eigenbewirtschaftung, wie sie dem Pächter möglich ist, dem Beschwerdeführer nicht gewährleistet ist. Ungeachtet des Vorliegens mancher Elemente eines Pachtvertrages enthält der vorliegende Vertrag gewisse Parallelen zur Einräumung einer Naturalwohnung, insbesondere in seiner engen Anbindung an den Arbeitsvertrag (vgl. dazu etwa Krejci in Rummel I2, § 1151 RdZ 115). Es liegt nämlich (da wie dort) eine Vertragskoppelung mit dem Arbeitsvertrag in der Weise vor, daß der Dienstlandvertrag eine (zusätzliche) Gegenleistung des Dienstgebers mit Entgeltcharakter für die vom Dienstnehmer erbrachten Dienste und insoweit unselbständiger Teil der zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschwerdeführer bestehenden arbeitsrechtlichen Vereinbarungen ist. Es muß daher

-

bei Beurteilung der Frage, ob die Nutztierhaltung des Beschwerdeführers als selbständige Erwerbstätigkeit anzusehen ist - das Gesamtbild der vertraglichen Vereinbarungen (d.h. unter Einbeziehung des Arbeitsvertrages) beurteilt werden. Nach diesem Gesamtbild der Beschäftigung des Beschwerdeführers

-

auch wenn die Viehhaltung von drei Stück Vieh auf eigene Rechnung und Gefahr erfolgt - kann der von einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne der §§ 1 und 2 Abs. 1 BSVG keine Rede sein. Auch die "selbständige" landwirtschaftliche Tätigkeit des Beschwerdeführers wird vielmehr - wie auch die unterschiedliche Gewichtung der Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers im Verhältnis zu jenen des Beschwerdeführers im Dienstlandvertrag zeigt - maßgebend von seinem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zum Dienstgeber geprägt. Ob die Einräumung einer eher dem Pächter angenäherten Rechtsstellung (insbesondere im Hinblick auf die Bestimmungen des Landpachtgesetzes) oder ein entsprechend größerer Umfang der landwirtschaftlichen Tätigkeit (etwa wenn daraus überwiegend der Unterhalt des Beschwerdeführers bestritten würde) zu einer anderen Beurteilung unter dem Blickwinkel der Versicherungspflicht nach dem BSVG führen könnten, kann im Beschwerdefall - mangels entsprechender Anhaltspunkte in den Verwaltungsakten - unerörtert bleiben.

Da die belangte Behörde somit unter Zugrundelegung des von ihr festgestellten Sachverhaltes die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers in der Unfallversicherung nach dem BSVG zu Unrecht bejaht hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das auf Ersatz der Stempelgebühren gerichtete Kostenmehrbegehren war im Hinblick auf die in § 44 Abs. 1 Z. 2 BSVG auch für das gerichtliche Verfahren vorgesehene sachliche Abgabenfreiheit abzuweisen.

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Beschäftigung gegen EntgeltSachverhalt SachverhaltsfeststellungBesondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht VertragsrechtDienstnehmer Begriff Einzelne Berufe und Tätigkeiten Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993080031.X00

Im RIS seit

27.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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