TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/17 90/17/0400

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Veröffentlicht am 17.11.1993
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;

Norm

BauO Graz 1881 §13 idF vor 1998/014;
BauO Stmk 1968 §6a Abs1;
BauO Stmk 1968 §6a Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde der E in H (Beschwerde versehen mit der Unterschrift des Dr. V, Rechtsanwalt in M), gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. September 1990, Zl. A 8-K-265/1988-12, betreffend Aufschließungsbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes in Graz, S-Straße, EZ 617, mit den Grundstücken Nr. 306/23 und 306/24.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz - Magistrat Graz, Baurechtsamt - vom 22. Juni 1988 wurde der Beschwerdeführerin die Widmung des genannten Grundstückes (erg.: als Bauplatz) bewilligt. In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, der gemäß § 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 anläßlich der erstmaligen Widmung eines Grundstückes zu erhebende Aufschließungsbeitrag werde mit gesondertem Bescheid zur Vorschreibung gelangen.

Mit weiterem Bescheid des Stadtsenates vom 12. Juli 1988 wurde der Beschwerdeführerin die Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses und einer Kleingarage sowie die nachträgliche Bewilligung (erg.: der Errichtung) eines bereits bestehenden, teilweise unterkellerten Gartenhauses auf den genannten Grundstücken erteilt.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz - Magistrat Graz, Finanzabteilung - vom 4. Juli 1988 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 i.d.F. LGBl. Nr. 130/1974 (Stmk BauO 1968), in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 12. Dezember 1983 aus Anlaß der Widmungsbewilligung vom 22. Juni 1988 ein Aufschließungsbeitrag von S 44.491,-- vorgeschrieben und ausgesprochen, daß der Eintritt der Fälligkeit gesondert bekanntgegeben werde. Mit weiterem Bescheid vom 19. Juli 1988 sprach der Stadtsenat aus, daß der vorgeschriebene Aufschließungsbeitrag zufolge Fertigstellung der Aufschließung des gegenständlichen Bauplatzes und der Rechtskraft des Widmungsbewilligungsbescheides zur Gänze mit dessen Rechtskraft fällig geworden sei. Der letztgenannte Bescheid erwuchs nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung nach der Aktenlage in Rechtskraft.

Gegen den Bescheid vom 4. Juli 1988 erhob die Beschwerdeführerin Berufung und zwar im wesentlichen mit der Begründung, daß im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1987, G 142/87-8 (VfSlg. 11466), das Fehlen einer Widmungsbewilligung für Grundstücke, die in früheren Zeiten bebaut worden seien, für den Fall neuer baubewilligungspflichtiger Maßnahmen die Notwendigkeit einer nachträglichen (und insoweit "erstmaligen") Widmungsbewilligung auslösen möge; ein Sachzusammenhang mit der Leistung von Aufschließungsbeiträgen bestehe aber nicht. Lediglich für ein über das Ausmaß des alten Bauplatzes hinaus in Anspruch genommenes Flächenausmaß sei eine abgabenrechtlich relevante erstmalige Widmung erforderlich und dafür der Aufschließungsbeitrag zu entrichten.

Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 1988 teilte die Beschwerdeführerin mit, daß sie nicht in der Lage sei, eine Bewilligung zur Errichtung der auf den verfahrensgegenständlichen Grundstücken (erg.: bereits VOR Erteilung der Widmungsbewilligung) befindlichen Bauwerke vorzulegen. Ergänzend zur Berufung werde vorgebracht, daß die Liegenschaft im Zeitpunkt der Widmungsbewilligung vom 22. Juni 1988 längst bebaut gewesen sei. Als eine die Zahlungspflicht auslösende "erstmalige Widmungsbewilligung" im Sinne des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 komme nur eine Bauplatzschaffung nach Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1974 in Betracht. Es sei offensichtlich, daß es bei der Erteilung der Widmungsbewilligung nicht zur Schaffung eines Bauplatzes gekommen sei. Selbst der Umstand, daß vielleicht kein Bauakt vorhanden sei, vermöge daran nichts zu ändern.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz - nachdem ein erster, inhaltsgleicher Bescheid vom 6. April 1989 mit hg. Erkenntnis vom 20. April 1990, Zl. 89/17/0079, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben worden war - die Berufung neuerlich als unbegründet ab. Die belangte Behörde führte hiezu im wesentlichen aus, der Verfassungsgerichtshof sei in seinem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 1. Oktober 1987 davon ausgegangen, daß für Grundstücke, die in früheren Zeiten bebaut worden seien, keine förmliche Widmungsbewilligung erteilt worden sei. Für die Entscheidung im zitierten Erkenntnis sei daher nur der Umstand maßgebend gewesen, daß keine Widmungsbewilligung, jedoch eine Baubewilligung vorgelegen sei. Im gegenständlichen Fall befinde sich auf dem mit der Widmungsbewilligung vom 22. Juni 1988 geschaffenen Bauplatz ein teilweise unterkellertes eingeschoßiges Gebäude. Für dieses Objekt habe von der Beschwerdeführerin keine Baubewilligung vorgelegt werden können. Im Zuge der amtswegigen Ermittlung sei festgestellt worden, daß für dieses Objekt weder im Stadtarchiv noch im Baupolizeiamt ein Akt mit einer Baubewilligung aufliege. Nach Mitteilung der Mag.-Abt. 10/3 - Baupolizeiamt sei dieses Gebäude nach 1945 errichtet worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die damals geltende Bauordnung für die Errichtung eines Gebäudes bereits eine Baubewilligung gefordert. Nachdem diese weder von der Beschwerdeführerin vorgelegt werden könne noch eine solche im Bereich des Magistrates aufliege, müsse als erwiesen angesehen werden, daß dieses Objekt ohne Erteilung einer Baubewilligung und daher konsenslos errichtet worden sei. Aus einer konsenslosen Errichtung eines Objektes könne daher nicht die Vermutung einer Erteilung einer Widmungsbewilligung abgeleitet werden. Die Widmungsbewilligung vom 22. Juni 1988 stelle demnach eine erstmalige im Sinne des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 dar, auf Grund derer ein Aufschließungsbeitrag vorzuschreiben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, daß ihr gegenüber der genannte Aufschließungsbeitrag nicht vorgeschrieben werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der durch die am 1. November 1974 in Kraft getretene Bauordnungsnovelle 1974, LGBl. Nr. 130, eingefügte § 6a der Stmk BauO 1968 in der hier anzuwendenden Fassung VOR der am 1. März 1989 in Kraft getretenen Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 14/1989, lautet:

"(1) Für die im Bauland (§ 23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127) gelegenen Grundstücke hat die Gemeinde aus Anlaß der erstmaligen Widmungsbewilligung, soweit nicht eine Verpflichtung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen besteht, einen Aufschließungsbeitrag für Fahrbahnherstellung, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung zu erheben. Der Aufschließungsbeitrag ist gleichzeitig mit der Erteilung der Widmungsbewilligung vorzuschreiben. Der Aufschließungsbeitrag wird zu einem Drittel mit Rechtskraft des Widmungsbescheides, zu einem Drittel zu Beginn der Aufschließungsarbeiten und zu einem Drittel einen Monat nach Fertigstellung der Aufschließung fällig. Ist die Aufschließung zum Zeitpunkt der Erteilung der Widmungsbewilligung fertiggestellt, wird der Aufschließungsbeitrag zur Gänze mit Rechtskraft des Widmungsbescheides fällig.

(2) Für die im Bauland gelegenen Grundstücke, für die eine Widmungsbewilligung, jedoch keine Baubewilligung vorliegt, ist der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Baubewilligung vorzuschreiben. Hinsichtlich der Fälligkeit gilt Abs. 1 sinngemäß. Der Aufschließungsbeitrag darf für dasselbe Grundstück nur einmal vorgeschrieben werden ..."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Auslegung dieser Gesetzesstelle u.a. in seinen Erkenntnissen vom 22. November 1982, Zl. 81/17/0055, vom 28. Jänner 1983, Zl. 82/17/0176, und vom 30. November 1984, Zl. 83/17/0170, befaßt. Allen diesen Erkenntnissen lagen Fälle zu Grunde, in denen sich auf der betreffenden Liegenschaft bauliche Altbestände befanden, sei es - wie in den beiden erstgenannten Fällen - aus dem 19. Jahrhundert, sei es wie im zuletzt genannten Fall um jahrhundertealte Häuser im Zentrum von Graz. In allen diesen Fällen hatten die Eigentümer Um- und Zubauten dieses Altbestandes beantragt; dem Vorbringen der Beschwerdeführer konnte entnommen werden, daß nach einer beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz herrschenden Praxis die Stellung eines Ansuchens um Widmungsbewilligung (§§ 2 und 3 der Stmk BauO 1968) zur Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung für die Um- bzw. Zubauten gemacht wurde. An die sodann erteilte Widmungsbewilligung knüpfte in allen vom Verwaltungsgerichtshof bisher entschiedenen Fällen die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages nach § 6a Stmk BauO 1968 in der genannten Fassung an.

In seinem erstgenannten Erkenntnis vom 22. November 1982, Zl. 81/17/0055, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, wie sich aus der Regelung des § 6a Abs. 2 Stmk BauO 1968 ergebe, verstehe der Gesetzgeber unter dem Begriff der Widmungsbewilligung im Sinne des § 6a leg. cit. nicht nur - wie die damals belangte Behörde vermeine - solche Widmungsbewilligungen, die nach dem Inkrafttreten des § 6a leg. cit. am 1. November 1974 rechtskräftig erteilt gewesen seien, sondern auch jene aus der Zeit vor dem Geltungsbeginn dieser Norm. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen ging der Verwaltungsgerichtshof sodann davon aus, daß auch (gemeint: NUR) eine solche - sei es auch VOR dem 1. November 1974 erteilte - Widmungsbewilligung die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages nach § 6a Abs. 1 leg. cit. hindern könne. Das bloße Vorhandensein einer (eine Widmungsbewilligung nicht einschließenden) Baubewilligung aus dem Jahre 1858 könne daran nichts ändern.

Auch den beiden weiteren oben genannten Erkenntnissen legte der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung zugrunde, daß nur eine - in jenen Fällen nicht vorliegende - Widmungsbewilligung aus der Zeit vor dem 1. November 1974 die Entstehung der Abgabenschuld hindern könne und daß auch bei Altbeständen eine erst nach Inkrafttreten des § 6a leg. cit. erteilte Widmungsbewilligung die Pflicht zur Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages auslöse. In beiden Fällen wurde die Rechtsansicht der damals wie heute belangten Behörde als nicht rechtswidrig erkannt, wobei auch bei im 19. Jahrhundert errichteten Gebäuden bzw. bei solchen, die schon seit mehreren Jahrhunderten bestünden, eine in den Jahren 1980 bzw. 1981 erteilte Widmungsbewilligung als "erstmalige Widmungsbewilligung" im Sinne des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 anzusehen sei, falls nicht das Vorliegen einer früheren Widmungsbewilligung nachgewiesen werde. Eine solche sei in einer bloßen Baubewilligung aus dem Jahre 1896 (Zl. 82/17/0176) nicht zu erblicken.

Demgegenüber hat der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits mehrfach erwähnten, auch in der Beschwerde ins Treffen geführten Erkenntnis vom 1. Oktober 1987, G 142/87, Slg. Nr. 11466, mit welchem § 6a Stmk BauO 1968 in der angegebenen Fassung NICHT als verfassungswidrig aufgehoben wurde, ausgeführt, bei verfassungskonformer Auslegung der Abs. 1 und 2 der genannten Gesetzesstelle sei unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" in Abs. 1 nur die Schaffung eines Bauplatzes NACH Einführung der Abgabepflicht, unter "Widmungsbewilligung" in Abs. 2 jedoch eine solche VOR Einführung dieser Rechtsfolge zu verstehen. Den die Abgabepflicht auslösenden Tatbeständen der Abs. 1 und 2 stehe die im Gesetz nicht erfaßte Fallgruppe der bei Inkrafttreten der Novelle schon bebauten Grundstücke mit der Folge gegenüber, daß sie der Abgabepflicht nicht unterlägen. Eine "erstmalige Widmungsbewilligung" vor Inkrafttreten der Novelle komme weder als Abgabentatbestand im Sinne des § 6a Abs. 1 noch als ein die Abgabepflicht vermeidender (einer neuen Widmung das "Vorrecht" der erstmaligen nehmender) Sachverhalt in Betracht, weil sie unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" den entscheidenden Akt einer Bauplatzschaffung sehe, DIE EINE BEBAUUNG ERST EINLEITEN SOLLE, und daher Altbauten von vornherein ausklammere. Dies entspreche auch der Absicht des Gesetzgebers, wie sich aus den Erläuterungen zum Entwurf der Bauordnungsnovelle 1974 ergebe.

Dort werde nämlich ausgeführt:

"Durch die Ausweisung als Bauland erfahren die in dieses Gebiet fallenden Grundstücke eine wesentliche Wertsteigerung. Gerade im Bauland fallen für die Gemeinden wesentliche finanzielle Aufwendungen für die erforderlichen Aufschließungen an. Es erscheint gerechtfertigt, daß diejenigen, denen die Wertsteigerung zugute kommt, auch an den Aufschließungskosten des Baulandes beteiligt werden ...

Vom in Abs. 1 festgelegten Grundsatz, daß der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Widmungsbewilligung vorzuschreiben ist, soll im Abs. 2 insoferne abgegangen werden, als der Aufschließungsbeitrag auch gleichzeitig mit der Baubewilligung vorgeschrieben werden kann, wenn für die Grundstücke nur eine Widmungsbewilligung vorliegt und ein Aufschließungsbeitrag noch nicht vorgeschrieben wurde. Diese Bestimmung soll jedoch nur für die Übergangszeit wirksam sein."

Hiezu führte der Verfassungsgerichtshof weiter aus, eine solche abzuschöpfende Wertsteigerung bewirke eben nach dem für die Zukunft klar ausgesprochenen Konzept des Gesetzes nur die BAUPLATZSCHAFFUNG, nicht eine sonstige, den bestehenden Zustand festschreibende oder abändernde nachträgliche Widmung. § 6a Abs. 2 leg. cit. sei deshalb nur als Übergangsvorschrift verständlich, die jene kleine Gruppe von Grundeigentümern erfasse, die auf Grund der früheren Widmung vielleicht erst jetzt (über die Baubewilligung) Vorteile schöpften. Einen solchen Vorteil biete eine für Altbauten notwendige nachträgliche Widmung nicht. Abgeschlossene Entwicklungen sollten unberührt bleiben. Es sei auch kein vernünftiger Grund hervorgekommen, der es rechtfertigen könnte, für Grundstücke, die in früheren Zeiten bebaut worden seien, nur deshalb jetzt einen Aufschließungsbeitrag zu fordern, weil seinerzeit eine förmliche Widmungsbewilligung entbehrlich gewesen oder einfach unterblieben sei. Das Fehlen der Widmungsbewilligung möge baurechtlich ein Mangel sein und für den Fall neuer baubewilligungspflichtiger Maßnahmen die Notwendigkeit einer nachträglichen (und insoweit "erstmaligen") Widmungsbewilligung auslösen, ein Sachzusammenhang mit der Leistung von Aufschließungsbeiträgen bestehe aber nicht. Es führe zu einer unverständlichen Ungleichbehandlung, wenn die Nichtanwendung des § 6a Abs. 1 Stmk BauO (arg.: "erstmalige ...") vom Ergebnis einer Nachforschung nach Widmungsbewilligungen oder einer Prüfung des Inhaltes einer alten Baubewilligung auf ihre Vergleichbarkeit mit Widmungsbewilligungen abhänge.

In seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 1987, VfSlg. Nr. 11556, hat der Verfassungsgerichtshof sodann zusammenfassend ausgesprochen, daß als eine die Zahlungspflicht auslösende "erstmalige Widmungsbewilligung" im Sinne des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 nur eine BAUPLATZSCHAFFUNG nach Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1974 in Kraft kommt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt hiezu die Auffassung, daß eine befriedigende und klare Lösung für diesen Fragenkomplex schon (und nur) aus dem Regelungszusammenhang der Abs. 1 und 2 des § 6a leg. cit. in der anzuwendenden Fassung zu gewinnen ist. Es ist hiebei davon auszugehen, daß - wie es auch dem klaren und eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers entspricht - Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle lediglich als Übergangsbestimmung für jene Fälle gedacht ist, bei denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle 1974 für ein Grundstück bereits eine Widmungsbewilligung, jedoch noch keine Baubewilligung vorlag (in diesem Sinne schon das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 88/17/0250, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Daraus folgt für den Abs. 1 dieser Gesetzesstelle, daß diese Bestimmung für den als Normalfall angesehenen Fall gelten solle, daß bisher WEDER eine Widmungsbewilligung NOCH eine Baubewilligung vorlag. Nicht jedoch sollte vom Abs. 1 offenbar der Fall erfaßt werden, in welchem wohl eine Baubewilligung, aber keine Widmungsbewilligung vorlag, zumal der Gesetzgeber davon ausgehen durfte, daß ein solcher Fall nur dann gegeben sein konnte, wenn sich die Baubehörden der Stadt Graz in der Vergangenheit - zumindest was die Zeit nach 1881 anlangt - rechtswidrig verhalten hätten. Denn schon nach § 13 der Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz, LGuVBl. für das Herzogthum Steiermark Nr. 20/1881, war die Widmung eines Grundes zu einem oder mehreren Bauplätzen, bevor um die Baubewilligung für die betreffenden Gebäude angesucht wurde, an die Genehmigung der nach diesem Gesetze zur Erteilung derselben berufenen Behörde gebunden.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Beschwerdefall folgendes:

Wie oben bereits ausgeführt, soll die Bestimmung des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 in der anzuwendenden Fassung für den als Normalfall angesehenen Fall gelten, daß bisher WEDER eine Widmungsbewilligung NOCH eine Baubewilligung vorlag. Genau dieser Fall ist jedoch hier gegeben. Von der Beschwerdeführerin unbekämpft hat die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Aktenlage festgestellt, daß für das auf dem Widmungsgrund bereits bestehende, teilweise unterkellerte, eingeschoßige Nebengebäude eine Baubewilligung nicht bestand. Dies stimmt auch damit überein, daß erst mit dem oben zitierten Bescheid vom 12. Juli 1988 hiefür die nachträgliche Baubewilligung erteilt wurde. Daraus folgt, daß die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages im gegenständlichen Fall nicht rechtswidrig war.

Zum selben Ergebnis würde man aber auch unter Zugrundelegung des im oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Ausdruck gebrachten Gedanken gelangen, wonach unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" im Sinne des § 6a Abs. 1 Stmk BauO 1968 der entscheidende Akt einer Bauplatzschaffung gesehen werden muß, die eine Bebauung erst einleiten soll, denn diesfalls muß unter dieser "Einleitung der Bebauung" deren RECHTLICHE ERMÖGLICHUNG verstanden werden. Durch eine rechtswidrige Errichtung eines Bauwerkes auf einem Grundstück konnte dieses nicht im Sinne obiger Darlegungen zu einem "Bauplatz" werden, oder, mit anderen Worten: Auch wenn sich auf einem Grundstück bereits vor Erteilung der Widmungsbewilligung ein konsenslos errichtetes Bauwerk befand, wurde erst durch diese Widmungsbewilligung die rechtliche Möglichkeit der Bebauung und damit der Bauplatz "geschaffen". Insoweit einige Passagen des mehrfach zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1987 eine andere Auffassung erkennen lassen sollten, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof dem NICHT anzuschließen.

Auch der (von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemachte) Umstand, daß die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages nicht gleichzeitig mit der Erteilung der Widmungsbewilligung erfolgte, belastete den angefochtenen Bescheid nicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. November 1993, Zl. 92/17/0001).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990170400.X00

Im RIS seit

13.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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