Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 31. März 1993, Zl. Vd-16.639/3, betreffend Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit in Rechtskraft erwachsenem Berufungserkenntnis der belangten Behörde vom 9. August 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, vier namentlich genannte ausländische Arbeitskräfte in der Zeit vom 3. Dezember 1989 bis zumindest 20. Februar 1990 in Seefeld in Tirol ohne Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) beschäftigt und es unterlassen zu haben, die Beschäftigten beim zuständigen Sozialversicherungsträger anzumelden. Die dafür verhängten Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 48.000,-- sowie die Verfahrenskosten wurden in der Folge vom Beschwerdeführer bezahlt.
Am 28. Dezember 1992 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens mit der Begründung ein, das Landesarbeitsamt Tirol habe mit vier inhaltsgleichen Bescheiden vom 4. Dezember 1992, dem Beschwerdeführer zugestellt am 14. Dezember 1992, die ursprünglich versagten Beschäftigungsbewilligungen für die vier Ausländer erteilt. Durch die Zustellung dieser Bescheide lägen neue Beweismittel und Tatsachen iS des § 69 Abs. 1 lit. b AVG vor, die einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid, nämlich einen Freispruch, herbeigeführt hätten.
Aus den genannten vier Bescheiden des Landesarbeitsamtes Tirol vom 4. Dezember 1992 geht hervor, daß der Beschwerdeführer am 28. September 1989 Anträge auf Beschäftigungsbewilligungen für die vier Ausländer gestellt hat, die vom Arbeitsamt Innsbruck mit Bescheid vom 23. Februar 1990 abgewiesen worden sind. Den dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufungen hat das Landesarbeitsamt Tirol am 2. Juli 1990 keine Folge gegeben. Mit Erkenntnissen vom 24. Juni 1992 hat jedoch der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die abweisenden Bescheide des Landesarbeitsamtes Tirol in Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes ergangen und daher aufzuheben sind. Das Landesarbeitsamt war deshalb gemäß § 87 Abs. 2 VfGG verpflichtet, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
In Erfüllung dieser Verpflichtung hat das Landesarbeitsamt Tirol im Spruch der vier Bescheide vom 4. Dezember 1992 den Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Arbeitsamtes Innsbruck vom 23. Februar 1990 nunmehr gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben, diese Bescheide aufgehoben und für die vier ausländischen Arbeitskräfte Beschäftigungsbewilligungen "mit dem zeitlichen Geltungsbereich vom 15. Dezember 1992 bis 30. April 1993" erteilt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31. März 1993 wies die belangte Behörde den Wiederaufnahmsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG ab. Nach einer Darstellung des Verfahrensablaufes und der Rechtslage führte die belangte Behörde dazu begründend aus, die Bestrafung des Beschwerdeführers habe den Zeitraum vom 3. Dezember 1989 bis zumindest 20. Februar 1990 betroffen. Die Entscheidungen des Landesarbeitsamtes Tirol vom 4. Dezember 1992 bezögen sich auf einen anderen Zeitraum, sodaß jedenfalls für die Zeit vom 3. Dezember 1989 bis zumindest 20. Februar 1990 Beschäftigungsbewilligungen nicht vorgelegen seien. Es liege somit weder eine vom Landesarbeitsamt Tirol nachträglich anders entschiedene Vorfrage vor, noch seien die Entscheidungen des Landesarbeitsamtes als "neue Tatsachen oder Beweismittel" anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und ausführt, er erachte sich durch den angefochtenen Bescheid "in seinem Recht nach Art. 7 B-VG verletzt".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht gemäß § 69 Abs. 4 AVG der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.
Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Wortlaut des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG darin, daß seinem Wiederaufnahmsantrag nicht stattgegeben worden sei, obwohl die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes iVm den Bescheiden des Landesarbeitsamtes Tirol vom 4. Dezember 1992 "die Voraussetzung des § 69 Abs. 1 AVG erfüllt" hätte. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß "offensichtlich in den Bescheiden des Landesarbeitsamtes Tirol die Beschäftigungsbewilligung für einen Zeitraum erteilt wurde, der, den Grundsätzen der Logik folgend, nicht beantragt worden sein konnte". Die Erteilung dieser Beschäftigungsbewilligungen für Dezember 1992 bis April 1993 hätte unschwer als offensichtlicher Schreibfehler erkannt werden können, sei doch die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Versagung der Beschäftigungsbewilligungen im Zeitraum 15. Dezember 1989 bis 30. April 1990 gerichtet gewesen. Die Wiederaufnahme wäre auf Grund der Bescheide des Landesarbeitsamtes Tirol vom 4. Dezember 1992 trotz Schreibfehlers zu bewilligen gewesen. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe den Sachverhalt aktenwidrig angenommen, weil "die Beschäftigungsbewilligung in Entsprechung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes erteilt wurde und die Verurteilung des Beschwerdeführers sohin auf einer Gesetzesstelle fußte, die wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde". Ein weiterer Verfahrensfehler liege darin, daß die belangte Behörde, wenn sie schon den Schreibfehler nicht als offensichtlich erkannt habe, den vorhandenen Widerspruch (hinsichtlich des betroffenen Zeitraumes) nicht aufgeklärt habe.
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan.
Richtig ist, daß mit den vom Beschwerdeführer als Wiederaufnahmsgrund herangezogenen vier Bescheiden des Landesarbeitsamtes Tirol vom 4. Dezember 1992 die vorerst verweigerten Beschäftigungsbewilligungen für die vier Ausländer erteilt worden sind, allerdings nicht, wie der Beschwerdeführer entgegen dem Spruchwortlaut dieser Bescheide meint, rückwirkend für die Tatzeit (Dezember 1989 bis Jänner 1990), sondern für die Zeit vom 15. Dezember 1992 bis zum 30. April 1993. Abgesehen davon, daß es sich dabei - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht um neu hervorgekommene Beweise handelt, sondern um erst neu entstandene, sind die diesen Bewilligungszeitraum normierenden Bescheide des Landesarbeitsamtes Tirol in Rechtskraft erwachsen und vom Beschwerdeführer offenbar auch nicht bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes angefochten worden; ebensowenig ist es bisher zu einer Berichtigung dieser Bescheide wegen eines (von der belangten Behörde im Gegensatz zum Beschwerdeführer offenbar nicht angenommenen) Schreibfehlers gekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher im vorliegenden Erkenntnis von diesem Bewilligungszeitraum auszugehen, ohne daß es dazu einer Erörterung bedurfte, ob die belangte Behörde damit ihrer Verpflichtung nach § 87 Abs. 2 VfGG entsprochen hat oder wie sie gegebenenfalls auf andere Weise dieser Pflicht zu entsprechen gehabt hätte.
Die Erteilung der Beschäftigungsbewilligungen für die vier Ausländer mit den Bescheiden des Landesarbeitsamtes Tirol vom 4. Dezember 1992 hat demnach nichts an der Berechtigung der dem Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren gemachten Vorwürfe zu ändern vermocht. Die belangte Behörde hat daher zutreffend erkannt, daß die Erlassung dieser nachträglichen Bewilligungsbescheide keinen im Sinne des Vorbringens des Beschwerdeführers tauglichen Wiederaufnahmsgrund bildete.
Es geht aber auch der Vorwurf des Beschwerdeführers ins Leere, die belangte Behörde habe das dem angefochtenen Bescheid vorangegangene Verfahren mangelhaft gestaltet, weil sie den vom Beschwerdeführer behaupteten Widerspruch hinsichtlich des Bewilligungszeitraumes nicht erkannt und aufgeklärt habe. Ein derartiger Widerspruch lag aus der Sicht der belangten Behörde gar nicht vor und wurde auch vom Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht geltend gemacht.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova productaEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993090225.X00Im RIS seit
20.11.2000