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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1175;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/16/0180 92/16/0181 92/16/0182 92/16/0183 92/16/0184 92/16/0185Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des M G,
2. der O G, 3. der Verlassenschaft nach N B, 4. des P G, 5. der
S G, 6. des K P, 7. der D F, alle vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Jänner 1992, GZ. GA 11-794/11/91, GZ. GA 11-794/12/91, GZ. GA 11-794/8/91, GZ. GA 11-794/14/91, GZ. GA 11-794/13/91, GZ. GA 11-794/9/91, GZ. GA 11-794/10/91, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,--, die übrigen beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 2.530,--, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 29. April 1988 teilte die W.KG, deren Gesellschafter die Beschwerdeführer waren, dem Finanzamt E. mit, daß sie ihr gesamtes bewegliches Anlagevermögen, das Weinlager sowie die sonstigen Vorräte an die G. GmbH und die V. GmbH verkauft habe. Mit Vertrag vom 2. März 1988 habe sie auch die Betriebsliegenschaft (EZ. 2088 der KG S) sowie sämtliche Markenrechte an die genannten Gesellschaften verpachtet. Die als Sachvermögen allein verbleibende Liegenschaft werde in das Miteigentum der Gesellschafter zu übernehmen sein; die diesbezügliche Beschlußfassung stehe allerdings noch aus.
Mit der am 10. November 1989 beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern eingelangten Abgabenerklärung gemäß § 10 GrEStG 1987 zeigten die Beschwerdeführer an, daß sie Erwerber des Grundstückes durch Betriebsaufgabe geworden seien. Da der Übergang der Betriebsliegenschaft der W. KG auf die Gesellschafter mittels Betriebsaufgabe erfolge, handle es sich um keinen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang.
Am 13. Dezember 1989 schlossen die Beschwerdeführer eine Vereinbarung, wonach sie sich hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstückes, das noch im bücherlichen Eigentum der W. KG steht, wechselseitig Vorkaufsrechte einräumen und auf eine Zivilteilung verzichten. Punkt 2 dieses Vertrages enthält die Bestimmung, daß infolge Zerfalls der noch protokollierten W. KG die Liegenschaft den beschwerdeführenden Parteien entsprechend ihren Anteilen gehöre.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung zur Feststellung der Gegenleistung für die Übertragung der Liegenschaft der W. KG auf die einzelnen Gesellschafter setzte der Prüfer den Wert der Gegenleistung mit S 3,433.824,84 fest. Dieser Betrag entspreche dem Entnahmewert der Liegenschaft, der in der von der W. KG zum 31. Dezember 1988 erstellten "Liquidations-Schlußbilanz" ausgewiesen werde.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern erließ in der Folge Bescheide, in denen den Beschwerdeführern gegenüber die Grunderwerbsteuer entsprechend ihren Beteiligungsverhältnissen festgesetzt wurde.
In den Berufungen gegen diese Bescheide brachten die Beschwerdeführer vor, die W. KG habe mit der Einstellung der Geschäftstätigkeit, der Veräußerung und Verpachtung der früheren Betriebsmittel ihre Vollkaufmannseigenschaft verloren, sodaß sie ex lege untergegangen sei. Hinsichtlich des Grundstückes verbleibe eine schlichte Miteigentumsgemeinschaft. Da dieser Vorgang nicht unter die Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG 1987 falle, liege kein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vor.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen ab. Als Begründung führte sie an, die Vereinbarung vom 13. Dezember 1989 sowie der in der Abgabenerklärung gemäß § 10 GrEStG 1987 beschriebene Sachverhalt zeigten, daß die Liegenschaft bereits den Gesellschaftern zurechenbar sei. Da die W. KG unstreitig ihre Vollkaufmannseigenschaft verloren habe und die Gesellschafter einvernehmlich Befugnisse, die das Eigentum gewährte, in Anspruch nähmen, verwirkliche dieser Erwerbsvorgang den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1987.
Gegenleistung für die Übernahmen der Liegenschaft sei der Anteil am aufgewerteten Kapital laut "Auseinandersetzungsbilanz". Durch Nachschüsse bzw. Auszahlungen seien die Konten der Gesellschafter auf Null ausgeglichen und die Liegenschaft über Kapitalkonto mit einem Betrag von S 3,433.824,84 verbucht worden. Dieser Wert entspreche der grunderwerbsteuerpflichtigen Gegenleistung und sei auf die einzelnen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung aufzuteilen.
Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Berufungsentscheidungen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Mit den Beschlüssen dieses Gerichtshofes vom 29. September 1992, B 268/92-3, B 269/92-3, B 270/92-3, B 271/92-3, B 272/92-3, B 273/92-3, B 281/92-3, wurde die Behandlung der Beschwerden abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof werden von den Beschwerdeführern inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in den Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die vorher bezeichneten sieben Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und darüber erwogen:
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG 1987 unterliegt der Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, der Grunderwerbsteuer.
Die Beschwerdeführer rügen, daß der streitgegenständliche Erwerbsvorgang keinen der in § 1 GrEStG 1987 genannten Tatbestände erfülle. Insbesondere sei § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG 1987 nicht anwendbar, weil die Beschwerdeführer kein Eigentum an der Liegenschaft erworben hätten; es fehle hiefür am Modus. Da der Eigentumserwerb nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, sondern mittels Einzelrechtsnachfolge erfolge, sei der Modus erst mit der Einverleibung im Grundbuch erfüllt.
Wie den Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen ist, veräußerte die W. KG ihr gesamtes bewegliches Anlagevermögen, das Weinlager sowie die sonstigen Vorräte und verpachtete sämtliche Markenrechte sowie die streitgegenständliche Liegenschaft. Durch diese Veräußerung und Verpachtung des Unternehmens verlor die W. KG die Merkmale eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes. Durch den Wegfall eines ihre Rechtsform bedingenden wesentlichen Begriffsmerkmales (Betrieb eines Vollhandelsgewerbes) wurde die Kommanditgesellschaft ohne Identitätsverlust zu einer Gesellschaft nach bürgerlichen Recht (OGH 15. Juni 1982, 5 OB 657/81; vgl. Schwimann/Jabornegg, ABGB IV/2, § 1175 Rz. 33; Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5 (1990), 54; OGH 20. November 1973, HS 8103; OGH 30. April 1986, GesRZ 1987, 210 f); dies gilt trotz fortbestehender Eintragung der W. KG im Firmenbuch, weil mit der Einstellung des Gewerbebetriebes das Merkmal des Betriebes eines Gewerbes fehlt (vgl. Thiery, Zur Ex-lege-Umwandlung einer OHG (KG) in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GesRZ 1987, 202), woran auch § 5 HGB nichts zu ändern vermag, weil diese Bestimmung einerseits ebenfalls das Weiterbestehen des Betriebs eines Gewerbes verlangt und andererseits im öffentlichen Recht, insbesondere im Steuerrecht nicht anzuwenden ist (vgl. Straube in Straube, Kommentar zum HGB I Rz. 4 und 9 zu § 5 HGB).
Durch die ex-lege-Umwandlung der W. KG in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts tritt automatisch auch ein Wechsel der Vermögenszuständigkeit ein (vgl. Schwimann/Jabornegg, ABGB IV/2, § 1183 Rz. 9; Strasser in Rummel2, Rz. 5 zu § 1183). Während das Vermögen der W. KG im Gesamthandeigentum der Gesellschafter stand (vgl. Kastner/Doralt/Nowotny, aaO. 83; sowie die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1986, 84/16/0155; vom 19. März 1981, 16/0981/80 und vom 13. Oktober 1978, 1902/76), geht es durch den Rechtsformwechsel ohne Übertragungsakt in das bloß obligatorisch gebundene Miteigentum der Gesellschafter über (vgl. OGH 28. Juni 1990, ecolex 1991, 696 f; Strasser in Rummel, ABGB II2, Rz. 4 zu § 1183). Die Gesellschafter der W. KG werden somit kraft Gesetzes nach Maßgabe ihrer Anteile am Gesellschaftsvermögen Miteigentümer des Grundstückes. Die Eigentümereintragung im Grundbuch ist lediglich in der Weise zu berichtigen, daß anstelle der Firma W. KG die einzelnen Gesellschafter eingetragen werden (vgl. OGH 26. Juni 1985, GesRZ 1985, 194 ff; OGH 11. Oktober 1984, SZ 57/156).
Da die Beschwerdeführer - entgegen ihrer Auffassung - Miteigentümer der Liegenschaft durch die (übertragende) Umwandlung der W. KG in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wurden, unterliegt dieser Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG 1987 - und nicht, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides fälschlich angenommen hat, gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG - der Grunderwerbsteuer. Die von den Beschwerdeführern in der Folge geschlossene Vereinbarung, in der sie sich gegenseitig Vorkaufsrechte einräumen sowie auf die Zivilteilung verzichten, kommt für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung keine Relevanz zu.
2. Nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.
Die Beschwerdeführer rügen die Anwendung des § 4 Abs. 1 i. V.m. § 5 GrEStG 1987 sowie die Festsetzung des "Entnahmewertes" der Liegenschaft als Gegenleistung. Da § 5 GrEStG 1987 den vorliegenden Erwerbsvorgang nicht erfasse, greife die Bewertung nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 nicht. Die "Entnahme" der Betriebsliegenschaft sei keine Gegenleistung, weil für die Betriebsaufgabe kein Entgelt geleistet worden sei.
Diesen Einwänden ist entgegenzuhalten, daß gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 die Steuer grundsätzlich vom Wert der Gegenleistung zu berechnen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1990, 89/16/0101). Die Berechnung vom Wert der Gegenleistung wird somit zum Besteuerungsgrundsatz erhoben; die Berechnung vom Wert des Grundstückes ist dagegen - abgesehen von den im Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991, bezeichneten Erwerbsvorgängen - nur in den in § 4 Abs. 2 GrEStG 1987 taxativ aufgezählten Fällen zulässig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. März 1991, 90/16/0021 und vom 1. Juli 1982, 82/16/0047).
Was als Gegenleistung zu verstehen ist, wird im § 5 GrEStG 1987 nicht erschöpfend aufgezählt (vgl. die
hg. Erkenntnisse vom 15. April 1993, 93/16/0056 und vom 20. Juni 1990, 89/16/0101). Der Begriff der Gegenleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 GrEStG ist ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 1993, 93/16/0056). Er umfaßt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstückes gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstückes empfängt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 1992, 91/16/0037, 0038 und vom 21. November 1985, 84/16/0093).
Gegenleistungen für die übertragende Umwandlung, durch die das Vermögen der W. KG kraft Gesetzes auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts übergeht, sind die Übernahme der Schulden sowie der Verzicht auf die Gesellschaftsrechte an dieser Gesellschaft. Diese Leistungen sind im vermögensmäßiger Beziehung als Wertrechte anzusehen (vgl. BFH 25. Jänner 1989, II R 28/86, BStBl. II 466 f). Der Ansicht der Beschwerdeführer, die Umwandlung erfolge ohne Gegenleistung, kann daher nicht beigetreten werden.
Die Verfahrensrüge wurde nicht näher ausgeführt; auch bei amtswegiger Prüfung erkannte der Verwaltungsgerichtshof keine das Ergebnis beeinflussenden Verfahrensverstöße. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992160179.X00Im RIS seit
13.04.2001