TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/18 93/09/0180

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.11.1993
beobachten
merken

Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AMFG §44;
AMFG §44a;
AuslBG §20 Abs3;
AuslBG §23;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. in T, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 13. November 1992, Zl. IIIe 6702 B/865551, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 2. Oktober 1992 beim Arbeitsamt St. Pölten den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen H.K. als "türkischer Konditor" mit einem monatlichen Bruttolohn von S 15.500,--.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 21. Oktober 1992 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung aus folgenden Gründen:

"...

1. das öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interesse die Beschäftigung des Ausländers als Konditor erfordern, da im Betrieb bis jetzt nur Bäcker beschäftigt sind und die Erzeugung von Konditorwaren nicht möglich ist;

2. da uns von Ihrer Seite keine inländischen Arbeitskräfte als ausgebildete Konditor mit eventuellen türkischen Sprachkenntnissen zur Verfügung gestellt werden können;

3. wir als türkisch geleiteter Betrieb hauptsächlich türkische Dienstnehmer beschäftigen und sich mit inländischen Arbeitskräften betriebsinterne Schwierigkeiten ergeben könnten."

Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. November 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 20 Abs. 3 iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge. Nach § 20 Abs. 3 AuslBG entscheide gegen Bescheide des Arbeitsamtes das Landesarbeitsamt nach Anhörung des Verwaltungsausschusses. Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG sei die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulasse und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstünden. Die Beachtung der öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen schreibe auch § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG vor. Es sei daher bei der Entscheidung über einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG nicht der bei einem Arbeitgeber auftretende individuelle Arbeitskräftebedarf allein maßgeblich, sondern es sei insbesondere auf konjunkturelle und strukturelle Beschäftigungsprobleme Bedacht zu nehmen. Ein subjektiv empfundener Arbeitskräftemangel rechtfertige noch nicht die Beschäftigung eines Ausländers, diese werde vielmehr erst dann vertretbar, wenn sie im Einklang mit § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG stehe. Da die für 1992 festgesetzte Landeshöchstzahl für Niederösterreich seit Jänner 1992 überschritten sei und im erstinstanzlichen Verfahren der Vermittlungsausschuß keine einhellige Befürwortung des gestellten Antrags ausgesprochen habe, sei im Beschwerdefall auch das Vorliegen der im § 4 Abs. 6 AuslBG normierten Voraussetzungen erforderlich. Aus mehreren von der belangten Behörde zitierten Arbeitsmarktstudien ergebe sich folgender Schluß: Auf Grund der erwiesenen ungünstigen Entwicklung des Arbeitsmarktes durch die nahezu ungebremste Zulassung von ausländischen Arbeitskräften zum inländischen Arbeitsmarkt in den letzten beiden Jahren müsse als Lehre für die Zukunft die Eindämmung derselben sowohl aus öffentlichen als auch gesamtwirtschaftlichen Interessen erfolgen. Dem entsprächen die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgegebenen Höchstgrenzen der Ausländerbeschäftigung. Die Arbeitsämter und Landesarbeitsämter seien daher gezwungen, im Sinne des § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG Prioritäten nach gesamtwirtschaftlichen Überlegungen zu setzen, vor allem für eine Abdeckung des echten Arbeitskräftebedarfes der Wirtschaft aus dem vorhandenen Arbeitskräftepotential zu sorgen, wodurch der unerwünschte und gesamtwirtschaftlich äußerst bedenkliche Substitutionseffekt - neue Ausländer auf Arbeitsplätzen von Inländern oder längere Zeit in Österreich beschäftigt gewesenen Ausländern - unterbunden werden könnte. Im Beschwerdefall habe die belangte Behörde auf Grund der gegebenen Sach- und Rechtslage iS der gesamtwirtschaftlichen und öffentlichen Interessen keine Tatsachen erkennen können, die die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung gerechtfertigt hätten. Auch die Berufungseinwendungen der Beschwerdeführerin und "die in diesem Zusammenhang durchgeführten weiteren Ermittlungen" hätten kein anderes Ergebnis bewirken können.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit sowie wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§ 4 Abs. 6 AuslBG). Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 22. März 1993 die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeergänzung machte die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, wobei sie insbesondere rügte, ihr sei die Stellungnahme des im Verfahren vor dem Arbeitsamt angehörten Vermittlungsausschusses nicht vorgehalten worden; außerdem habe die belangte Behörde ohne die im Gesetz vorgesehene Anhörung des Verwaltungsausschusses entschieden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und auf § 4 Abs. 6 AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe rechtfertigt die Abweisung der Beschwerde. In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat sich die belangte Behörde auf allgemeine Ausführungen zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage, auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des nach § 4 Abs. 6 AuslBG erschwerten Verfahrens und auf den Hinweis beschränkt, im Beschwerdefall seien keine Tatsachen zu erkennen, die die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung iS gesamtwirtschaftlicher oder öffentlicher Interessen gerechtfertigt hätte.

Die Beschwerdeführerin bringt dazu in ihrer Beschwerde nur vor, ihr sei zum Fehlen einer einhelligen Befürwortung ihres Antrags durch den Vermittlungsausschuß das Parteiengehör nicht gewährt worden; außerdem ergebe sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht, daß der im Berufungsverfahren anzuhörende Verwaltungsausschuß auch tatsächlich angehört worden sei. Mit diesem Vorbringen wird indes eine Rechtswidrigkeit der auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützten Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides durch die belangte Behörde nicht aufgezeigt.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Schon das Arbeitsamt ist in seinem Bescheid vom 21. Oktober 1992 davon ausgegangen, daß der Vermittlungsausschuß die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet habe. Dieser ihr somit bekannten Feststellung ist die Beschwerdeführerin in der Berufung nicht entgegengetreten; eines weiteren diesbezüglichen Vorhaltes im Berufungsverfahren bedurfte es nicht mehr. Unbestritten ist auch die Feststellung der belangten Behörde geblieben, wonach die - im Beschwerdefall mit Rücksicht auf die Erlassung (Zustellung) des angefochtenen Bescheides im Jahre 1992 maßgebliche - Landeshöchstzahl überschritten war. Ausgehend vom Vorliegen dieser Voraussetzungen für das gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG erschwerte Verfahren wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung iS dieser Bestimmung maßgebend hätten sein können (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0284). In diese Richtung ging jedoch nur die Berufungsbehauptung der Beschwerdeführerin, öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen würden die Beschäftigung des H.K. als Konditor erfordern, weil im Betrieb bisher nur Bäcker beschäftigt seien und die Erzeugung von Konditorwaren deshalb nicht möglich sei. Die belangte Behörde hat allerdings mit Rücksicht darauf, daß das damit geltend gemachte Interesse offensichtlich nur dem Einzelbetrieb des Beschwerdeführers dient, zu Recht dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt, daß darin keine für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung ausreichenden öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen gelegen seien, die die Beschäftigung des Ausländers gemäß § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG erforderten. Für das Vorliegen anderer iS des § 4 Abs. 6 AuslBG erforderlicher "besonders wichtiger" Gründe für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung fehlt es sowohl an einem einschlägigen Parteienvorbringen als auch an jedem anderweitigen Hinweis aus den vorgelegten Verwaltungsakten. Die Bestätigung der erstinstanzlichen Abweisung des vorliegenden Antrags durch die belangte Behörde gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ist daher insoweit frei von der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit, weshalb es eines Eingehens auf den weiteren Abweisungsgrund des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht bedurfte.

Gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG entscheidet über Berufungen gegen Bescheide des Arbeitsamtes das Landesarbeitsamt nach Anhörung des Verwaltungsausschusses. Es ist nun der Beschwerdeführerin zuzugeben, daß aus dem angefochtenen Bescheid nicht mit Eindeutigkeit zu entnehmen ist, ob und mit welchem Ergebnis der Verwaltungsausschuß (§ 23 AuslBG) im Berufungsverfahren tatsächlich angehört worden ist. Diesem Mangel fehlt es indes an der für eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erforderlichen Relevanz. Die Beschwerdeführerin vermag selbst nicht darzutun, aus welchen Gründen es durch die von ihr vermißte Anhörung zu einer Zustimmung der belangten Behörde zur beantragten Beschäftigungsbewilligung hätte kommen können. Tatsächlich hätte bei der oben geschilderten Sach- und Rechtslage auch eine für die Beschwerdeführerin positive Stellungnahme des Verwaltungsausschusses das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung des gestellten Antrags nicht aus der Welt schaffen und somit auch nicht die Voraussetzungen für eine dem Gesetz gemäße Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung schaffen können.

Die von der belangten Behörde bestätigte Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin erweist sich daher gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG als dem Gesetz entsprechend, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993090180.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten