TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/23 92/04/0028

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Veröffentlicht am 23.11.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §56;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §77 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des J in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 31. Oktober 1991, Zl. 309.828/1-III/3/91, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Verwaltungsvorgänge in der vorliegenden Beschwerdesache bis zur Aufhebung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. Jänner 1987, Zl. 309.828/2-III/3/86, durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1989, Zl. 87/04/0061, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird auf die entsprechenden Darlegungen in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses verwiesen. Dort wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde hätte bei Beurteilung des vorgesehenen Betriebsanlagenprojektes im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1973 vorzugehen und dabei insbesondere auch die Vorschreibung der - vom Vertreter des Zentral-Arbeitsinspektorates - vorgeschlagenen Lüftungsanlage in Betracht zu ziehen. In diesem Zusammenhang wären aber über die Eignung einer derartigen Auflage entsprechend der Bestimmung des § 77 Abs. 1 GewO 1973 im Rahmen der der belangten Behörde obliegenden amtwegigen Prüfungspflicht die erforderlichen Feststellungen zu treffen gewesen. Nach der Aktenlage hätten jedoch diesbezüglich keine - für die nachprüfende verwaltungsgerichtliche Kontrolle ausreichende - Erörterungen stattgefunden; der gewerbetechnische Amtssachverständige hätte sich in der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 27. November 1986 auf die Aussage beschränkt, daß "grundsätzlich .... auch Lüftungsanlagen Ursachen für Lärmimmissionen sein (können); im gegenständlichen Fall liegt jedoch ein Lüftungsprojekt nicht vor, sodaß dazu keine Äußerung abgegeben werden kann". Gestützt auf (nur) diese Aussage des gewerbetechnischen Amtssachverständigen sei die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zur Schlußfolgerung gelangt, "daß die Vorschreibung einer mechanischen Be- und Entlüftungsanlage das Wesen des Ansuchens insofern verändert, als bei Errichtung bzw. Betrieb einer solchen Be- und Entlüftungsanlage neue bzw. zusätzliche Immissionen zu jenen hinzukommen, die bei Betrieb der Anlage in dem projektierten und im Ansuchen vorliegenden Umfang nicht auftreten können". In diesem Zusammenhang hätte sich aus den Verwaltungsakten - im Hinblick auf die Feststellung im angefochtenen Bescheid, es sei bei diesem (auf die Lüftungsanlage) bezogenen Sachverhalt davon auszugehen, daß es sich um eine "Änderung (nicht bloß Modifizierung) des Projektes handelt, die im Berufungsverfahren mangels eines Ansuchens gemäß § 353 GewO 1973 und damit mangels Rechtsgrundlage nicht behandelt werden kann" - auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß in schlüssiger und in einer der Überprüfung zugänglichen Weise eine Erörterung darüber stattgefunden hätte, durch die in Rede stehende Auflage erführe das - zur Genehmigung vorgelegte - Projekt eine Änderung in seinem Wesen; zumal in der mündlichen Augenscheinsverhandlung am 27. November 1986 vom Beschwerdeführer "die vom Amtssachverständigen der Arbeitsinspektion zusätzlich vorgeschlagenen Auflagen ... billigend zur Kenntnis genommen" worden seien. Daß aber das zur Entscheidung stehende Projekt schlechthin die Installierung einer Lüftungsanlage ausschlösse, werde weder vom Beschwerdeführer behauptet, noch ergebe sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ein Anhaltspunkt für eine solche Annahme.

Mit im fortgesetzten Verfahren ergangenem Ersatzbescheid vom 31. Oktober 1991 erließ der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten einen im Spruch mit dem aufgehobenen Bescheid vom 9. Jänner 1987 gleichlautenden, der Berufung gegen den die Genehmigung versagenden zweitinstanzlichen Bescheid keine Folge gebenden, Bescheid. Zur Begründung führte der Bundesminister - nach Darstellung der Verfahrensvorgänge einschließlich der tragenden Begründung des hg. Erkenntnisses vom 18. April 1989 - im wesentlichen aus, die Behörde habe in Befolgung des Gesetzesauftrages des § 63 Abs. 1 VwGG zur Herstellung des der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes die Beschwerdeführerin aufgefordert, ein ergänzendes Genehmigungsprojekt vorzulegen und habe hiezu eine weitere Stellungnahme des Vertreters des Zentral-Arbeitsinspektorates eingeholt. Des weiteren habe die belangte Behörde ebenfalls eine ergänzende gutächtliche Äußerung des gewerbetechnischen Amtssachverständigen des Bundesministeriums eingeholt, der unterm 30. April 1990 wie folgt ausgeführt habe:

"Der Bezugsakt wurde mit dem Ersuchen um ergänzende gutächtliche Äußerung zu folgenden Fragen übermittelt:

1.

Mit welchen Lärm- und Geruchsimmissionen kann beim nächstgelegenen Nachbargrundstück unter Berücksichtigung des nunmehr vorgelegten Projektes und der Stellungnahme des ZAI vom 21.9.1989 vom Betrieb der Entlüftungs- und Absaugeanlage gerechnet werden?

2.

Mit welcher Frequenz der Öffnungen des Garagentores sowie der Manipulationen mit Eisenteilen im Freien, die bei den Nachbarn Lärmimmissionen von 8O bis 9O dB hervorrufen können, kann aufgrund des beantragten Betriebsumfanges im ungünstigsten Fall bei den Nachbarn pro Tag gerechnet werden?

3.

Gibt es technische Maßnahmen, die zu einer Reduzierung der im Freien zu erwartenden Lärmimmissionen geeignet sind, zutreffendenfalls mit welcher Lärmreduktion wäre bei den Nachbarn zu rechnen?

Dazu wird bemerkt:

Zu Frage 1.:

Mit Schriftsatz vom 23.8.1989 hat J das Projekt einer Lüftungsanlage für seinen Schlossereibetrieb vorgelegt. Dieses Projekt umfaßt einen "Kanalplan" der Lüftungsanlage M 1:1OO vom 3.8.1989, sowie eine "Beschreibung der Lüftungsanlage" vom 11.8.1989. Demnach ist vorgesehen im Werkstättenraum eine Zuluftanlage zu installieren (ORION-Luftheizapparat, Type 14O-2 N), die über einen Fensterschacht die Zuluft aus dem Freien ansaugt, sie über ein Heizregister führt und in den Raum abgibt. Die Luftmenge wird in der Beschreibung mit 1.57O m3/h bzw. 1.1OO m3/h angegeben. Die Zuluftanlage ist für Umluft- und Frischluftbetrieb vorgesehen. Die Abluft soll aus dem Werkstättenraum durch einen Abluftkanal über fünf Ansauggitter angesaugt und über Dach des Hauses durch einen bestehenden Lüftungsschacht ins Freie abgeführt werden. Der Abluftventilator Type KV 13O-4, soll innerhalb des Betriebsgebäudes im Kellergeschoß aufgestellt werden und Luftmengen zwischen 1OO bis 5OO m3/h abführen. Die Luftmengenbilanz zeigt, daß nach dem Projekt der Zuluftventilator mehr als doppelt soviel Luft umwälzt, als die Abluftanlage abtransportiert. Damit kann der in der Werkstätte vorgesehene Umluftbetrieb abgeschätzt weden. Der Vertreter des ZAI hat in seiner Stellungnahme vom 21.9.1989 darauf hingewiesen, daß bei der Vornahme von Elektroschweißarbeiten die entstehenden Schweißdämpfe an der Entstehungsstelle abgesaugt werden müssen. Der Vertreter des Zentral-Arbeitsinspektorrates hat ferner festgestellt, daß hiefür eine zusätzliche, von der Lüftungsanlage unabhängige Absaugeanlage zu installieren ist. Diese Absaugeanlage ist im vorliegenden Projekt noch nicht berücksichtigt.

Weil die Lüftungsaggregate im Kellergeschoß des Betriebsgebäudes aufgestellt werden, ist nicht zu erwarten, daß von diesen Aggregaten Lärmeinwirkungen auf die Nachbarschaft ausgehen. Aufgrund des Umstandes, daß die Raumluft aus der Werkstätte über Dach des Betriebsgebäudes abgeführt wird, ist weiters davon auszugehen, daß diese Abluft mit der Umgebungsluft soweit verdünnt wird, daß Geruchseinwirkungen in der Nachbarschaft nicht auftreten. Dies gilt auch hinsichtlich der Schweißdämpfe, wenn diese ebenfalls über Dach abgeführt werden.

Zu Frage 2.:

In der Schlosserwerkstätte will der Konsenswerber mit bis zu 2 Arbeitnehmern Schlossereiarbeiten durchführen. Das Werkstättentor ("Garagentor") dient sowohl als Werkstättenzugang als auch als Tor durch das die Ladetätigkeiten abgewickelt werden. Weiters befindet sich das Eisenlager der Betriebsanlage im Freien außerhalb der Betriebsräume, sodaß neben dem üblichen Zu- und Abgang auch Transporte zwischen dem Vorratslager und der Werkstätte durchzuführen sind. Zur Aufrechterhaltung des Betriebes in der Werkstätte wird es daher wiederholt am Tage notwendig sein, das Garagentor als Geh- oder Transportöffnung vorübergehend offenzuhalten. Mit welcher "Frequenz der Öffnungen" dabei im ungünstigsten Fall zu rechnen ist, hängt von den betrieblichen Abläufen ab und kann in vorausschauender Beurteilung kaum prognostiziert werden. Ebenso kann die Anzahl der notwendigen Manipulationen, die im überdachten Eisenlager im Freien im ungünstigsten Fall eintreten werden, nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Es ist jedenfalls davon auszugehen, daß mitunter mehrmals täglich das Manipulieren im Eisenlager notwendig ist.

Zu Frage 3.:

Hinsichtlich der im Freien durchzuführenden Tätigkeiten (Manipulationen beim Eisenlager, Ladetätigkeiten) gibt es keine schalltechnischen Maßnahmen, um die dabei auftretenden Geräusche zu reduzieren."

Der ärztliche Amtssachverständige habe hiezu unterm 27. Dezember 1990 folgende gutächtliche Äußerung erstattet:

"Mit Schreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1O. Mai 1990 war anher das Ersuchen ergangen, unter Hinweis auf das Ergebnis des bisherigen Ermittlungsverfahrens ein Gutachten dazu zu erstellen, ob die vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen erhobenen Lärmimmissionen, hervorgerufen durch Manipulationen mit Eisenteilen im Freien sowie durch Tätigkeiten in der Werkstatt bei geöffnetem Werkstattor, zu einer Gesundheitsgefährdung oder Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Nachbarn führen können.

Dazu ist auszuführen:

Im gegenständlichen Verfahren hat am 27.11.1986 unter Beisein des gefertigten Sachverständigen am Standort der Betriebsanlage in Nenzing eine Augenscheinsverhandlung stattgefunden. Im Rahmen dieser Augenscheinsverhandlung wurden Schallpegelmessungen zur Erfassung der Umgebungsgeräuschsituationen durchgeführt. Betriebsspezifische Geräuschimmissionen, wie das Manipulieren mit Eisenteilen im Freien sowie Arbeiten in der Werkstatt bei geöffnetem Werkstattor konnten - da die Anlage nicht betriebsfähig war - damals nicht erhoben werden. Es wurden deshalb Erfahrungswerte der Beurteilung zugrundegelegt. Vom technischen Amtssachverständigen wurde ausgeführt, daß bei Manipulationen mit Eisenteilen im Freien bei den nächstgelegenen Nachbarn Schallpegelspitzen zwischen 8O und 9O dB möglich sind. Werden, während in der Werkstätte lärmintensive Arbeiten verrichtet werden, die Werkstättentore geöffnet, so sind bei den nächstgelegenen Nachbarn Immissionsschallpegel bis zu 75 dB zu erwarten.

Bei den genannten Schallimmissionen ist prinzipiell an die Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung zu denken, da bei Schallimmissionen mit Lautstärken über 85 dB Gehörschäden auftreten können. Allerdings muß es sich dabei um eine dauernde Lärmeinwirkung in dieser Größenordnung handeln. Vereinzelte Lärmspitzen in dieser Höhe, wie sie beim Manipulieren mit Eisenteilen durch das Gegeneinanderschlagen der Eisenteile entstehen können, haben keine gehörschädigenden Wirkungen. Im Laborexperiment konnten bei Einwirkung von Geräuschimmissionen um 75 dB signifikante vegetative Reaktionen (z.B. Veränderungen des Serumelektrolytspiegels, Erhöhung des peripheren Gefäßwiderstandes) beobachtet werden. Solche Veränderungen sind zwar reversibel, können aber bei Fortdauern der auslösenden Ursache (der Lärmimmission) zu morphologischen und damit gesundheitsschädigenden Veränderungen führen. Voraussetzung ist hier aber wiederum, daß die Lärmimmissionen in der genannten Größenordnung gehäuft auftreten, also das Umgebungsgeräuschniveau bestimmen (z.B. Verkehrslärm an stark befahrenen Straßenzügen, permanenter Maschinenlärm aus einer Werkshalle etc.).

Der Umfang der gegenständlichen Betriebsanlage (Betriebsfläche, Mitarbeiterstand) läßt ständige Manipulationen im Freien (Ladetätigkeiten mit der Notwendigkeit des Offenhaltes der Werkstattüre) und damit das gehäufte Auftreten von Lärmimmissionen von 75 dB und darüber nicht erwarten, sodaß eine Gesundheitsgefährdung im konkreten Fall auszuschließen ist.

Schallereignisse von einer Intensität wie im vorliegenden Fall können aber bei der bestehenden Umgebungsgeräuschsituation natürlich Aufmerksamkeit erregen und - wenn man sie als belästigend empfindet - Anlaß zu einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens geben.

Eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens kann vor allem dann erwartet werden, wenn die Störgeräusche gehäuft auftreten oder wenn sie zu Tageszeiten erfolgen, wo ein entsprechendes Ruhebedürfnis besteht (also am Wochenende oder in den späteren Nachmittags- und Abendstunden).

Da ein gehäuftes Auftreten im konkreten Fall aufgrund der Betriebsgröße eher nicht anzunehmen ist, erscheint aber eine entsprechende Beschränkung der Betriebszeit erforderlich (keine Arbeiten an Sonn- und Feiertagen, Samstagen und werktags vor

7.

OO Uhr bzw. nach 17.OO Uhr."

In rechtlicher Hinsicht wurde - nach Wiedergabe maßgeblicher rechtlicher Bestimmungen - ausgeführt, das vom Bundesministerium durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die betriebsspezifischen Lärmimmissionen, soweit sie durch Arbeiten im Inneren der Anlage bei geöffnetem Tor sowie durch Manipulationen mit Eisenteilen im Freien hervorgerufen würden, bei den nächstgelegenen Nachbarn der Anlage Schallpegelwerte zwischen 68 und 90 dB bewirkten. Bereits in der Verhandlung vom 27. November 1986 habe der ärztliche Amtssachverständige ausgeführt, daß Lärmimmissionen aus dem Inneren der Anlage zu einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens bei einem gesunden, normal empfindenden Menschen führen könnten, und er habe als Bedingung für die Genehmigung der Betriebsanlage das Geschlossenhalten der Fenster und Türen genannt. In der ergänzenden gutächtlichen Äußerung vom 27. Dezember 1990 habe der ärztliche Amtssachverständige eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch die zuvor genannten Betriebsgeräusche dann ausgeschlossen, wenn diese nicht gehäuft und nicht am Wochenende sowie in den späteren Nachmittags- und Abendstunden aufträten. Eine Gesundheitsgefährdung habe der Sachverständige bei einem gehäuften Auftreten von Lärmimmissionen ab 75 dB angenommen. Der gewerbetechnische Amtssachverständige habe in seiner ergänzenden gutächtlichen Äußerung dargelegt, daß auf Grund der Situierung des Eisenlagers im Freien und bei projektsmäßiger Abwicklung der Ladetätigkeiten eine Öffnung des Garagentors sowie Manipulationen mit Eisenteilen im Freien WIEDERHOLT unter Tags notwendig sein würden. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, daß die zuvor genannten Immissionen des öfteren aufträten. Technische Maßnahmen zur Reduzierung dieser Immissionen seien auf Grund des Projektes nicht möglich. Der ärztlichen Forderung in der Verhandlung vom 27. November 1986, zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens Fenster und Türen geschlossen zu halten, könne somit auf Grund des Betriebsablaufes nicht Rechnung getragen werden. Weiters sei es auf Grund der Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen auch durchaus denkbar, daß die zuvor beschriebenen Immissionen des öfteren in kürzeren Zeitabständen, also gehäuft, aufträten. Jedenfalls könne dies auf Grund des Betriebsablaufes nicht ausgeschlossen werden, und es sei sogar durchaus als wahrscheinlich anzunehmen, daß betriebsspezifische Lärmimmissionen aufträten, die geeignet seien, das Wohlbefinden der Nachbarn zu beeinträchtigen. Auf Grund der beträchtlichen Differenz der Betriebsgeräusche zu den Umgebungsgeräuschen von großteils mehr als 20 dB seien diese Belästigungen jedenfalls als für die Nachbarn unzumutbar zu qualifizieren. Darüber hinaus sei aber unter Berücksichtigung des ärztlichen Amtssachverständigengutachtens selbst eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn zu befürchten, da die durch technische Maßnahmen nicht beherrschbaren genannten Betriebsgeräusche bei den Nachbarn Immissionswerte von 75 dB und darüber erreichen könnten, und, wie bereits ausgeführt, deren mehrmaliges Auftreten in kürzeren Zeitintervallen nicht ausgeschlossen werden könne. Die Annahme des ärztlichen Amtssachverständigen, daß ein gehäuftes Auftreten dieser Geräusche im konkreten Fall eher nicht anzunehmen sei, entbehre hingegen auf Grund der Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen einer sachlichen Grundlage. Der gegenständlichen Betriebsanlage sei also auf Grund deren Eignung, Nachbarn sowohl unzumutbar zu belästigen als auch in ihrer Gesundheit zu gefährden, und in Anbetracht der fehlenden Möglichkeit, zur Verhinderung dieser Immissionen Auflagen vorzuschreiben, die das Projekt nicht in seinem Wesen berührten, die Genehmigung zu versagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem Recht auf Genehmigung der von ihm zur Bewilligung beantragten Betriebsanlage auf der Gst.-Nr. 453/2 GB N verletzt, da die belangte Behörde die Genehmigung trotz Vorliegens der einschlägigen gesetzlichen Voraussetzungen versagt hat". Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes im wesentlichen vor, zur Klärung der wesentlichen Frage, ob die gegenständliche Betriebsanlage "gefährlich" im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO sei oder im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO "belästigend" wirke, habe die belangte Behörde im Berufungsverfahren sowohl ein Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen des Bundesministeriums sowie des ärztlichen Amtssachverständigen eingeholt. Hiebei basiere das amtsärztliche Gutachten auf den Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen. Zu den wesentlichen Fragen habe der ärztliche Amtssachverständige im wesentlichen wie folgt Stellung bezogen: Der Umfang der gegenständlichen Betriebsanlage (Betriebsfläche, Mitarbeiterstand) lasse ständige Manipulationen im Freien (Ladetätigkeit mit der Notwendigkeit des Offenhaltens der Werkstattüre) und damit das gehäufte Auftreten von Lärmimmissionen von 75 dB und darüber nicht erwarten, sodaß eine Gesundheitsgefährdung im konkreten Fall auszuschließen sei. Hervorzuheben sei bei dieser gutächtlichen Äußerung des amtsärztlichen Sachverständigen, daß sie die konkreten Umstände des Einzelfalles, sowie Betriebsfläche und Mitarbeiterstand, berücksichtigt habe. Zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens führe der amtsärztliche Sachverständige weiters aus, eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens könne vor allem dann erwartet werden, wenn die Störgeräusche gehäuft aufträten oder wenn sie zu Tageszeiten erfolgten, wo ein entsprechendes Ruhebedürfnis bestehe (also am Wochenende oder in den späteren Nachmittags- und Abendstunden). Da ein gehäuftes Auftreten im konkreten Fall auf Grund der Betriebsgröße eher nicht anzunehmen sei, erscheine aber eine entsprechende Beschränkung der Betriebszeit erforderlich (kein Arbeiten an Sonn- und Feiertagen, Samstag und Werktag vor 7.00 Uhr bzw. nach 17.00 Uhr). Das durchgeführte Beweisverfahren habe somit klar zu Tage gebracht, daß sämtliche Voraussetzungen für eine Bewilligung der gegenständlichen Anlage gegeben seien. Allfälligen Diskussionspunkten könne problemlos durch die geeigneten Auflagen begegnet werden. Bei der rechtlichen Beurteilung des Genehmigungsbegehrens sei auch zu beachten, daß auf Grund des Kleingewerbebetriebes und der beabsichtigten spezifischen Schlosserarbeiten, wie das Herstellen von Fenstergittern, Gartentüren etc., mit einer geringen Frequenz der Tätigkeit im Eisenlager sowie mit einer geringen Frequenz der Türöffnungen zu rechnen sei. Die Anzahl der notwendigen Manipulationen im Freien sei äußerst gering, da die Arbeiten selbst in der Werkstätte durchgeführt würden. Es sei auch nicht beabsichtigt, schwere Eisenteile, wie sie für den Stahlbau erforderlich seien, zu lagern bzw. Arbeiten mit schweren Eisenteilen durchzuführen. Die belangte Behörde übersehe in ihrer Entscheidung, daß in rechtlicher Hinsicht auf die konkrete Betriebsanlage abzustellen sei. Insbesondere dürfe dem Konsenswerber nicht unterstellt werden, daß er sich nicht auflagenkonform verhalten werde.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 (in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993) dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Z. 1 bis 5 angeführten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen nachteiligen Einwirkungen herbeizuführen.

Gemäß § 77 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist das Tatbestandselement, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Bei der Beurteilung eines Sachverhaltes daraufhin, ob eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn (§ 77 Abs. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit.) vorliegt, handelt es sich, ebenso wie bei der Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn (§ 77 GewO 1973 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit.), um die Lösung einer Rechtsfrage. Das Ergebnis der Beweisaufnahme durch Sachverständige (§ 52 AVG) bildet lediglich ein Element des für die Erlassung des Bescheides "maßgebenden Sachverhalts" (§§ 37 und 56 AVG) (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 199O, 89/04/0225).

Die Feststellung, ob die (sachverhaltsbezogenen) Voraussetzungen für die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage vorliegen, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten über diese Fragen) abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen die zu erwartenden Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt, fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen, die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus, entsprechend den in diesem Zusammenhang im § 77 Abs. 2 GewO 1973 enthaltenen Tatbestandsmerkmalen, auszuüben vermögen. Auf Grund der Sachverständigengutachten hat sich sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden (siehe u.a. die hg. Erkenntnisse vom 25.September 199O, Zl. 9O/O4/OO35, und vom 27. Februar 1991, 9O/O4/O199).

Im Beschwerdefall ging der gewerbetechnische Amtssachverständige nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid davon aus, daß bei Manipulationen mit Eisenteilen im Freien, dazu zählten im gegenständlichen Fall Ladetätigkeiten sowie Manipulationen beim Eisenlager, bei den nächstgelegenen Nachbarn impulsartige bis scharrend klingende metallische Geräusche mit Schallpegelspitzen zwischen 8O und 9O dB möglich seien, sowie, daß sich bei lärmenden Arbeiten im Inneren der Werkstätte bei geöffneten Toren ein Immissionsschallpegel (einschließlich Sicherheitszuschlag) von 75 dB ergebe. Fußend auf diesen Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen kam der ärztliche Amtssachverständige in seiner im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 27. November 1986 abgegebenen gutächtlichen Äußerung zu dem Ergebnis, daß diese Geräusche bei geöffneten Fenstern der Betriebsanlage aufgrund ihrer Charakteristik und ihrer Intensität einen wesentlichen Belästigungsfaktor darstellten, der auch bei gesunden, normal empfindenden Menschen zu einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens führen könne. Aus ärztlicher Sicht sei daher als Bedingung für die Genehmigung der Betriebsanlage das Geschlossenhalten der Fenster und Türen erforderlich.

In seiner im fortgesetzten Verfahren erstatteten gutächtlichen Äußerung zur Frage, mit welcher Frequenz der Öffnungen des Garagentors sowie der Manipulationen mit Eisenteilen im Freien auf Grund des beantragten Betriebsumfanges im ungünstigsten Fall bei den Nachbarn pro Tag gerechnet werden könnte, führte der gewerbetechnische Amtssachverständige aus, zur Aufrechterhaltung des Betriebes in der Werkstätte werde es WIEDERHOLT am Tage notwendig sein, das Garagentor als Geh- und Transportöffnung vorübergehend offen zu halten, ebenso sei jedenfalls davon auszugehen, daß mitunter MEHRMALS TÄGLICH Manipulationen im Eisenlager notwendig seien. Soweit nun der ärztliche Amtssachverständige bei der Beurteilung der Auswirkungen der Immissionen davon ausgeht, daß ein gehäuftes Auftreten von das Wohlbefinden beeinträchtigenden Immissionen "eher nicht anzunehmen" sei, ist festzustellen, daß diese Annahme durch die (vorangeführten) Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen nicht gedeckt ist.

Entsprechend dem oben Gesagten ist es aber Aufgabe des gewerbetechnischen Sachverständigen, Aussagen über die von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen zu treffen, während es Aufgabe des medizinsichen Sachverständigen (lediglich) ist, FUßEND AUF DEM GUTACHTEN DES GEWERBETECHNISCHEN SACHVERSTÄNDIGEN darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen auf den menschlichen Organismus auszuüben vermögen.

Ausgehend davon kann im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof gestellten Prüfungsaufgabe der belangten Behörde weder eine Verkennung der Rechtslage noch ein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel angelastet werden, wenn sie nach den nicht unschlüssigen Sachverhaltsfeststellungen, denen auch in der Beschwerde nicht etwa durch geeignete sachentsprechende Einwände begegnet wird, (den Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen bezüglich des Ablaufes des Betriebsgeschehens folgend) davon ausging, daß auf Grund des Betriebsablaufes ein gehäuftes Auftreten von betriebsspezifischen Lärmimmissionen, die geeignet seien, das Wohlbefinden der Nachbarn zu beeinträchtigen, nicht ausgeschlossen werden könne.

Davon sowie weiters von der Äußerung des medizinischen Amtssachverständigen über die Auswirkungen der betriebsspezifischen Lärmimmissionen auf die Nachbarschaft ausgehend kann - insbesondere auch unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung der Sachverständigen - es aber auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde - im Zusammenhang mit den weiteren Feststellungen, daß technische Maßnahmen zur Reduzierung dieser Immissionen auf Grund des Projekts nicht möglich seien und der ärztlichen Forderung, zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens Fenster und Türen geschlossen zu halten, auf Grund des Betriebsgeschehens nicht Rechnung getragen werden könne - in Ansehung "der beträchtlichen Differenz der Betriebsgeräusche zu den Umgebungsgeräuschen von großteils mehr als 2O dB" zu dem Ergebnis kam, daß der Berufung gegen den die Genehmigung versagenden zweitinstanzlichen Bescheid keine Folge zu geben war.

Soweit in der Beschwerde gerügt wird, die belangte Behörde übersehe in ihrer Entscheidung, daß in rechtlicher Hinsicht auf die konkrete Betriebsanlage abzustellen sei, vermag auch damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden. Steht doch nach den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid außer Zweifel, daß die belangte Behörde ohnehin auf das konkrete verfahrensgegenständliche Projekt eingegangen ist und ausschließlich dieses - nach Beurteilung des dem Ansuchen zugrundeliegenden konkreten Projektes durch die Amtssachverständigen - ihren Feststellungen und ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die § 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhaltsermittlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992040028.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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