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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.340,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der am 6. November 2005 verstorbene Dr. P. M. bezog als Röntgenfacharzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 beantragte er die Zuerkennung der begünstigten Besteuerung gemäß §11a EStG 1988. Mit dem im Instanzenzug - an die Verlassenschaft nach Dr. P. M. zu Handen seiner Witwe - ergangenen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien (in der Folge: UFS), vom 20. Februar 2006, Zl. RV/0236-W/06, wurde diese Begünstigung unter Hinweis darauf verweigert, dass §11a EStG 1988 nur Personen erfasst, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb erzielen.
2. Dagegen richtet sich die gemäß Art144 B-VG durch die Verlassenschaft nach Dr. P. M. erhobene Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Die beschwerdeführende Verlassenschaft ist Adressatin des angefochtenen Bescheides, eine Einantwortung ist bislang nicht erfolgt. Die von einem (als Vertreterin gemäß §810 ABGB durch die Witwe des Verstorbenen) namens der Verlassenschaft bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebrachte Beschwerde ist zulässig (vgl. VfSlg. 4359/1963).
Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 6. Dezember 2006, G151/06, die Worte "aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb" in §11a Abs1 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. 400 idF BGBl. I 180/2004, als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988). Im - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg. 17.687/2005).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 6. Dezember 2006. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 29. März 2006 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Die beschwerdeführende Partei wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B687.2006Dokumentnummer
JFT_09929774_06B00687_00