Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des FK,
2.
der AK, 3. des Dr. WK, 4. der MH, 5. des JS, 6. der MS,
7.
des JD, 8. der XD, 9. des AA, 10. der HA, 11. des YA,
12.
der KA, 13. des FK, 14. der HK, 15. des GZ, 16. der AZ, alle in P und alle vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. Mai 1991, Zl. 308.330/7-III-3/90, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei L-Ges.m.b.H. & Co KG in P, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in V) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. Mai 1991 erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahin, daß in Stattgebung der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. April 1988 dieser behoben werde und der mitbeteiligten Partei - unter Änderung des Spruchteils I. des diesem zugrunde liegenden Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 28. April 1987 - aufgrund des Ansuchens vom 12. Jänner 1987 um Genehmigung einer Lederbearbeitungsbetriebsanlage "gemäß §§ 74, 77 GewO 1973 idgF iVm § 27 Abs. 2 AnSchG und §§ 4, 6 Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen (LRG-K) unter Zugrundelegung folgender Betriebsbeschreibung (A) sowie der mit dem Genehmigungsvermerk des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten versehenen Pläne und Beschreibungen (B) sowie gegen Einhaltung der folgenden Auflagen (C) die Betriebsanlagengenehmigung erteilt" werde.
In der Begründung führt die belangte Behörde bezüglich des bisherigen Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, die gegenständliche Betriebsanlage sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. Dezember 1981 gemäß § 77 GewO 1973 genehmigt worden. Nach Durchführung von Verfahren gemäß §§ 81 und 79 leg. cit. hätten die Nachbarn vorgebracht, im Genehmigungsverfahren "übergangene Nachbarn" zu sein und hätten diese die bescheidmäßige Zuerkennung der Parteistellung beantragt. Am 30. Mai 1985 sei von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen die Augenscheinsverhandlung unter Beiziehung der "übergangenen Nachbarn" nachgeholt worden, bei welcher diese Einwendungen insbesondere wegen Geruchsbelästigung durch die gegenständliche Betriebsanlage erhoben hätten. Mit Ansuchen vom 14. August 1985 sei das gegenständliche Projekt geändert worden. Nach Durchführung weiterer Verfahren, die mit dem gegenständlichen nicht im Zusammenhang stünden, hätte die mitbeteiligte Partei am 12. Jänner 1987 den Antrag gestellt, die Betriebsanlage im derzeit vorhandenen Zustand unter Hinweis auf die vorgenommenen Abänderungen gemäß § 77 GewO 1973 zu genehmigen und eine Augenscheinsverhandlung unter Beiziehung sämtlicher Nachbarn durchzuführen. Nach Durchführungen einer mündlichen Augenscheinsverhandlung am 5. Februar 1987 und eines Augenscheins vom 13. Februar 1987 habe die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen mit Bescheid vom 8. April 1987 die gewerbebehördliche Genehmigung unter Vorschreibung von insgesamt 25 Auflagen erteilt. Gegen diesen Bescheid hätten die nunmehrigen Beschwerdeführer berufen. Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 13. Jänner 1988 sowie Einholung eines ergänzenden Gutachtens der Unterabteilung Immissionsschutz habe der Landeshauptmann von Oberösterreich als Gewerbebehörde zweiter Instanz mit Bescheid vom 25. April 1988 den angefochtenen Bescheid mit Ausnahme der Kostenvorschreibung behoben und habe diese den Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei vom 12. Jänner 1987 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid habe die mitbeteiligte Partei berufen. Im Verfahren vor der belangten Behörde sei ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, insbesondere seien im Rahmen einer Augenscheinsverhandlung unter Beiziehung des gewerbetechnischen Sachverständigen sowie eines ärztlichen Amtssachverständigen und eines Vertreters des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Zentral-Arbeitsinspektorat, einzelne Betriebsvorgänge simuliert und Versuche vorgenommen worden. Dazu hätten der gewerbetechnische Amtssachverständige und der ärztliche Amtssachverständige Befund und Gutachten abgegeben.
Im weiteren legt die belangte Behörde deren Inhalt - ebenso wie den Inhalt der Stellungnahme des Vertreters des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Zentral-Arbeitsinspektorat - im angefochtenen Bescheid im einzelnen dar. Nach Zitierung maßgeblicher rechtlicher Bestimmungen traf die belangte Behörde ihre Sachverhaltsfeststellungen, legte ihre rechtlichen Überlegungen dar und äußerte sich im einzelnen zu den Stellungnahmen der Beschwerdeführer.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in von der Gewerbeordnung normierten Nachbarrechten verletzt. Sie bringen hiezu unter den Gesichtspunkten einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - zusammengefaßt - im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe Feststellungen über die Begrenzung der Emissionen nach dem Stand der Technik unterlassen. Weiters habe es die belange Behörde unterlassen, einen Sachverständigen aus dem Lederverarbeitungsgewerbe beizuziehen. Auch habe sie sich mit den Einwendungen der Beschwerdeführer zum Gutachten des "immissionstechnischen" Sachverständigen nicht antragsgemäß auseinandergesetzt. Sie habe im Genehmigungsbescheid nicht sämtliche Lack- und Lösungsmittelkombinationen aufgenommen bzw. entsprechende Auflagen ausgesprochen. Sie habe auch trotz Antrag die genauen Lack- und Lösungsmittelzusammensetzungen nicht festgestellt. Überdies habe es die belangte Behörde entgegen entsprechendem Beweisantrag unterlassen, "das konkrete Ist-Maß vor Errichtung der Betriebsanlage, bzw. ohne diese hinsichtlich der Emissionen zu erheben". Auch sei zu Unrecht der Beweisantrag auf Durchführung von Emissionsmessungen mittels FID abgewiesen worden, und die belangte Behörde habe es überdies verabsäumt, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, "wie sich ein kumulativer Betrieb sämtlicher Farbauftragmaschinen (Rollercoater, Rundspritzanlage, Handspritzstand) auf die Emissionssituation der Beschwerdeführer" ausgewirkt hätte. Weiters bringen die Beschwerdeführer vor, die Betriebsanlage eines Lederver- und -bearbeitungsbetriebes gehöre zu den emissionsträchtigsten Anlagen und dürfe nur in einem "Industriegebiet", nicht aber in einem "Betriebsbaugebiet" betrieben werden.
Die Beschwerde ist aufgrund folgender Überlegungen begründet:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Einer neuen Sachentscheidung steht die Rechtskraft eines früheren in der gleichen Angelegenheit ergangenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1955, Slg. N. F. Nr. 3874/A). In diesem Zusammenhang ist der Begriff "Identität der Sache" in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus zu beurteilen (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1985, Zl. 84/04/0212).
Die danach zu beachtende Rechtslage stellt sich im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid festgestellte Sachlage (und zwar auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen) wie folgt dar:
Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1973 - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen oder Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Z. 1 bis 5 dieser Bestimmung angeführten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkung hervorzurufen.
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a), dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Nach § 81 Abs. 1 GewO 1973 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung der genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Von einer Änderung der genehmigten Anlage kann nur dann gesprochen werden, wenn eine rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung der Anlage vorliegt, auf die sich die Änderung beziehen soll. § 81 Abs. 1 GewO 1973 ist allerdings dann nicht anwendbar, wenn unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1973 ein sachlicher oder aber ein örtlicher Zusammenhang mit der bestehenden genehmigten Betriebsanlage fehlt. Demgemäß wäre etwa auch eine Gesamtumwandlung der Betriebsanlage unter Wegfall des vorangeführten Zusammenhanges nicht als Änderung im Sinne des § 81 anzusehen (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1982, Slg. N. F. Nr. 10.675).
Die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage - ebenso wie die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage - setzt ein diesbezügliches Ansuchen voraus, denn es handelt sich um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt (§§ 353 und 356). Der Antrag muß auf die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder aber (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1986, Zl. 84/04/0245) auf die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage lauten. Da sich nach der dargestellten Rechtslage keine gesetzliche Grundlage dafür bietet, daß derartige Genehmigungen auch mehrfach nebeneinander erteilt werden könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1992, Zl. 91/04/0305, und die dort verwiesenen Darlegungen in Stolzlechner - Wendl - Zitta, Die gewerbliche Betriebsanlage, 2. Auflage, unter Rz 288 über die mangelnden gesetzlichen Grundlagen eines "Verzichtes" des Betriebsinhabers auf den ihm erteilten Genehmigungsbescheid und damit eines Eingriffes in rechtskräftig geschützte Rechtspositionen der Nachbarn) muß die Behörde im Verfahren feststellen, ob (bereits) eine rechtskräftig genehmigte Betriebsanlage vorliegt (und insofern ein Ansuchen um - neuerliche - Genehmigung zurückzuweisen wäre) bzw. ob - unter dem Blickwinkel des § 81 Abs. 1 GewO 1973 - eine rechtskräftig genehmigte Anlage vorliegt, auf die sich die Änderung beziehen soll, wobei die Genehmigung nach § 81 Abs. 1 GewO 1973 auch die bereits genehmigte Anlage - nur - so weit zu umfassen hat, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist. Daraus folgt aber die Unzulässigkeit eines auf Genehmigung (im Grunde des § 77 Abs. 1 GewO 1973) der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage (als Ganzes) gerichteten Ansuchens bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Abs. 1 GewO 1973.
Die belangte Behörde selbst führt in ihrer Begründung aus, "die gegenständliche Betriebsanlage wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. Dezember 1981 gemäß § 77 GewO 1973 genehmigt", in der Folge sei das Projekt geändert worden, und die Bewilligungsinhaberin habe am 12. Jänner 1987 den Antrag gestellt "die Betriebsanlage im derzeit vorhandenen Zustand unter Hinweis auf die vorgenommenen Änderungen gemäß § 77 GewO 1973 zu genehmigen und eine Augenscheinsverhandlung unter Beiziehung sämtlicher Nachbarn durchzuführen".
Die belangte Behörde ging somit nach der Begründung des angefochtenen Bescheides bei ihrem Abspruch davon aus, daß das Ansuchen vom 12. Jänner 1987 auch die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. Dezember 1981 (formell) rechtskräftig genehmigte Betriebsanlage erfaßt und nicht bloß auf Genehmigung der Änderung (der geänderten Anlagenteile) der genehmigten Betriebsanlage gerichtet ist. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß das Ansuchen eine Deutung im letztgenannten Sinn (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1984, Zl. 84/04/0031) gar nicht zuließe.
Dafür, daß der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. Dezember 1981 - etwa im Zuge des hinsichtlich der "übergangenen Nachbarn" durchgeführten Verfahrens - aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wäre, bieten die vorgelegten Verwaltungsakten keinen Anhaltspunkt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde in keiner Richtung auch nur andeutet, im vorliegenden Fall liege etwa eine Gesamtänderung der Betriebsanlage vor, was zur Folge hätte, daß tatsächlich nicht eine Änderung der Betriebsanlage nach § 81 Abs. 1 GewO 1973 sondern eine Betriebsanlagengenehmigung nach § 77 Abs. 1 GewO 1973 in Frage käme.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den geltend gemachten, nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991040205.X00Im RIS seit
20.11.2000