Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §17 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. März 1993, Zl. VerkR-390.794/1-1993/Di, betreffend Bescheidzustellung in Angelegenheit Erteilung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen im Betrag von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe an die Bundespolizeidirektion Wels vom 4. November 1991 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung aufgrund seines türkischen Führerscheins. Dabei gab er als ordentlichen Wohnsitz die Anschrift N, X-Straße 22, an. Am 22. November und am 13. Dezember 1991 sprach der Beschwerdeführer jeweils bei dieser Behörde vor. Anläßlich der letzten Vorsprache wurde ihm mitgeteilt, daß seinem Antrag wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit nicht stattgegeben werden könne und darüber noch ein Bescheid ergehen werde. In den über die beiden Vorsprachen aufgenommenen Niederschriften ist als Anschrift des Beschwerdeführers jeweils N, X-Straße 22, angeführt.
Mit Bescheid vom 13. Jänner 1992 wies die Bundespolizeidirektion Wels den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 ab. Die diesen Bescheid enthaltende Postsendung war an die oben angegebene Adresse des Beschwerdeführers gerichtet. Sie wurde nach dem zweiten erfolglosen Zustellversuch am 17. Jänner 1992 beim Zustellpostamt hinterlegt und nach Ablauf der Abholfrist am 3. Februar 1992 der Behörde mit dem Vermerk "nicht behoben" zurückgestellt.
Mit Eingaben vom 27. Juli und vom 17. August 1992 ersuchte der Beschwerdeführer die Bundespolizeidirektion Wels um die Zustellung des seinen Antrag abweisenden Bescheides; dieser habe ihm bisher nicht zugestellt werden können. Der Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 22. März 1993 abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Abweisung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging von der Annahme aus, der Beschwerdeführer sei nach seiner Rückkehr aus der Türkei, wo er sich vom 19. Dezember 1991 bis 4. Jänner 1992 aufgehalten habe, wegen familiärer Probleme nicht mehr an die Zustelladresse in N, X-Straße 22, wo sich ein nur für ihn bestimmtes Brieffach befinde, zurückgekehrt. Erst am 28. Juli 1992 habe er der Erstbehörde die Änderung seiner Anschrift mitgeteilt. Der Beschwerdeführer habe trotz Kenntnis von der bevorstehenden Bescheiderlassung die Änderung der Abgabestelle nicht gemäß § 8 des Zustellgesetzes unverzüglich der Behörde mitgeteilt. Die Zustellung des Bescheides sei daher an der bisherigen Abgabestelle rechtens erfolgt, weshalb die begehrte Neuzustellung dieses Bescheides nicht in Betracht komme.
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme, er sei nach seiner Rückkehr aus der Türkei nicht mehr in die genannte Wohnung zurückgekehrt, nicht entgegen. Er habe aufgrund ehelicher Probleme vorübergehend bei Freunden gewohnt und erst, als klar war, daß eine positive Lösung der Eheprobleme nicht möglich sei, am 28. August 1992 einen neuen Wohnsitz in Wels begründet. Bis dahin habe er die polizeiliche Meldung betreffend die eheliche Wohnung in N, X-Straße 22, aufrechterhalten. Bis zu diesem Tag könne daher nicht von einer dauernden Verlegung der Abgabestelle die Rede sein, vielmehr liege nur eine vorübergehende Ortsabwesenheit vor, weshalb § 8 des Zustellgesetzes nicht anzuwenden sei. Die Hinterlegung der Sendung sei nicht zulässig gewesen.
Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe gegen die Meldepflicht nach § 8 ZustellG verstoßen, ist nicht berechtigt. Nach dem Abs. 1 dieser Bestimmung hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, liegt eine Änderung der Abgabestelle im Sinne dieser Bestimmung nur bei einer dauernden Verlegung, nicht jedoch bei einer bloß vorübergehenden Abwesenheit von der Abgabestelle vor (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa sein Erkenntnis vom 20. März 1991, Zl. 90/02/0188). Von einer meldepflichtigen Änderung der Abgabestelle im besagten Sinn kann aber im vorliegenden Fall jedenfalls in Ansehung der Zustellvorgänge am 16. und 17. Jänner 1992 noch nicht ausgegangen werden, dies im Hinblick auf die relative Kürze der Zeit von rund zwei Wochen seit der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Österreich und seine Absicht, die Ehewohnung als solche beizubehalten und sie lediglich vorübergehend (bis zur Klärung der ehelichen Probleme) nicht zu Wohnzwecken zu benützen.
Damit stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, was gegebenenfalls die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung am 17. Jänner 1992 ausgeschlossen hätte. Offenbar zu dieser Frage hat die Erstbehörde am 12. August 1992 die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin vernommen. Diese sagte aus, der Beschwerdeführer habe beim Eingang des Hauses X-Straße 22 ein eigenes Postfach, für welches nur er einen Schlüssel besitze. Er hole sich alle zwei bis drei Tage die Post ab. Bei Zutreffen dieser Angaben läge keine die Wirksamkeit der Zustellung hindernde Abwesenheit von der Abgabestelle im Sinne des § 17 Abs. 3 ZustellG vor, da der Beschwerdeführer diesfalls durchaus in der Lage war, Zustellvorgänge am Zustellort wahrzunehmen (vgl. zur Relevanz der Möglichkeit, Zustellvorgänge in einer vom Empfänger aktuell nicht benützten Wohnung wahrzunehmen, die hg. Erkenntnisse vom 15. November 1989, Zl. 89/02/0186, und vom 19. Mai 1993, Zlen. 92/09/0331, 0332). Ausführungen zu dieser Frage fehlen im angefochtenen Bescheid zur Gänze. Die belangte Behörde hat die Zeugenaussage weder dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht noch gewürdigt noch hat sie ihren Inhalt in rechtlicher Hinsicht verwertet. Damit bedarf der maßgebende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung und hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993110085.X00Im RIS seit
20.11.2000