TE Vfgh Beschluss 1991/6/11 B401/90, B402/90, B404/90, B405/90, B406/90, B407/90, B408/90, B409/90,

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Veröffentlicht am 11.06.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art8

Leitsatz

Keine Festnahme durch die Verbringung ausländischer Arbeitnehmer - zwecks Überprüfung der Arbeitserlaubnis - auf die Bezirkshauptmannschaft ohne Androhung fremdenpolizeilicher Zwangsmaßnahmen; kein Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der sieben Beschwerdeführer - alle ungarische Staatsangehörige - richtet sich gegen ihre "am 6.2.1990 und 8.2.1990 auf der Baustelle der ARGE A, 2064 Pernhofen, NÖ, in Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte Festnahme". In der Beschwerde wird dazu folgendes ausgeführt:

"An den Vormittagen des 6.2.1990 und 8.2.1990 wurden die Bf, welche gerade an der genannten Baustelle in 2064 Pernhofen, NÖ, als Dienstnehmer beschäftigt waren, von zwei Beamten des Gendarmerieposten Laa/Thaya aufgesucht, nach Kontrolle der ordnungsgemäß vorgewiesenen Reisedokumente festgenommen und von der Baustelle verbracht."

Die auf Anordnung der belangten Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, heißt es in der Beschwerde weiter, durchgeführte "Festnahme der Bf und deren Verbringung" sei "ohne vorangegangenen Schubhaftbescheid und ohne anhängigem, geschweige denn rechtskräftig abgeschlossenen, Ausweisungsverfahren" erfolgt.

Die Beschwerdeführer beantragen, der Verfassungsgerichtshof wolle "die oben näher beschriebene Amtshandlung" als Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit feststellen.

2. Die belangte Bezirkshauptmannschaft Mistelbach beantragt in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde und bringt im wesentlichen vor, am 6. Februar 1990 sei durch Organe des Gendarmeriepostens Laa/Thaya und eine Vertreterin des Arbeitsamtes Mistelbach eine Kontrolle auf einer - näher bezeichneten - Baustelle in Pernhofen, Stadtgemeinde Laa/Thaya, durchgeführt worden. Dort seien die sieben Beschwerdeführer ohne Arbeitsbewilligung angetroffen worden. Die Beamten hätten ihnen die Reisepässe zwecks Priorierung, fremdenpolizeilicher Überprüfung und Vorbereitung einer Anzeigeerstattung abgenommen. Die Beschwerdeführer seien davon in Kenntnis gesetzt worden, eine weitere Arbeitsaufnahme sei ihnen untersagt worden und es sei ihnen mitgeteilt worden, daß sie in ihrer Unterkunft den Abschluß der Amtshandlung abwarten sollten. Die Beschwerdeführer seien sodann ohne Aufforderung freiwillig in ihren Personenkraftwagen in ihr Quartier nach Laa/Thaya gefahren. In der Zwischenzeit sei seitens des Arbeitgebers der Beschwerdeführer und des Beschwerdevertreters gegen die Untersagung der weiteren Arbeitsaufnahme unter Hinweis auf das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz protestiert worden.

Die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach habe nach telefonischer Rücksprache mit dem Arbeitsamt Mistelbach, von welchem das Erfordernis der Beschäftigungsbewilligung neuerlich bestätigt worden sei, die sieben ungarischen Beschwerdeführer zur Abklärung der Sach- und Rechtslage vorgeladen. Diese Vorladung sei telefonisch im Wege des Gendarmeriepostens Laa/Thaya erfolgt. Die Beschwerdeführer seien sodann unter Gendarmeriebegleitung zur Behörde gekommen, nachher wieder in ihre Unterkunft zurückbegleitet und ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß eine weitere Arbeitsaufnahme nicht gestattet sei.

Im Zuge der gesamten Amtshandlung sei eine Festnahme weder angedroht noch ausgesprochen worden. Auch andere Zwangsmittel seien nicht in Erwägung gezogen worden.

Als die Beschwerdeführer bei einer weiteren Kontrolle der Baustelle am 8. Februar 1990 neuerlich bei Bauarbeiten angetroffen worden seien, sei ihnen die weitere Arbeitsaufnahme unter Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen untersagt worden. Die Beschwerdeführer hätten die Arbeit eingestellt, die Baustelle verlassen und seien ausgereist.

Die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach betont in ihrer Gegenschrift, die am 6. Februar 1990 mündlich ausgesprochene Ladung sei mit keinem Zwangsmittel verbunden gewesen "und konnte dies auch nicht sein". Die Beschwerdeführer hätten die Ladung freiwillig befolgt.

3. In einer Gegenäußerung behaupten die Beschwerdeführer, sie seien - entgegen der Darstellung der belangten Behörde - am 6. Februar 1990 von der Baustelle der ARGE A mit einem VW-Bus der Gendarmerie "abtransportiert und in die Amtsräumlichkeiten der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach verbracht" worden. Die Beschwerdeführer seien nicht bloß zur Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach geladen worden, wie dies nunmehr von der belangten Behörde vorgebracht werde. Den Beschwerdeführern sei von den beiden einschreitenden Gendarmeriebeamten vielmehr die sofortige Abschiebung nach Ungarn angedroht worden, sollten sie sich ihrem Abtransport im Gendarmeriebus widersetzen (wird in der Gegenäußerung unter gleichzeitiger Namhaftmachung eines Zeugen hiefür behauptet). Auf ebensolche Weise seien die Beschwerdeführer am 8. Februar 1990 von zwei Gendarmeriebeamten von der Baustelle zur Bezirkshauptmannschaft "verbracht" worden.

4. Aufgrund der unterschiedlichen Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführer einerseits und der belangten Behörde andererseits hat der Verfassungsgerichtshof Beweis erhoben durch die im Rechtshilfeweg erfolgten Einvernahmen der Zeugen GendRev.Insp. L U, GendRev.Insp. R R sowie des in der Gegenäußerung der Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen A C , der als Hauptpolier sowohl am 6. Februar 1990 als auch am 8. Februar 1990 auf der Baustelle in Pernhofen anwesend war.

Die Aussagen der einvernommenen Gendarmeriebeamten decken sich weitgehend mit dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift, wobei der Zeuge L U insbesondere angibt, daß die Beschwerdeführer zwar auf die Möglichkeit einer Abschiebung aufmerksam gemacht worden seien (nicht jedoch, daß ihnen die Abschiebung angedroht worden sei), und daß ebenso von der Möglichkeit einer Fortsetzung ihrer Arbeit nach Klärung des Sachverhaltes gesprochen worden sei. Die Beschwerdeführer seien am 6. Februar 1990 zum Teil mit ihren eigenen Kraftfahrzeugen von der Baustelle in ihre Pension in Laa/Thaya gefahren. Die Beamten hätten keinerlei Zwangsmaßnahmen gegen die Beschwerdeführer gesetzt und auch keinen Zwang oder Sanktionen angedroht. Zur Bezirkshauptmannschaft Mistelbach seien die Beschwerdeführer zwecks Klärung des Sachverhaltes am 6. Februar 1990 freiwillig mitgekommen. Von einer neuerlichen Fahrt der Beschwerdeführer zur Bezirkshauptmannschaft Mistelbach am 8. Februar 1990 war den Gendarmeriebeamten nichts bekannt.

Der Zeuge A C gibt an, daß die einschreitenden Beamten am 6. Februar 1990 eine "Vorführung" der Beschwerdeführer verlangt hätten und daß die Beschwerdeführer, nachdem er sie geholt habe, die Baustelle in Pernhofen verlassen hätten. Der Zeuge bringt weiters vor, daß die einschreitenden Beamten am 8. Februar 1990 wiedergekommen seien und davon gesprochen hätten, daß die Beschwerdeführer mangels Arbeitserlaubnis abgeschoben würden. Daß an diesem Tag darüber hinaus weitere Amtshandlungen stattgefunden hätten, behauptet der Zeuge nicht.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Aufgrund des Parteienvorbringens, der vorgelegten Verwaltungsakten und der Aussagen der im Rechtshilfeweg einvernommenen Zeugen steht fest, daß weder die inkriminierte Festnahme der Beschwerdeführer noch die in Beschwerde gezogene "Verbringung" der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einer fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahme (Schubhaft, Ausweisung, Abschiebung) stattgefunden haben. Auch die Beschwerdeführer behaupten in ihrer Gegenäußerung nur mehr, sie seien keineswegs bloß zur Einvernahme bei der belangten Behörde vorgeladen, sondern "abtransportiert und in die Amtsräumlichkeiten der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach verbracht" worden.

Das durchgeführte Beweisverfahren hat aber nicht einmal mit Sicherheit ergeben, daß die Beamten gegen die Beschwerdeführer unmittelbare Zwangsgewalt ausgeübt oder den Beschwerdeführern einen Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt haben, welcher erforderlichenfalls mit sofortigem Zwang durchgesetzt worden wäre (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 8327/1978 und die dort angeführte Vorjudikatur). Daß es der Behörde am 6. Februar 1990 lediglich um die Aufklärung eines Sachverhaltes ging, ergibt sich auch mit Deutlichkeit aus den an diesem Tag bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach in Anwesenheit der Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschriften, in welchen es heißt, es sei vorerst nichts weiter zu veranlassen, da nicht habe geklärt werden können, ob aufgrund der Firmenkonstruktion der Arbeitgeberin der Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich sei. Die Beschwerdeführer seien davon in Kenntnis gesetzt worden, daß "vorerst" ohne Beschäftigungsbewilligung keine weiteren Arbeiten aufgenommen werden dürften.

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich kein Hinweis, daß die Beschwerdeführer - wie sie behaupten - auch am 8. Februar 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach gewesen sein sollen. Auch die vernommenen Zeugen haben dieses Vorbringen in keiner Weise bestätigt.

2. Da nicht erwiesen ist, daß anläßlich der inkriminierten Amtshandlungen unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt gegen die Beschwerdeführer im Sinne des Art144 Abs1 B-VG ausgeübt wurde, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Festnehmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B401.1990

Dokumentnummer

JFT_10089389_90B00401_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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