TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/24 92/15/0091

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Veröffentlicht am 24.11.1993
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §184 Abs3;
BAO §284 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 28. Februar 1992, Zl. B 177/2-3/91, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1986 bis 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb in den Streitjahren ein Restaurant. Anläßlich einer die Streitjahre betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung wurden u.a. verschiedene Buchführungsmängel (Kassenfehlbeträge an fünf Tagen, das Nichtvorliegen verschiedener Unterlagen, darunter auch von Inventuren zu bestimmten Stichtagen, von Journalen und von Um- und Nachbuchungslisten der Durchschreibebuchhaltung, und in einem Fall der fehlende Bilanzzusammenhang) festgestellt. Der im Hinblick darauf durchgeführten Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO wurden die Ergebnisse der Nachkalkulation der Rohaufschläge zugrunde gelegt. Das Finanzamt folgte bei Erlassung der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für die Streitjahre - teils in wiederaufgenommenen Verfahren - der Rechtsansicht des Prüfers.

Der Beschwerdeführer berief unter anderem gegen die Sachbescheide und führte zunächst nur aus, daß das Finanzamt die Veranlagung der Streitjahre auf Grund der abgabenbehördlichen Prüfung nicht richtig durchgeführt habe. Über Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes beantragte er sodann, "die Änderungen hinsichtlich Umsatzsteuer aufgrund der angefochtenen zugeschätzten Umsätze über die diesbezüglichen Auswirkungen auf die Gewerbe- und Einkommensteuer anzupassen"; dies mit der Begründung, daß die vom Prüfer festgestellten Rohaufschlagsdifferenzen "nicht im Bereich des Unternehmers" liegen könnten, da das Unternehmen mit einer modernen computergesteuerten Anlage ausgestattet gewesen sei und der Beschwerdeführer niemals selbst boniert habe, weswegen es "nicht nur an seinem Ermessen" gelegen sei, die Umsätze zu steuern. Die errechneten Rohaufschlagsdifferenzen seien daher durch Diebstahl bzw. Schwund insbesondere im Küchenbereich zu erklären.

Diesem Berufungsvorbringen hielt das Finanzamt in der die Streitjahre 1986 und 1987 betreffenden abweislichen Berufungsvorentscheidung folgendes entgegen:

"Der Abgabepflichtige wurde für die Jahre 1986-1988 einer umfassenden Betriebsprüfung unterzogen. Dabei wurde auch eine ins Detail gehende Kalkulation der Küchen- und Getränkeumsätze für den Prüfungszeitraum angestellt.

    Folgende Rohaufschläge wurden erklärt   1986           1987

    Küchenwaren                             180 %         170 %

    Getränke                                245 %         285 %

    Augrund des Getränkewareneinsatzes und unter

Berücksichtigung der vorliegenden Verkaufspreise wurde der

Rohaufschlag Getränke mit 313 % festgestellt. Für die

Ermittlung des "Küchenrohaufschlages" wurden dem Prüfer vom

Abgabepflichtigen die Rezepturen zur Verfügung gestellt. Bei

Anwendung der den Rezepturen zugrundeliegenden Angaben und der

entsprechenden Verkaufspreise wurde ein durchschnittlicher

Küchenrohaufschlag von 407 % ermittelt. Diese Werte wurden dem

Abgabepflichtigen bzw. seinem steuerlichen Vertreter

vorgehalten und wurde von diesem erklärt, daß der

Küchenrohaufschlag zu hoch sei. Dieser belaufe sich auf

höchstens 200 % und wurde angeboten, mit dem Koch des

Unternehmers die Rezepturen nochmal eingehend durchzusprechen.

In Anwesenheit des Abgabepflichtigen und seines Kochs wurden sodann die Küchenrezepturen nochmals durchbesprochen und die entsprechenden Wareneinsatzanteile ermittelt. Dies führte zu einem Rohaufschlag "Küche" von 230 %. Es wurde sodann weiters (letztmalig im Zuge der Schlußbesprechung) noch vorgebracht, daß verschiedene Weine in 7/10-Flaschen offen ausgegeben würden und daß der Küchenrohaufschlag im Hinblick auf die angebotenen Speisen und damit zusammenhängend auf die Verwendung besonders teurer Zutaten sehr hoch sei. Auch müsse berücksichtigt werden, daß die Speisen immer frisch zubereitet werden und daher die Berücksichtigung eines größeren Schwundes angebracht wäre. Dem mußte vorerst entgegengehalten werden, daß anläßlich der Besprechung der Rezepturen mit dem Koch des Unternehmens von diesem erklärt wurde, daß versucht wird, den Schwund sehr nieder zu halten. Dies gelingt dadurch, daß aufgrund der Erfahrungswerte eben die Vorbereitungen an Küchenzutaten im entsprechenden Ausmaß vorgenommen werden um den ansonsten höheren Verderb hintanzuhalten. Da für die neuerlichen Einwendungen keine Aufzeichnungen vorliegen, könnten sie nur im Schätzungswegen und in freier Beweiswürdigung Berücksichtigung finden:

                                  1986                     1987

a) Getränkewareneinsatz             456.000,--       386.000,--

+ 313 % RA                        1,427.000,--     1.208.000,--

Getränkeumsatz                    1,883.000,--     1,594.000,--

- für Einwendungen                   85.000,--        74.000,--

Getränkeumsatz lt. Prüfung

(=294 %)                          1,798.000,--     1,520.000,--

Getränkeumsatz lt. Erklg.         1,578.000,--     1,486.000,--

Zuschätzg. gem. § 184 BAO           220.000,--        34.000,--

                                  1986                     1987

Küchenwareneinsatz                1,177.000,--       883.000,--

+ 230 % RA                        2,707.000,--     2,031.000,--

Küchenwarenumsatz                 3,884.000,--     2,914.000,--

- für Einwendungen                  353.000,--       265.000,--

Küchenwarenumsatz (=200 %)        3,531.000,--     2,649.000,--

      -"-         lt. Erklg.      3,300.000,--     2,383.000,--

Zuschätzung gem. § 184 BAO          231.000,--       266.000,--

                                    ==========       ==========

Zum Hinweis auf erfolgten "Diebstahl jeglicher Art" in der Beantwortung des Mängelvorhaltes wird ausgeführt, daß im Zuge der durchgeführten Besprechungen seitens des Unternehmers bzw. seines Vertreters darauf nicht hingewiesen wurde. Diebstahl zu unterstellen würde Warenverluste in folgender Höhe bedeuten:

                                  1986                     1987

Getränkewaren                        55.837,--         8.629,--

Küchenwaren                          77.000,--        88.666,--

insgesamt                           132.837,--        97.295,--

                                    ==========        =========

Warendiebstähle in der vorstehend angeführten Höhe müßten vom Unternehmer bemerkt werden und sodann auch nachgewiesen werden. Ein Nachweis wurde auch in der Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages nicht erbracht, sondern es wurde lediglich diesbezüglich die Vermutung aufgestellt. Da gegen die ermittelten und auf den jeweiligen Wareneinsatz angewandten Rohaufschläge keine Einwendungen vorgebracht wurden (siehe auch Niederschrift über die Schlußbesprechung) wurde offensichtlich der pauschale Einwand "Diebstahl" als letzte Möglichkeit in Erwägung gezogen, die verbliebenen Kalkulationsdifferenzen zu entkräften. Im Hinblick auf die Höhe (sowohl Umsatz- als auch Einsatz) und mangels der Erbringung irgend eines Nachweises BZW. HINWEISES (z.B. wer bzw. wann ein etwaiger Diebstahl, wann dieser vom Unternehmer bemerkt wurde) kann diesem Argument nicht nähergetreten werden.

Zum Vorbringen einer computergesteuerten Anlage bzw. zur Aussage betreffend Bonieren durch den Unternehmer wird ausgeführt:

Die "computergesteuerte Anlage" stellt eine Registrierkasse dar, bei der die Preise eingegeben sind und unter Anwendung einer Zahl oder Taste die gewünschte Speise bzw. das gewünschte Getränk tischweise boniert ist. Auf Abruf wird dann automatisch die Tischrechnung erstellt. Es handelt sich aber nicht um eine Anlage, z.B. die eines "Schankomaten", wo zumindest die Getränkeentnahme durch das Bedienungspersonal gekoppelt ist mit der Bonierung. Ob der Unternehmer selbst boniert hat oder nicht, wurde im Zuge der Prüfung nicht festgestellt. Auf die Ermittlung des Umsatzes hat aber diese Feststellung überhaupt keinen Einfluß.

Weiters muß noch darauf hingewiesen werden, daß in den Jahren 1986 und 1987 buchhalterische Mängel festgestellt wurden (siehe Tz. 14 des Bp-Berichtes), aufgrund derer nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die Schätzungsberechtigung gegeben ist."

Die Begründung der das Streitjahr 1988 betreffenden,

ebenfalls abweislichen Berufungsvorentscheidung lautet wie

folgt:

"a) Folgender Rohaufschlag wurde erklärt: Küchenwaren 146 %

Getränke 256 %

b) Unter Berücktsichtigung der Einwendungen des Abgabepflichtigen ermittelte gem. § 184 BAO zugeschätzten Kalkulationsdifferenzen:

Getränkewaren-                   Küchenwaren-

einsatz         S   372.000,--   einsatz         S   859.000,--

+ 313 % RA      S 1,164.000,--   + 230 % RA      S 1,976.000,--

Getränke-                        Küchenwaren-

umsatz          S 1,536.000,--   umsatz          S 2,835.000,--

- für                            - für

Einwendungen    S    71.000,--   Einwendungen    S   258.000,--

Getränkeumsatz lt.               Küchenwaren-

Prfg. (=294 %)  S 1,465.000,--   umsatz (200 %)  S 2,577.000,--

Getränkeumsatz                   Küchenwarenum-

lt. Erklg.      S 1,328.000,--   satz lt. Erklg. S 2,113.000,--

Zuschätzg. gem.                  Zuschätzg. gem.

§ 184 BAO           137.000,--   § 184 BAO           464.000,--

                    ==========                       ==========

Für 1988 muß besonders darauf hingewiesen werden, daß ein Teil der verbleibenden Kalkulationsdifferenz (S 230.000,--) auf einem Fakturierungsfehler beruhen dürfte. Für eine Veranstaltung im August 1988 (AVL-Seminar) wurde die Rechnung von der Nachfolgefirma des Unternehmers gestellt, obwohl die Leistung durch das geprüfte Einzelunternehmen erbracht wurde.

c) Im übrigen wird auf die Ausführung in der Berufungsvorentscheidung betreffend die Jahre 1986 und 1987 hingewiesen."

In seinen daraufhin gestellten Anträgen auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz kündigte der Beschwerdeführer eine in der Folge aber nicht beigebrachte zusätzliche Begründung seiner Berufung an. Mit weiteren Schriftsätzen beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die erstinstanzlichen Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für die Streitjahre ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgewiesen; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß den vom Beschwerdeführer bei der Prüfung vorgebrachten Einwendungen durch entsprechende Abschläge hinlänglich Rechnung getragen worden sei. Das Berufungsvorbringen sei dagegen nicht substantiiert, sondern erkläre die Rohaufschlagsdifferenzen nur ganz allgemein mit Diebstahl jeglicher Art bzw. Schwund im Küchenbereich. Daß nach der Behauptung des Beschwerdeführers dieser niemals die Bonierung in die Registrierkasse vorgenommen habe, sei für die Nachkalkulation ohne Bedeutung. Eine mündliche Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde sei nicht durchzuführen gewesen, weil der darauf abzielende Antrag verspätet gestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer zunächst die Berechtigung zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre in Abrede stellt, weil die Kalkulationsdifferenzen in allen Streitjahren "bei Gesamtbetrachtung" unter der Toleranzgrenze von 10 % lägen - die belangte Behörde beziffert in ihrer Gegenschrift das Ausmaß der Kalkulationsdifferenzen mit 9,09 % (1986), 7,59 % (1987) bzw. 8,67 % (1988) -, verkennt er, daß die Überschreitung dieser Grenze nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann erforderlich ist, wenn sich durch eine Nachkalkulation Bedenken ob der sachlichen Richtigkeit einer FORMAL ORDNUNGSMÄßIGEN BUCHFÜHRUNG ergeben (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1974, Zl. 1676/72, und das dort zitierte Vorerkenntnis). Im vorliegenden Fall hat jedoch der Beschwerdeführer die schon vom Prüfer festgestellten Mängel seiner Buchführung niemals bestritten. Schon wegen der Art der festgestellten Mängel konnte die Buchführung des Beschwerdeführers nicht als verläßliche Grundlage für die Besteuerung dienen, weswegen im Hinblick auf die Bestimmungen des § 184 BAO eine Schätzung geboten war.

Hinsichtlich der Schätzungsmethode durch Nachkalkulation der Rohaufschläge bringt die Beschwerde nichts vor. Umstritten ist lediglich die Höhe der Zuschätzungen, wobei aber der belangten Behörde beizupflichten ist, daß es der Beschwerdeführer im Abgabenverfahren unterlassen hat, zielführende substantiierte Behauptungen und Beweisanträge zur Ermittlung wirklichkeitsnaher Schätzungsgrundlagen zu erstatten. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Diebstähle bzw. der von ihm behauptete Schwund in der Küche seines Restaurants wurden durch keinerlei konkrete Anhaltspunkte untermauert; mangels solcher erscheinen die schon in den Berufungsvorentscheidungen nachvollziehbar angestellten Überlegungen bei der Schätzung nicht erschüttert. Das übrige gegen die Schätzungsergebnisse gerichtete Tatsachenvorbringen der Beschwerde ist wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich.

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer eine Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde nicht rechtzeitig beantragt hat und daß daher die Durchführung einer Berufungsverhandlung nicht über Parteienantrag zu erfolgen brauchte. Daß die belangte Behörde eine solche Verhandlung aber nicht von Amts wegen durchgeführt hat, kann eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers schon deswegen nicht bewirken, weil ein neben dem ohnehin statuierten Antragsrecht bestehendes subjektives Recht auf amtswegige Durchführung einer solchen Verhandlung der Verfahrenspartei nicht eingeräumt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1993, Zl. 91/13/0125). Die Durchführung der Verhandlung war auch nicht zur Vermeidung eines ansonsten anzunehmenden wesentlichen Verfahrensmangels erforderlich.

Da sohin der angefochtene Bescheid frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes und auch frei von wesentlichen Verfahrensmängeln ist, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992150091.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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