Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
BArbSchV §43 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 25. Mai 1993, Zl. VwSen-220553/2/Lg/Fb, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: A in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Das gegen den Mitbeteiligten ergangene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 15. März 1993 enthält folgenden Schuldspruch (Spruchteile gemäß § 44a Z. 1 und 2 VStG):
"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gem. § 9 Abs. 1 VStG der Arbeitgeberin "A-Ges.m.b.H.", L, W-Str. 80, zu vertreten, daß auf der Baustelle K, wie von einem Organ des Arbeitinspektorates Linz anläßlich einer Überprüfung am 25.9.1991 festgestellt wurde, die Arbeitnehmer Z und M F mit Anstreicherarbeiten an der nordseitigen Dachfassade beschäftigt wurden, wobei die Traufenhöhe ca. 7 m und die Dachneigung ca. 15 Grad betrug und keine Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, getroffen worden waren, obwohl gem. § 43 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker-, Spengler-, Bauglaser- oder Anstreicherarbeiten erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden dürfen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 43 Abs. 1 der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954 i.V.m. § 31 Abs. 2 lit p, § 33 Abs. 1 lit a Ziff. 12 und § 33 Abs. 7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972 i.d.F. BGBl. Nr. 650/1989."
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Mai 1993 wurde der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.
In der Begründung führte die belangte Behörde - soweit für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde von Belang - im wesentlichen aus, der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses umschreibe die Tatzeit nicht hinreichend genau, da die bloße Angabe des Tages den Voraussetzungen einer hinlänglichen zeitlichen Konkretisierung nicht genüge. Nur bei (hier jedenfalls möglicher) Angabe der Uhrzeit wäre die Tat vom denkmöglichen Vorwurf einer oder mehrerer weiterer Taten am selben Tag hinreichend abgegrenzt gewesen. Gleiches gelte hinsichtlich des Tatortes im hier relevanten Sinn). Die Angabe "K" beziehe sich laut telefonischen Ermittlungen vermutlich auf Stiegen, die den bereits im Sommer 1991 bekanntgegebenen Hausnummern entsprächen. Es fehle daher nicht nur eine nach außen hin nachvollziehbare Umschreibung der geographischen Lage der Objekte, sondern auch ein näherer Hinweis darauf, an welchem der beiden Objekte der Tatort liegen solle. Auch genüge es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, die Worte des Tatbestandes zu wiederholen bzw. sich auf den reinen Gesetzeswortlaut zu beschränken. Bei Unterlassungsdelikten - als solches könne man die Bestimmung des § 43 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung deuten - fordere der Verwaltungsgerichtshof die individualisierte Beschreibung der erforderlichen Handlungen im Spruch. Das vorliegende Straferkenntnis umschreibe das rechtmäßige "Alternativverhalten" aber nur durch Wiederholung des im selben Satz zitierten Gesetzeswortlautes. In Hinsicht auf die in Rede stehenden Sprucherfordernisse könne nicht berücksichtigt werden, daß in der im Akt erliegenden Anzeige des Arbeitsinspektorates eine ausreichende zeitliche Konkretisierung ("ca. 14.00 Uhr") vorgenommen worden sei. Eine Richtigstellung des Abspruches im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme im vorliegenden Fall - mangels offener Verfolgungsverjährungsfrist bzw. ausreichend konkretisierter Verfolgungshandlung während dieser - nicht in Betracht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Was zunächst die Konkretisierung der Tatzeit anlangt, so ist eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob diese bei der dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Verwaltungsübertretung auch die Uhrzeit zu umfassen hatte, entbehrlich (vgl. allerdings zur Tatzeitanlastung mit dem Tagesdatum ohne Angabe der Uhrzeit in Hinsicht auf die Übertretung nach § 23 Abs. 3 erster Satz, zweiter Halbsatz, AAV das hg. Erkenntnis vom 9. März 1992, Zl. 91/19/0362), weil diese Uhrzeit ohnedies Gegenstand einer rechtzeitigen, tauglichen Verfolgungshandlung war. Aus der in der Begründung des angefochtenen Bescheides zitierten Anzeige geht nämlich hervor, daß der diesbezügliche Sachverhalt um "ca. 14.00 Uhr" festgestellt wurde. Diese Anzeige war Gegenstand der Einvernahme des Zeugen Z. am 6. November 1991. Diese Zeugenvernehmung stellte sohin eine geeignete Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG dar, welche den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschloß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1989, Zl. 89/03/0004).
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde entspricht die Tatortumschreibung im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (daß diese Gegenstand einer tauglichen Verfolgungshandlung war, wird von der belangten Behörde zu Recht nicht bezweifelt, vgl. die vorstehenden Ausführungen) der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG. Im Sinne des hg. Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A, ist nämlich nicht erkennbar, daß der Mitbeteiligte nicht in die Lage versetzt gewesen sein sollte, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und daß der Spruch nicht geeignet ist, den Mitbeteiligten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Insbesondere ergibt sich bereits aus der Niederschrift vom 15. Jänner 1992 über die Einvernahme des Mitbeteiligten, daß sich dieser sehr wohl bewußt war, auf welchen Ort sich der den Gegenstand der Anzeige (und in der Folge des Straferkenntnisses) beruhende Vorwurf bezieht.
Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung Tatumschreibungen in Hinsicht auf erforderliche, aber nicht vorhanden gewesene Sicherungseinrichtungen mit dem Wortlaut "Sicherungsmaßnahmen, die ein Abstürzen hintanhalten hätten können", "Einrichtungen ..., die geeignet gewesen wären, ein Abstürzen der Arbeitnehmer zu verhindern" und "Absturzsicherung" für unbedenklich befunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0239, und die dort zitierte Vorjudikatur). Auf dem Boden dieser Rechtsprechung ist auch nicht erkennbar, daß das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten wegen mangelnder Konkretisierung der gegen ihn durchgeführten Verfolgungshandlungen in Hinsicht auf die Tatanlastung einzustellen gewesen wäre.
Da die belangte Behörde somit die maßgebliche Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993020163.X00Im RIS seit
20.11.2000