TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/24 93/02/0270

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Veröffentlicht am 24.11.1993
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
25/01 Strafprozess;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

StPO 1975 §41;
StPO 1975 §452 Z7;
VStG §51a;
ZPO §63 Abs1;
ZPO §64 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in A, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 6. Oktober 1993, Zl. 1-738/93/E4, betreffend Abweisung eines Verfahrenshilfeantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde in Verbindung mit der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Über den Beschwerdeführer wurden mit erstinstanzlichem Straferkenntnis wegen Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 StVO Geldstrafen von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tage) und S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt. Er habe auf einem Volksschulparkplatz einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und danach weder an der Unfallstelle sofort angehalten noch die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl er dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen habe. Die Behörde nahm an, der Beschwerdeführer habe beim Rückwärtsfahren mit seinem Pkw ein Kinderfahrrad angefahren und beschädigt. Der Beschwerdeführer hatte sich damit verantwortet, er habe zwar beim Rückwärtsfahren ein Geräusch gehört, habe jedoch dabei gedacht, mit einem Rad an die Gehsteigkante angefahren zu sein.

Da der Beschwerdeführer beabsichtigte, gegen dieses Straferkenntnis Berufung zu erheben, beantragte er die Bewilligung der Verfahrenshilfe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag ab. Dem Vorfall liege kein Sachverhalt zugrunde, von dem angenommen werden müsse, daß die Beigebung eines Verteidigers im Interesse der Verwaltungsrechtspflege, vor allem in Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich sei. Es sei nämlich dem Beschwerdeführer leicht zuzumuten, die ihm zu seiner Verteidigung dienenden Argumente in dem vor dem Verwaltungssenat durchzuführenden Berufungsverfahren selbst vorzubringen. Auch hätten sich aus dem erstinstanzlichen Verfahren keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Beigebung eines Verteidigers ergeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 51a erster Satz VStG lautet:

Wenn der Beschuldigte außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die Kosten der Verteidigung zu tragen, dann hat der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, daß diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Verwaltungsrechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist.

Diese Regelung orientiert sich an § 41 StPO (vgl. aber auch § 452 Z. 7 StPO, sowie § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1 Z. 3 ZPO). Bei der Beurteilung der Interessen der Verwaltungsrechtspflege ist vor allem auf die zweckentsprechende Verteidigung Bedacht zu nehmen. Als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers werden besondere Schwierigkeiten der Sach- oder Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen sein (vgl. Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, zweite Auflage, Seiten 245 f, 249; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, Ergänzungsband, § 64 ZPO Anm. 10; MGA ZPO,

14. Auflage, § 64 E 5).

Im Beschwerdefall sind besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten nicht gegeben; dies auch dann nicht, wenn es für die im Vordergrund stehende Frage der Erkennbarkeit des Unfalles für den Beschwerdeführer der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfen sollte. Es handelt sich vielmehr um einen eher einfach gelagerten Fall. Daß die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz der Argumentation des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist, bedeutet nicht, daß er nicht in der Lage wäre, seinen Standpunkt vor dem unabhängigen Verwaltungssenat auch ohne anwaltlichen Beistand darzulegen. Was die Strafbemessung anlangt, so ist dem Beschwerdeführer zuzumuten, eine allfällige Unrichtigkeit der im Straferkenntnis enthaltenen Feststellungen über seine einschlägige Vorstrafe und über seine wirtschaftlichen Verhältnisse oder eine unzureichende Berücksichtigung seiner Situation selbst geltend zu machen. Die Strafhöhe von S 4.000,-- und S 5.000,-- gebot für sich allein die Beigebung eines Verteidigers nicht; eine höhere Strafe kann über den Beschuldigten im Berufungsverfahren gemäß § 51 Abs. 6 VStG nicht verhängt werden. Auch sonst ist eine besondere Tragweite des Rechtsfalls für den Beschwerdeführer nicht ersichtlich.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020270.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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