Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Y in S, vertreten durch Mag. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. April 1993, Zl. 594.548/8-III/16/93, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit an die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gerichteter Eingabe vom 22. Oktober 1991 stellte der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, den Antrag, "mir eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich in der Weise zu erteilen, daß ich berechtigt bin, mich in Österreich niederzulassen und aufzuhalten, und zwar durch die Erteilung eines vorerst auf zwölf Monate befristeten Wiedereinreise-Sichtvermerkes". Am 4. Mai 1992 beantragte er in dieser Angelegenheit den Übergang der Entscheidungspflicht an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg und am 9. November 1992 an das "Bundesministerium für Inneres".
Mit Bescheid vom 2. April 1993 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) diesen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer im Dezember 1990 ohne Sichtvermerk in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Der Beschwerdeführer sei vom Dezember 1990 bis "heute" ohne Sichtvermerk und somit illegal im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Er habe in seinem Antrag ausgeführt, zu einem in Österreich lebenden türkischen Freund gekommen zu sein und beabsichtigt zu haben, einige Zeit in Österreich zu verbleiben, um einen Koch-Fortbildungskurs zu besuchen. Sein Freund habe sich bereit erklärt, für seine Aufenthaltskosten aufzukommen und außerdem stehe eine Unterkunft zur Verfügung. Am 31. Jänner 1992 sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz rechtskräftig gemäß § 14 b Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz und gemäß § 16 Z. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Meldegesetz bestraft worden. Am 30. November 1992 sei von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz gegen ihn ein Straferkenntnis wegen Übertretung gemäß § 22 Abs. 3 und § 40 Abs. 2 Paßgesetz, Übertretung gemäß § 64 Abs. 1 KFG und einer Übertretung gemäß § 97 Abs. 5 in Verbindung mit § 99 Abs. 4 lit. i StVO erlassen worden. Gegen dieses Straferkenntnis habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben, betreffend die Übertretung gemäß § 64 Abs. 1 KFG lediglich gegen die Höhe der Strafe. Dieses Verwaltungsverfahren sei noch anhängig.
In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, das Verhalten des Beschwerdeführers stelle umso mehr einen Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG dar, da aufgrund der vorliegenden rechtskräftigen Bestrafung nach dem Meldegesetz und dem Fremdenpolizeigesetz die Annahme gerechtfertigt sei, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und bei dieser Gefährdung der Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z. 2 FrG erfüllt sei. Die Einreise eines sichtvermerkspflichtigen Fremden in das österreichische Bundesgebiet ohne Sichtvermerk stelle nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen dieser Art einen schwerwiegenden Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in "seinem Freiheitsrecht", in "seinen Vermögensrechten" und "in seinem Recht gemäß Art. 18 StGG" verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 FrG kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern ein gültiges Reisedokument vorliegt und kein Versagungsgrund gemäß § 10 gegeben ist. Der Sichtvermerk kann befristet oder unbefristet erteilt werden.
Zufolge des § 10 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu untersagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Die Beschwerde hält die Anwendung der zuletzt zitierten Bestimmung für rechtswidrig, weil "die nur geringfügigen Verwaltungsübertretungen" keinesfalls die Annahme zuließen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Was den illegalen Aufenthalt zwischen Einreise und Einbringung des Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes betreffe, sei darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer nicht gewußt habe, daß er verpflichtet gewesen wäre, umgehend einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes zu stellen. Sein Verschulden in diesem Punkt sei nur äußerst gering.
Dem Beschwerdeführer ist zu erwidern, daß es Sache des Fremden ist, sich schon vor der Einreise auf geeignete Weise über die maßgebliche Rechtslage zu erkundigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1993, Zl. 93/18/0282).
Der Beschwerdeführer tritt der maßgeblichen Sachverhaltsannahme, daß er im Dezember 1990 ohne österreichischen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei und sich seit diesem Zeitpunkt, ohne im Besitz eines solchen zu sein, in Österreich aufhalte, nicht entgegen. Bereits die Einreise nach Österreich ohne den erforderlichen Sichtvermerk und der daran anschließende unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigte die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer gefährde die öffentliche Ordnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0319, mit weiteren Nachweisen); die Berechtigung dieser Annahme wird zusätzlich noch durch den Verstoß des Beschwerdeführers gegen das Meldegesetz und gegen § 64 KFG unterstrichen. Bei dem zuletzt genannten Verstoß handelt es sich entgegen der Beschwerdeauffassung keinesfalls um eine geringfügige Verwaltungsübertretung, weil das Lenken eines KFZ ohne Lenkerberechtigung als schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 erster Fall FrG zu qualifizieren ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0474).
Da somit die belangte Behörde zu Recht den zwingenden Versagungstatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG als verwirklicht angesehen hat, war für die Ausübung von Ermessen unter Bedachtnahme auf die im § 7 Abs. 3 leg. cit. angeführten Kriterien kein Raum. Daraus folgt weiters, daß der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers betreffend Feststellung des Vorliegens von für den Beschwerdeführer sprechenden Gesichtspunkten nach dieser Gesetzesstelle der Boden entzogen ist.
In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Fremder ohne den erforderlichen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist ist und ihm auch in der Folge kein Sichtvermerk erteilt wurde, verbietet sich bei der Beurteilung, ob ein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vorliegt, eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden, weil ansonsten ein Wertungswiderspruch zu § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG entstünde. In den unter diese Gesetzesstelle zu subsumierenden Fällen, in denen ein Fremder rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist und sich zumindest vorübergehend erlaubterweise hier aufgehalten hat, kommt nämlich eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden nicht in Betracht (siehe das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0408, und das dort genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93, 445/93).
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180259.X00Im RIS seit
11.07.2001