TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/25 91/19/0075

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Veröffentlicht am 25.11.1993
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Index

60/02 Arbeitnehmerschutz;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ASchG 1972 §31 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs3;
ASchG 1972 §31 Abs5;
AZG §28 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 1. Februar 1991, Zl. VII/2a-V-709/2/1-91, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: J in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 22. Jänner 1990 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener einer namentlich genannten Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß zu näher bezeichneten Zeiten von Dezember 1988 bis März 1989 im Hotelbetrieb der Gesellschaft von drei namentlich genannten Arbeitnehmern die zulässigen Tagesarbeitszeiten und Wochenarbeitszeiten überschritten worden seien und daß diesen Arbeitnehmern die ununterbrochene Ruhezeit nach Beendigung der Tagesarbeitszeit sowie die ununterbrochene Wochenruhe nicht gewährt worden seien. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Mitbeteiligten Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Mit Bescheid vom 1. Februar 1991 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) der vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Folge und stellte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b erster Halbsatz VStG 1950 ein. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der vorliegende Dienstvertrag mit dem Hotelleiter, in dem diesem die Verantwortung für die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften übertragen werden sollte, sei vom Hotelleiter nicht unterschrieben worden, weshalb eine aus der Zeit vor der Tat stammende Zustimmungserklärung des Hotelleiters nicht vorliege und dieser nicht als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG anzusehen sei. Der Hotelleiter sei allerdings bis zu seiner Entlassung als Bevollmächtigter des Arbeitgebers im Sinne des § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz anzusehen. Daraus ergebe sich, daß der Hotelleiter für die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlungen verantwortlich sei. "Ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden (vgl. § 31/5 AnSchG)" sei dem Mitbeteiligten aber nicht zum Vorwurf gemacht worden. Nur in diesem Falle wäre er strafrechtlich (mit)verantwortlich gewesen. Dieses besondere Verschulden stelle ein Tatbestandsmerkmal dar. Der Berufungsbehörde sei eine Auswechslung der von der ersten Instanz als erwiesen angenommenen Tat verwehrt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gemäß § 9 Abs. 2 ArbIG 1974.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Entscheidung der belangten Behörde liegt - wie sich aus dem Hinweis auf § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz in der Begründung des angefochtenen Bescheides und den Ausführungen in der Gegenschrift ergibt - die Auffassung zugrunde, § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz, wonach Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar sind, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen, sei auf Fälle der Strafbarkeit des Arbeitgebers (des zur Vertretung nach außen Berufenen) nach § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz analog anzuwenden.

Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. März 1982, Zl. 81/11/0087, befaßt und die analoge Anwendung des § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz auf die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes abgelehnt. Die Verwaltungsakten und das Vorbringen der Parteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren enthalten nichts, was den Verwaltungsgerichtshof zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung veranlassen könnte. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis hinzuweisen.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht die analoge Anwendbarkeit des § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz auf Fälle der Strafbarkeit nach dem Arbeitszeitgesetz angenommen und die Strafbarkeit des Mitbeteiligten neben seinem Bevollmächtigten verneint. Schon aus diesem Grund hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Auf die Frage, ob im Falle der analogen Anwendbarkeit des § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz die Aufrechterhaltung des Schuldspruches durch die belangte Behörde tatsächlich, wie diese meint, eine unzulässige Tatauswechslung dargestellt hätte, brauchte demnach nicht weiter eingegangen zu werden.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991190075.X00

Im RIS seit

01.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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