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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bernegger, Dr. Stöberl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des M in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Juni 1993, Zl. 4.280.790/3-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Juni 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Jänner 1990, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, durch jeweils eine Kopie des angefochtenen Bescheides, der Niederschrift über die Vernehmung des Beschwerdeführers vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. September 1989, der Berufung des Beschwerdeführers vom 15. Februar 1990 sowie der Berufungsergänzung vom 23. Dezember 1992 belegte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 20. September 1989 im wesentlichen angegeben, daß er im Iran weder Mitglied einer politischen Organisation gewesen noch für eine solche tätig geworden sei. Im Jahre 1981 sei sein Bruder X gemeinsam mit seinem Freund R wegen angeblicher Mitgliedschaft bzw. Sympathie zur Untergrundbewegung der "Modjahedin" in Haft genommen worden. R, der 1988 freigelassen worden sei, sei am 13. August 1989 zum Beschwerdeführer nach Hause gekommen, um sich bei ihm für eine Nacht zu verstecken. Nach anfänglichen Bedenken hätte die Mutter des Beschwerdeführers R Unterkunft gewährt. Am nächsten Tag sei der Beschwerdeführer von einem seiner Brüder an seinem Arbeitsplatz telephonisch informiert worden, daß R von den Revolutionswächtern verhaftet worden sei und auch der Beschwerdeführer von den Behörden gesucht werde. Daraufhin hätte er sich versteckt gehalten, seine Brüder hätten ihm zur Flucht geraten.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, sein Bruder X sei Mitglied der Organisation der "Modjahedin" gewesen, nach siebenjähriger Haftzeit entlassen und wenige Monate danach wieder vom "Islamischen Komitee" verfolgt worden. Nachdem sein Bruder ein zweites Mal festgenommen - und vermutlich hingerichtet - worden sei, sei der Beschwerdeführer aus Angst vor einer Verhaftung in den Untergrund gegangen und in der Folge ausgereist.
In seiner ergänzenden Berufung legte der Beschwerdeführer dar, daß der in der Berufung vorgetragene Sachverhalt aufgrund sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten insoferne unrichtig ausgeführt worden sei, als die Entlassung und neuerliche Inhaftierung nicht den Bruder des Beschwerdeführers sondern - wie im erstinstanzlichen Verfahren richtig dargestellt - Herrn R betreffe. Der Bruder des Beschwerdeführers sei weiterhin in Haft und könne lediglich von seiner Mutter alle vier Monate besucht werden. Seine Mutter habe den Beschwerdeführer auch telephonisch davon in Kenntnis gesetzt, daß er von den Behörden (weiterhin) gesucht werde. Dieses Telephongespräch hätte seine Mutter "über Nachbarn" geführt, da ihr eigenes Telephon überwacht werde.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß die politische Tätigkeit des Bruders des Beschwerdeführers und dessen Freundes ebenso wie deren Schicksal im Asylverfahren des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden könnten, da in diesem Verfahren nur solchen Umständen Rechnung zu tragen sei, die die Person des Asylwerbers direkt beträfen. Eine gemeinsame politische Tätigkeit mit seinem Bruder oder dessen Freund habe der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet. Im übrigen seien die Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlich und zwar bereits im erstinstanzlichen Verfahren und deshalb unglaubwürdig. So habe er unter Punkt 7 der Niederschrift über seine Vernehmung am 20. September 1989 ausdrücklich erklärt, nicht gesucht zu werden und vor seiner Ausreise nach Österreich auch keine strafbaren Handlungen begangen zu haben. Weiters habe er, während er unter Punkt 9 der Niederschrift angegeben habe, daß seine Mutter in der Bundesrepublik Deutschland aufhältig sei, unter Punkt 15 angegeben, daß seine Mutter im Iran wohnhaft sei. Auch würden die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Berufung den erstinstanzlichen Angaben widersprechen, ebenso die Ausführungen in der ergänzenden Berufung, wonach die Mutter des Beschwerdeführers, die sich den erstinstanzlichen Angaben zufolge in Deutschland aufhalte, den Bruder des Beschwerdeführers alle vier Monate im Gefängnis besuchen könne. Nicht nachzuvollziehen sei auch, daß von den Behörden wegen der Unterschlupfgewährung lediglich der Beschwerdeführer, nicht aber auch dessen Mutter zur Verantwortung gezogen worden sei.
Für die Behörde sei dies ein wesentliches Indiz dafür, daß der eigentliche Grund für die Asylantrangstellung nicht Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung in seinem Heimatland sei, sondern daß dafür andere, asylfremde Gründe maßgeblich seien.
Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, er habe glaubhaft gemacht, daß er wegen der Unterschlupfgewährung mit unmittelbarer Verhaftung habe rechnen müssen. Die Auffassung der belangten Behörde, daß sein Vorbringen wegen der aufgezeigten Widersprüche unglaubwürdig sei, sei unzutreffend. Der Widerspruch zwischen den erstinstanzlichen Angaben und jenen in der Berufung sei durch die Berufungsergänzung aufgeklärt worden. Soweit sich jedoch in der Niederschrift über die Vernehmung des Beschwerdeführers vor der Sicherheitsdirektion Widersprüche fänden, die durch die ergänzende Berufung nicht ausgeräumt werden könnten, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, diese durch eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens aufzuklären.
Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, daß er bei Abgabe der Erklärung in Punkt 7 der Niederschrift vom 20. September 1989, in seinem Heimatland "nicht gesucht" zu werden, die diesbezüglich an ihn gerichtete Frage im vorliegenden Kontext, in dem es ausschließlich um die Begehung strafbarer Handlungen ging, nicht so verstehen mußte, daß darunter auch gegen ihn gerichtete Maßnahmen im Zusammenhang mit den von ihm geschilderten Fluchtgründen fallen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1993, Zl. 92/01/1028).
Dem Beschwerdeführer ist auch darin bezupflichten, daß die belangte Behörde auf Grund des § 20 Abs. 2 des - im vorliegenden Falle anzuwendenden - Asylgesetzes 1991 eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz vorzunehmen gehabt hätte, wären im erstinstanzlichen Verfahren aufgetretene, erhebliche Widersprüche nicht im Sinne des § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 erörtert worden. Es erübrigt sich aber, auf den diesbezüglich aufgezeigten Verfahrensmangel einzugehen, da die Behörde, selbst wenn er gegeben wäre, auch bei seiner Vermeidung nicht zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können und er daher nicht wesentlich wäre. Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, in seinem Heimatland Verfolgung aus einem der Gründe des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 fürchten zu müssen, trifft nämlich im Ergebnis zu.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers an. Das bedeutet, daß konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und glaubhaft gemacht werden müssen, aus denen die in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0745).
Den Angaben des Beschwerdeführers läßt sich aber nicht entnehmen, daß er Verfolgungshandlungen durch staatliche Behörden seines Heimatlandes ausgesetzt gewesen sei, die auf seine politische Gesinnung oder einen anderen Grund des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zurückzuführen gewesen wären. Vielmehr ergibt sich daraus, daß der Beschwerdeführer von den Behörden deshalb gesucht wurde, weil seine Mutter dem Freund seines Bruders, der nach der Schilderung des Beschwerdeführers von den Behörden wegen des Verdachtes regimefeindlicher Betätigung gesucht wurde, Unterschlupf gewährt habe. Dies stellt allerdings keine Verfolgung des Beschwerdeführers aus einem der Konventionsgründe, insbesondere dem der politischen Gesinnung dar, weil aus den Angaben des Beschwerdeführers nicht hervorgeht, daß man ihm selbst die politische Gesinnung des Freundes seines Bruders unterstellt oder ihn einer solchen zumindest verdächtigt habe (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0884).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Im Hinblick auf das Vorliegen einer Entscheidung über die Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993010730.X00Im RIS seit
11.07.2001