Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des V in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Juli 1993, Zl. 4.294.414/3-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, der am 2. März 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 15. Juni 1990, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 16. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 10. April 1990 angegeben, er sei ohne Bekenntnis und nicht Mitglied der kommunistischen Partei Vietnams. Er sei jedoch während der Schulzeit Mitglied der kommunistischen Jugendorganisation gewesen. Einige seiner Geschwister hätten auf Seiten der USA gegen Nordvietnam gekämpft, weshalb die Eltern des Beschwerdeführers enorme Schwierigkeiten gehabt hätten und der Beschwerdeführer keine höhere Schule habe besuchen können. Aus Mangel an Arbeitsplätzen in seinem Heimatland habe er sich seit 1988 als Gastarbeiter in der ehemaligen Tschechoslowakei aufgehalten, wo er als Elektriker in einer Schuhfabrik beschäftigt gewesen sei. Im Jahre 1991 wäre sein Arbeitsvertrag abgelaufen, weshalb er nach Vietnam hätte zurückkehren müssen. Da der Beschwerdeführer befürchtet habe, in seinem Heimatland wieder keinen Arbeitsplatz zu finden, habe er nicht mehr dorthin zurückkehren wollen und sei deshalb nach Österreich eingereist.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer, um seine Fluchtgründe verständlich zu machen, ausgeführt, sein Bruder sei früher Offizier in der Armee der vietnamesischen Republik gewesen und - als die Kommunisten an die Macht gekommen seien - für zwei Jahre gefangengenommen worden. Während der Zeit der Haft des Bruders sei die Familie des Beschwerdeführers unterdrückt worden. Sein Bruder sei nach seiner Haftentlassung infolge Folterungen und Malaria sehr krank gewesen. Der zweite Bruder des Beschwerdeführers habe an der Universität studiert, um Ingenieur zu werden, sei aber vom kommunistischen System zum Militär gezwungen worden und auf Grund einer Kriegsverletzung verkrüppelt. Als der Beschwerdeführer 1987 hätte einrücken müssen, habe ihn sein Vater zu entfernt wohnenden Verwandten geschickt, weil er ihm das Schicksal seiner Brüder habe ersparen wollen. Die Eltern des Beschwerdeführers seien deswegen einer Umerziehung in Form zweiwöchiger schwerster Arbeit unterstellt worden. Der Beschwerdeführer habe Angst gehabt, im Fall seiner Rückkehr nach Hause gefangen genommen zu werden. Sein Vater habe bis April 1988 alles versucht, um ihn in die ehemalige Tschechoslowakei zu bringen, was im Wege der Bestechung gelungen sei. In seinem Heimatland habe der Beschwerdeführer nicht bleiben können, weil ihm dort Gefängnis und Folter gedroht hätten. Aus Angst um sein Leben habe er in Österreich, einem demokratischen westlichen Land, Zuflucht gesucht.
Die belangten Behörde hat die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Ereignisse im Zusammenhang mit der Beendigung des Vietnamkrieges im Jahre 1976 zunächst dahin gewürdigt, daß diese zeitlich so weit zurücklägen, daß daraus begründete Furcht vor Verfolgung nicht mehr abgeleitet werden könne. Diese Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers steht in Übereinstimmung mit der ständigen hg. Judikatur, derzufolge Umstände, die sich schon längere Zeit vor der Ausreise ereignet haben, nicht mehr beachtlich sind; die wohlbegründete Furcht muß vielmehr bis zur Ausreise andauern (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, 1990, S 31, angeführte Judikatur).
Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ablehnung des in seinem Heimatland herrschenden kommunistischen Systems hat die belangte Behörde zu Recht nicht als Umstand angesehen, aus dem auf individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aus in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen bzw. auf begründete Furcht vor Verfolgung geschlossen werden könnte, weil die innere Abneigung eines Asylwerbers gegen ein herrschendes System oder gegen die allgemein herrschenden politischen Verhältnisse nicht geeignet ist, Furcht vor Verfolgung objektiv zu begründen (vgl. die bei Steiner, aaO, S. 28, angeführte Judikatur). Daß der Beschwerdeführer aber etwa diese Abneigung in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Weise zum Ausdruck gebracht hätte, hat er selbst nicht behauptet. Aus den nunmehr in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Umerziehungsmaßnahmen kann schon allein deshalb für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden, weil er im gesamten Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, er selbst wäre das Ziel solcher Maßnahmen gewesen, sondern lediglich ausgeführt hat, seine Eltern wären diesen Aktivitäten ausgesetzt gewesen. Aus den lediglich gegen seine Angehörigen gesetzten Maßnahmen, kann aber konkrete, gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht abgeleitet werden (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0710). Auch wäre die belangte Behörde zufolge § 20 Abs. 1 VwGG, der die belangte Behörde verpflichtet, ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen, nicht gehalten gewesen, sich mit der vom Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung geltend gemachten Umerziehung seiner Eltern auseinanderzusetzen. Daß sie sich trotzdem damit beschäftigt hat, belastet den angefochtenen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit. Zu Recht hat die belangte Behörde auch aus den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Erstbefragung, denenzufolge er legal zum Zweck der Arbeitsaufnahme in die Tschechoslowakei habe ausreisen können, den Schluß gezogen, daß zumindest im Zeitpunkt seiner Ausreise keine Gründe für gegen ihn gerichtete Verfolgung vorgelegen seien.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde gegen die Auffassung der belangten Behörde, die von ihm befürchtete Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung könne nicht als Verfolgung gewertet werden, einwendet, auch im Rahmen des Wehrdienstes sei im Zusammenhang mit der Ablehnung des kommunistischesn Systems politische Verfolgung denkbar, ist ihm entgegenzuhalten, daß aus einer nach außen nicht in Erscheinung getretenen und somit nicht bekannten Ablehnung eines Systems begründete Furcht vor Verfolgung auch im Zusammenhang mit der Ableistung des Wehrdienstes nicht abgeleitet werden kann.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist aus dem Vorliegen von Widersprüchen zwischen den Angaben eines Asylwerbers vor der Behörde erster Instanz und den Ausführungen in der Berufung allein noch nicht abzuleiten, daß ein offenkundiger Mangel des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, der gemäß § 20 Abs. 2 zu dessen Ergänzung oder Wiederholung führen müßte, vorliegt. Dies im Beschwerdefall umso weniger, als der Beschwerdeführer in der Berufung zwar die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides als ungenügend erachtet, einen offenkundigen Mangel des Verfahrens aber nicht behauptet hat.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da - wie aufgezeigt - ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen ist, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann auf Grund der Fertigung des angefochtenen Bescheid "für den Bundesminister" im Zusammenhang mit dem Kopf des Bescheides "Republik Österreich Bundesministerium für Inneres" kein Zweifel daran bestehen, daß dieser Bescheid dem Bundesminister für Inneres als Asylbehörde letzter Instanz zuzurechnen ist. Der Rüge der Unzuständigkeit der belangten Behörde kommt somit Berechtigung nicht zu.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Behördenbezeichnung Fertigungsklausel Verhältnis zu anderen Materien und Normen AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993010869.X00Im RIS seit
27.11.2000