TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/26 93/01/0108

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Veröffentlicht am 26.11.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §3;
AsylG 1991 §8 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juli 1992, Zl. 4.320.026/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 10. Juli 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. August 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 22. Juli 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 16. Dezember 1992 die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und diese an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 18. Juli 1991 angegeben, in seinem Heimatland keiner politischen Organisation angehört zu haben. Sein Vater sei Anfang 1991 als Abgeordneter der sozialdemokratischen Partei Nigerias in den Bezirksrat gewählt worden. Den gegen seinen Vater seitens der Opposition erhobenen Vorwurf des Wahlbetruges habe dieser durch Anrufung des Gerichtes entkräften können. Dennoch sei dem Vater des Beschwerdeführers für den Fall, daß er sein Mandat nicht zurücklege, seitens der Opposition gedroht worden. Als der Beschwerdeführer und sein Vater Anfang Mai 1991 nicht zu Hause gewesen seien, hätten Angehörige der oppositionellen Partei das Elternhaus des Beschwerdeführers angezündet, wobei seine Schwester getötet worden sei. Als der Beschwerdeführer das zerstörte Haus vorgefunden und dies seinem Vater mitgeteilt habe, habe ihm dieser geraten Nigeria zu verlassen, um nicht von der Opposition umgebracht zu werden. Dem sei der Beschwerdeführer unter Zuhilfenahme eines ohne Schwierigkeiten erlangten Passes nachgekommen.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, er habe sein Heimatland deshalb verlassen, weil seine Familie von einer Oppositionsgruppe verfolgt worden sei. Sein Vater sei am 8. Dezember 1990 zum neuen Vorsitzenden der "S.D.P" (Sozialdemokratischen Partei) gewählt worden. Der Leiter der Opposition habe ihn vor Gericht gebracht, wo jedoch sein Sieg bestätigt worden sei. In der Zwischenzeit sei die sechzehnjährige Schwester des Beschwerdeführers verschwunden. Nachdem der Oppositionsleiter seine Anhänger zusammengerufen habe, sei es zu einer Demonstration gegen den Vater des Beschwerdeführers gekommen, bei der die achtungzwanzigjährige Schwester des Beschwerdeführers schwer verletzt worden und in der Folge im Krankenhaus gestorben sei. Sein Vater habe alles daran gesetzt, um die Flucht des Beschwerdeführers zu ermöglichen, weil er einen Mord an einem weiteren Familienmitglied habe vermeiden wollen.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers insbesondere damit begründet, daß er lediglich Schwierigkeiten seines Vaters mit der Opposition bzw. deren Übergriffe gegen seine Angehörigen geltend gemacht habe. Daraus könnten aber gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Angriffe oder begründete Furcht vor solchen nicht abgeleitet werden. Diese Argumentation der belangten Behörde steht im Einklang mit der hg. Rechtssprechung, derzufolge nur den Asylwerber selbst betreffende Nachteile, nicht aber Maßnahmen, die gegen seine Angehörigen gesetzt wurden, als Grund für die Asylgewährung in Frage kommen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0821).

Der belangten Behörde ist auch beizupflichten, wenn sie das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Vorgehen der Oppositionspartei bzw. einer Gruppe derselben gegen seine Angehörigen deswegen nicht als Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) aufgezählten Gründe gewertet hat, weil das von dieser Organisation bzw. von Privatpersonen gesetzte Handeln nicht dem Staat zugerechnet werden kann und der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, den Schutz staatlicher Stellen vergeblich gesucht zu haben. Soweit er letzteres nunmehr erstmals in der Beschwerde insoweit vorbringt, als er behauptet, es gebe in seinem Heimatland gegen derartiges Vorgehen der Opposition keinen ausreichenden staatlichen Schutz, unterliegt er mit diesen Angaben dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot, weshalb auf diese nicht weiters einzugehen war.

Der Beschwerdeführer hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil es die belangte Behörde unterlassen habe, ihm gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1991 den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu bewilligen. Gemäß dieser Gesetzesstelle kann die Asylbehörde aus Anlaß der Erlassung eines Bescheides, mit dem ein Asylantrag abgewiesen wird, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen einem Fremden von Amts wegen den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet bewilligen, wenn die Abschiebung rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist oder ihm wegen der Situation in seinem Heimatstaat aus wichtigen Gründen nicht zugemutet werden kann. Daraus folgt, daß ein Abspruch über die Erteilung einer auf diese Bestimmung gestützten Bewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht Bestandteil eines einen Asylantrag abweisenden Bescheides sein muß. Auch ist die Frage, ob eine derartige Bewilligung erteilt werden kann, völlig losgelöst von der Frage, ob einem Asylwerber aus Gründen des § 3 Asylgesetz 1991 Asyl zu gewähren ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0545). Das Fehlen eines solchen Abspruches im angefochtenen Bescheid entsprach daher dem Gesetz.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde auch nicht gehalten, ihm ihre rechtliche Würdigung seines Vorbringens vorzuhalten. Darüber hinaus hat er in der Beschwerde lediglich geltend gemacht, daß er im Fall eines solchen Vorhaltes auf Berichte über die allgemeine Lage in seinem Heimatland hätte hinweisen können. Ein solches Vorbringen wäre aber mangels Darlegung einer konkret gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung nicht geeignet gewesen, einen anders lautenden Bescheid zu bewirken.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010108.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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