TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/26 93/01/0846

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Veröffentlicht am 26.11.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juli 1993, Zl. 4.331.119/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. April 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 8. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 6. März 1992 angegeben, er sei seit 1989 Mitglied der SDP (Sozialdemokratische Partei). Im Oktober 1991 sei es im Rahmen einer christlichen Veranstaltung zu Ehren eines Geistlichen aus der Bundesrepublik Deutschland zu heftigen Zusammenstößen zwischen Moslems und Christen gekommen, wobei 2.000 Personen, darunter die Eltern des Beschwerdeführers, den Tod gefunden hätten. Aus Verbitterung habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Freund Rache üben wollen und zu diesem Zweck die Moschee und mehrere Fahrzeuge von Moslems in Brand gesetzt, wobei auch einige Moslems verletzt worden seien. Der Beschwerdeführer sei von der Polizei als Verantwortlicher für diese Vorfälle ermittelt und deshalb zur Fahndung ausgeschrieben worden. Der Beschwerdeführer habe sich daraufhin zweieinhalb Monate in Kamerun aufgehalten, sei dann nach Nigeria zurückgekehrt und habe sich, weil die Fahndung noch aufrecht gewesen sei, zum Verlassen seines Heimatlandes entschlossen. Im Fall seiner Rückkehr müsse er mit lebenslanger Haft rechnen.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer ergänzend geltend gemacht, er sei in der katholischen Kirche aktiv gewesen. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen seien nicht nur seine Eltern getötet, sondern auch er selbst am Bein und am Rücken verletzt worden. Da er während seines Aufenthaltes in Kamerun erfahren habe, daß man ihn ausfindig gemacht habe, sei er nach Lagos zurückgekehrt, um von dort über den Flughafen Nigeria verlassen zu können.

Die belangte Behörde hat der Berufung des Beschwerdeführers zunächst deshalb keine Folge gegeben, weil aus der "Verletzung" von angeblich 2.000 Personen anläßlich der Zusammenstöße zwischen Christen und Moslems konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende oder von diesen geduldete Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen nicht abgeleitet werden könne. Diese Argumentation der belangten Behörde geht zwar nicht von den Behauptungen des Beschwerdeführers aus, doch ist ihr im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegenzutreten, weil der Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz weder vorgebracht hat, es seien gegen ihn selbst gerichtete Aktivitäten gesetzt worden, noch geltend gemacht hat, es habe sich um staatliches Vorgehen gehandelt.

Die belangte Behörde hat auch zu Recht dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei wegen des Inbrandsetzens der Moschee und von Fahrzeugen von Moslems nach ihm gefahndet worden, keine asylrechtliche Relevanz beigemessen, handelt es sich doch bei diesen Taten des Beschwerdeführers um solche, die der allgemeinen Kriminalität zuzurechenen sind und die nicht in einem derartigen Naheverhältnis zu einer politischen Tätigkeit oder politischen Meinung bzw. religiösen Gesinnung stehen, welches es rechtfertigen würde, die wegen dieser Taten drohende Strafverfolgung als Verfolgung wegen politischer oder religiöser Gesinnung (oder aus einem der anderen in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe) anzusehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0086). Der Beschwerdeführer wäre daher gehalten gewesen, sich dem gegen ihn erhobenen Vorwurf der von ihm gar nicht bestrittenen Begehung der angeführten - auch in Österreich strafbaren - Taten zu stellen und eine deswegen über ihn verhängte Strafe auf sich zu nehmen.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde ausführt, er habe in seiner Berufung die unvollständige Wiedergabe seines Vorbringens in der Niederschrift über seine Ersteinvernahme gerügt und damit eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens geltend gemacht, ist ihm entgegenzuhalten, daß er in diesem Zusammenhang in der Berufung lediglich bei den Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems erlittene Verletzungen vorgebracht, nicht aber dargelegt hat, welche sonstigen Angaben in die angeführte Niederschrift nicht aufgenommen worden wären. Da aus den nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung seines Berufungsvorbringens geltend gemachten Verletzungen allein keine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers abgeleitet werden kann, hätte die belangte Behörde, selbst wenn es sich um eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens gehandelt haben sollte, auch bei Ergänzung dieses Verfahrens angesichts der übrigen bereits dargestellten Angaben des Beschwerdeführers zu keinem anderen Bescheid gelangen können. Dem Beschwerdeführer ist daher insoweit die Aufzeigung eines wesentlichen Verfahrensmangels nicht gelungen.

Mit der erstmals in der Beschwerde vorgetragenen Behauptung, die staatlichen Stellen seines Heimatlandes seien nicht in der Lage oder nicht gewillt, Verfolgungen von Moslems gegenüber Christen hintanzuhalten, unterliegt er dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot, weshalb auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen war.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten "Fahnung" (richtig wohl Verhandlung) in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010846.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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