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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl mangels eines Nachweises des behaupteten rechtswidrigen Verhaltens des Vorsitzenden der GemeindewahlbehördeSpruch
Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Am 25. März 1990 fand die mit Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. Oktober 1989, LGBl. 0350/54-1, ausgeschriebene Wahl zum Gemeinderat der Marktgemeinde Prottes, Bezirk Gänserndorf, statt.
1.1.2. Dieser Wahl lagen von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ), der "Liste F L" und der "Namensliste L D Bürgermeister" eingebrachte, von der Gemeindewahlbehörde überprüfte und gemäß §34 der NÖ Gemeindewahlordnung 1974 (GWO), LGBl. 0350-6, kundgemachte Wahlvorschläge zugrunde.
1.1.3. Laut Feststellung der Gemeindewahlbehörde entfielen von den 950 abgegebenen gültigen Stimmen - 19 wurden als ungültig gewertet - auf die
ÖVP 386 (8 Mandate), SPÖ 317 (6 Mandate),
Liste F L 18 (0 Mandate), Namensliste L D Bürgermeister 229 (5 Mandate).
1.2.1. Wegen näher bezeichneter Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens - und zwar dem Sinn nach vor allem deswegen, weil mehrere Personen unter der Vorgabe, Unterstützungsunterschriften für den bisherigen Bürgermeister (D) zu leisten, (von Parteifunktionären) zur Unterfertigung einer Erklärung veranlaßt worden seien, womit sie einer Kandidatur auf der "Namensliste L D Bürgermeister" zustimmten - erhob L F als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der "Liste F L" gemäß §57 GWO eine (Administrativ-)Beschwerde, die mit Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. Juni 1990, Z II/1-118/1-90, als unbegründet abgewiesen wurde.
1.2.2. In der Begründung dieses Bescheids - der L F am 6. Juni 1990 zugestellt wurde - heißt es ua. wörtlich:
"... (Es) ist festzuhalten, daß (das) Vorbringen (in der Beschwerde) - selbst wenn es zutreffen sollte - nicht zur Aufhebung des Wahlverfahrens führen könnte. Nach §57 Abs3 GWO können nur Rechtswidrigkeiten, die von den Wahlbehörden zu vertreten sind, zur Aufhebung des Wahlverfahrens führen. Die Anfechtungsschrift unterstellt ... jedoch einem Wahlwerber, eine Rechtswidrigkeit begangen zu haben ..."
1.3.1. Mit der vorliegenden, auf Art141 B-VG gestützten Wahlanfechtung beantragt die Wählergruppe "Liste F L", der Verfassungsgerichtshof "wolle ... das gesamte Verfahren zur Wahl des Gemeinderats der Gemeinde Prottes vom 25. März 1990 als rechtswidrig aufheben".
1.3.2. Die Landes-Hauptwahlbehörde beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung legte die Wahlakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin, die Wahlanfechtung als unzulässig zurückzuweisen, in eventu aber als unbegründet abzuweisen.
2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:
2.1.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
2.1.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.
2.1.1.3. Ein derartiger, die unmittelbare Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat der Marktgemeinde Prottes beim Verfassungsgerichtshof ausschließender Instanzenzug ist gemäß der Bestimmung des §57 Abs1 GWO vorgesehen. Danach kann die Wahl binnen vierzehn Tagen nach Verlautbarung des Wahlergebnisses ua. vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter einer Partei, die in der Gemeinde einen Wahlvorschlag rechtzeitig vorgelegt hat, mit Beschwerde bekämpft werden, und zwar "sowohl wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung als auch wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren".
Über die bei der Gemeindewahlbehörde schriftlich zu erhebende Beschwerde entscheidet in erster und letzter Instanz die Landes-Hauptwahlbehörde (§57 Abs6 GWO).
2.1.2.1. Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 1.2.1. ergibt, wurde die vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter L F gemäß §57 GWO wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ergriffene Beschwerde mit Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde vom 1. Juni 1990 als unbegründet abgewiesen.
2.1.2.2. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Frist zur Anfechtung der in Rede stehenden Gemeinderatswahl vor dem Verfassungsgerichtshof ist somit der 6. Juni 1990, das ist der Tag der Zustellung des Bescheids der Landes-Hauptwahlbehörde an L F.
Die am 3. Juli 1990 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift wurde also rechtzeitig eingebracht.
2.1.3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig, und zwar unbeschadet des Umstandes, daß der neugewählte Gemeinderat der Marktgemeinde Prottes nachträglich, und zwar mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Juli 1990, Z II/1-118/3-90, gemäß §94 Abs2 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-5, aufgelöst wurde.
2.2.1. In der Anfechtungsschrift wird ua. ausgeführt:
"... Vor Einreichung des Wahlvorschlags der 'Liste L D' sind eine Gemeindebedienstete, nämlich Frau A P, und ein anderer Wahlwerber dieser Liste, Herr J S, an eine Reihe von Bewohnern der Gemeinde Prottes herangetreten und haben um 'Unterstützungsunterschriften' für den Bürgermeister D geworben. Erst in späterer Folge haben mehrere dieser Personen erkannt, daß sie mit ihrer Unterschrift eine Kandidatur ihrer Person für die 'Liste L D' bestätigen. Mehrere dieser Personen wollten daraufhin ihre Unterschriften bei der Gemeindewahlbehörde zurückziehen, dies wurde jedoch von Herrn Bürgermeister L D als Gemeindewahlleiter zu Unrecht verweigert. Herr E W ist einer jener Mitbürger, dem trotz des beschriebenen Irrtums die Rücknahme seiner Kandidatur verweigert wurde.
...
§33 der GWO sieht jedoch ausdrücklich die Möglichkeit eines Verzichts des Bewerbers auf die Kandidatur vor. Das Wahlverfahren ist sohin ... insoweit rechtswidrig, als mehreren Kandidaten von der Gemeindewahlbehörde ein nachträgliches Ausscheiden aus der Kandidatenliste der 'Liste L D' verweigert wurde.
...
Darüberhinaus ist es zweifellos eine von der Gemeindewahlbehörde zu vertretende Rechtswidrigkeit, wenn diese ein Wahlergebnis in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit seines Zustandekommens feststellt, zumal der Vorsteher der Gemeindewahlbehörde als gleichzeitiger Listenführer jener wahlwerbenden Liste über die Gesetzwidrigkeiten im Zusammenhang (mit) der Erstellung des Wahlvorschlags seiner Wahlpartei nachweisbar Kenntnis hatte.
..."
2.2.2. Das entscheidungsrelevante - tatsächliche - Anfechtungsvorbringen, L D als Vorsitzender der Gemeindewahlbehörde habe mehreren Personen die Zurückziehung ihrer (irrtümlich geleisteten) Unterschriften auf einem Wahlvorschlag verweigert, trifft nach dem Ergebnis des - vom Verfassungsgerichtshof durchgeführten - Beweisverfahrens nicht zu:
L D gab gerichtlich als Zeuge vernommen glaubwürdig an, daß die in Rede stehende Namensliste (Kandidatenliste) ohne sein Zutun erstellt worden sei und er niemandem die Rückziehung einer Unterschrift verweigert habe. Auch die weiteren in der Anfechtungsschrift genannten Zeugen, die ebenfalls einvernommen wurden, vermochten die Tatsachenbehauptungen der anfechtenden Wählergruppe nicht zu bestätigen: L F kann nicht sagen, ob es im gegebenen Zusammenhang überhaupt zu Gesprächen mit L D gekommen sei. E W wieder ließ es - seiner Aussage zufolge - damals dabei bewenden, daß seiner Gattin auf die Bemerkung hin, ihr Ehemann "wolle nicht für den Gemeinderat kandidieren und man solle ihn von der Liste streichen", von einer Funktionärin der Wählergruppe (nicht von einem Organ der Wahlbehörde) telephonisch bedeutet wurde, es sei dazu zu spät.
2.2.3. Da folglich das behauptete Verhalten des Vorsitzenden der Gemeindewahlbehörde (Verweigerung der Unterschriftszurücknahme), von dem allein alle gerügten Rechtswidrigkeiten abgeleitet werden, zumindest nicht zweifelsfrei erweislich ist und der Verfassungsgerichtshof ein Wahlverfahren nur innerhalb der durch die Anfechtungserklärung gezogenen Grenzen zu überprüfen hat (VfSlg. 8700/1979, 9011/1981, 11732/1988; VfGH 1.3.1990 WI-6/89), mußte der unbegründeten Wahlanfechtung ein Erfolg versagt bleiben.
2.3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
Wahlen, Wahlvorschlag, Wahlbehörden, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:WI4.1990Dokumentnummer
JFT_10089387_90W00I04_00