TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/26 92/01/0738

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Veröffentlicht am 26.11.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bernegger, Dr. Stöberl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Juli 1992, Zl. 4.335.070/1-III/10/92 (richtig: 4.338.076/1-III/13/92), betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, vom 9. Juni 1992, mit dem diesem die Gewährung von Asyl versagt worden war, ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, der am 8. Juni 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat anläßlich seiner Erstbefragung am 9. Juni 1992 beim Bundesasylamt angegeben, er sei 1984 wegen staatsfeindlicher Tätigkeiten festgenommen und angeklagt, am 26. Juni 1984 jedoch von einem Militärgericht freigesprochen worden. Seit 1987 habe er als Sympathisant für die PKK Flugblätter und Zeitschriften verteilt und sei daher mehrmals von der Polizei angehalten, festgenommen und zur Einvernahme auf die Polizeidienststelle gebracht worden. Im November 1991 sei er, nachdem mehrere Angehörige der PKK und der Zivilbevölkerung ermordet worden waren, als Verdächtiger festgenommen und zwei Tage inhaftiert worden. Dabei sei er über die Hintermänner der PKK befragt, mehrmals geschlagen und mit dem Tode bedroht worden, sollte er weiter für die PKK arbeiten. Trotz weiterer Aktivitäten habe er jedoch bis zu seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mehr mit den Sicherheitsbehörden gehabt. Bereits Anfang 1992 habe er sein Taxi - die Grundlage seines Unternehmens - verkauft und mit allen Mitteln versucht, einen Reisepaß zu erhalten. Für umgerechnet ca. 1000 DM sei ihm dies schließlich auch gelungen. Am 27. Mai 1992 sei er legal aus der Türkei ausgereist und über Bulgarien nach Rumänien gefahren. Illegal habe er die Grenze nach Ungarn und auch die nach Österreich überschritten.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen und führte aus, daß die Kurden in der Türkei mißhandelt, unterdrückt und isoliert würden. Unmittelbar vor seiner Ausreise habe die Polizei nach ihm gesucht, bei ihm eine Hausdurchsuchung vorgenommen und seine Frau nach seinem Aufenthalt befragt. Dies sei das auslösende Moment für seinen Entschluß, die Türkei zu verlassen, gewesen.

Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers, keine Anhaltspunkte dafür ergeben habe, daß er Flüchtling "im Sinne des Asylgesetzes" (gemeint: Asylgesetz 1991) sei.

Der Beschwerdeführer wendet sich zwar mit Recht gegen die von der belangten Behörde gebrauchte Argumentation, er habe die PKK, ihrer Meinung nach eine notorisch gewaltbejahende und -tätige Gruppe, unterstützt, woraus sie zusammenfassend abgeleitet hat, daß die von ihm behauptete Verfolgung wegen krimineller Handlungen seinerseits und nicht wegen seiner Gesinnung erfolgt sei. Die belangte Behörde hat - wie unter anderem auch in dem dem Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703, zugrunde liegenden Beschwerdefall, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird - diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und keine entsprechenden Feststellungen getroffen, wobei auch im vorliegenden Beschwerdefall zu bemerken ist, daß sie den im § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 (Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Ausschließungsgrund nicht herangezogen hat. Desgleichen hat es die belangte Behörde unterlassen, hinsichtlich der von ihr als eine "notorische Tatsache" bezeichnete Feststellung, daß in der Türkei kein Kurde allein wegen seiner Abstammung verfolgt werde, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme zu bieten, jedoch sind darin keine wesentlichen Verfahrensmängel zu erblicken, weil die belangte Behörde auch sonst nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können.

Soweit der Beschwerdeführer nämlich angibt, seit 1987 infolge Verteilens von Flugzetteln und Zeitschriften mehrmals von der Polizei angehalten, festgenommen und zur Einvernahme auf die Polizeidienststelle gebracht worden zu sein, so kommt diesem gegen ihn gerichteten polizeilichen Vorgehen nicht der Charakter von Eingriffen zu, die ihrer Intensität nach als Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) zu qualifizieren sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0964). Ebensowenig hätte die belangte Behörde aus der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verhaftung im November 1991 sowie aus der darauffolgenden zweitägigen Anhaltung im Zusammenhang mit der Ermordnung von PKK-Mitgliedern und Zivilpersonen, anläßlich derer er auch geschlagen und bedroht worden sei, gegen ihn gerichtete Verfolgung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle ableiten können. Dabei fehlt es nämlich allein schon an dem erforderlichen zeitlichen Konnex zur Ausreise des Beschwerdeführers Ende Mai 1992 (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0972), zumal der Beschwerdeführer angegeben hat, daß er trotz fortgesetzter Aktivitäten für die PKK keine weiteren Schwierigkeiten mit der türkischen Polizei gehabt habe.

Der Beschwerdeführer hat auch geltend gemacht, die belangte Behörde habe sich mit seinem Vorbringen, die Ausstellung eines Reisepasses letztendlich erst gegen Bezahlung von DM 1.000,-- erreicht zu haben, nicht auseinandergesetzt. Auch diese - zu Recht erhobene - Rüge vermag aber nicht eine die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach sich ziehende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht dargelegt hat, aus welchen Gründen ihm die Ausstellung eines Reisepasses verweigert worden bzw. nur gegen Bezahlung des angeführten Betrages möglich gewesen sei.

Wenn der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe seinem Berufungsvorbringen bezüglich der vorgebrachten Hausdurchsuchung zu Unrecht die Glaubwürdigkeit versagt, so ist ihm entgegenzuhalten, daß sich die belangte Behörde bei ihrer Berufungsentscheidung gemäß § 25 Abs. 2 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz beschränken und mit dem Berufungsvorbringen gar nicht hätte auseinandersetzen müssen, zumal kein Fall des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 behauptet wurde oder erkennbar ist. Wenn nun die belangte Behörde auch das darüber hinausgehende Berufungsvorbringen auf seine Glaubwürdigkeit geprüft und diese verneint hat, ergibt sich daraus keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0795).

Zu der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Beschränkung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung ist festzuhalten, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine konkrete Verfolgungshandlung darstellt, wenn das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung im Heimatland eines Asylwerbers nicht gewährleistet ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 2. März 1988, Zl. 87/01/0284).

Da sich somit ergibt, daß es dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht gelungen ist, das Vorliegen von im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Fluchtgründen für seine Person glaubhaft zu machen, kann eine Erörterung der Frage, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Ungarn geeignet war, ihm Sicherheit vor Verfolgung bzw. Rückschiebung zu bieten, unterbleiben.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010738.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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