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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des NN in H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 18. Jänner 1993, GZ. 223.717/9-110C/92, betreffend Vorrückungsstichtag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit 1. Dezember 1988 zum Universitätsassistenten ernannt; mit Bescheid vom 6. August 1992 wurde sein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund gemäß § 176 BDG 1979 übergeleitet. Seine Dienststelle ist das Institut für Germanistik der Universität X.
Vorher war der Beschwerdeführer u.a. vom Herbst 1973 bis Herbst 1979 als Lektor im Ausland tätig. Er unterrichtete an Universitäten in Italien, Polen und Frankreich deutsche Sprache und Literatur.
Im Zusammenhang mit seiner Ernennung beantragte der Beschwerdeführer die Vollanrechnung dieser Auslandstätigkeit. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer zunächst der 6. Juli 1972 als Vorrückungsstichtag festgesetzt. Am 7. Juni 1993 - während des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens - wurde der Vorrückungsstichtag bescheidmäßig insoweit berichtigt, als der Vorrückungsstichtag mit 13. Oktober 1972 festgesetzt wurde. Der angefochtene Bescheid (vom 18. Jänner 1993) ist lediglich wie folgt begründet:
"Das Gesamtausmaß der dem Tag ihrer Ernennung voranzusetzenden Zeiten beträgt 16 Jahre, 1 Monat und 18 Tage."
In der Begründung des Berichtigungsbescheides ist lediglich ausgeführt, durch einen Schreibfehler sei der Vorrückungsstichtag unrichtig festgesetzt worden.
Nach den Akten des Verwaltungsverfahrens wurde sowohl im Antrag auf Zustimmung zur Ermittlung des Vorrückungsstichtages vom 6. August 1992, als auch in einer schriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 21. November 1992 um Vollanrechnung seiner Lektorentätigkeit im Ausland vom Herbst 1973 bis Herbst 1979 ersucht.
Gegen den vorgenannten Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Der Beschwerdeführer hat in einer Beschwerdeergänzung den berichtigten Bescheid in gleicher Weise wie den seinerzeitigen Bescheid angefochten.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall wurde der zunächst erlassene Bescheid auf Grund eines offenkundigen Fehlers während des Verwaltungsgerichtshof-Verfahrens gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Zl. 86/11/0007, Slg. Nr. 12.329/A, unter Hinweis auf Vorjudikatur dargetan hat, bewirkt die Erlassung eines Berichtigungsbescheides im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG nicht, daß dieser an die Stelle des fehlerhaften Bescheides tritt. Ein Berichtigungsbescheid bildet vielmehr mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit, wobei die Berichtigung eines Bescheides gemäß § 62 Abs. 4 AVG auch noch während eines Verfahrens, das auf Grund einer gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig ist, vorgenommen werden kann.
Gemäß § 12 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, idF BGBl. Nr. 245/1970, ist der Vorrückungsstichtag dadurch zu ermitteln, daß - unter Ausschluß der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 - dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:
a)
die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze;
b)
die sonstigen Zeiten zur Hälfte.
Gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit. können Zeiten gemäß Abs. 1 lit. b, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausübt oder ein Studium betrieben hat, mit Zustimmung des Bundeskanzlers oder des Bundesministers für Finanzen im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist. Soweit solche Zeiten bereits im unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis nach dem ersten Satz, nach § 26 Abs. 3 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 oder nach einer gleichartigen Bestimmung einer anderen Rechtsvorschrift zur Gänze berücksichtigt worden sind und der Beamte nach wie vor die hierfür maßgebende Verwendung ausübt, sind diese Zeiten zur Gänze zu berücksichtigen; eine solche Maßnahme bedarf nicht der Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen.
Der Beschwerdeführer bringt vor, daß er sich während seiner Auslandstätigkeit nicht nur die Sprachen dieser Länder erarbeitet habe, sondern auch seine Kenntnisse der deutschen Literatur und seiner didaktischen Fähigkeiten erweitert habe, mit dem speziellen Effekt, daß sich für das Sprachverständnis und das Literaturverständnis grundsätzlich aus der Kenntnis von und dem Vergleich mit Sprache und Literatur anderer Länder Wesentliches ergebe. Speziell habe er sich mit dem Vergleich zwischen der französischen und deutschsprachigen Literatur befaßt und eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten herausgebracht, wie etwa ein Buch über die Amphitryon-Dichtungen von Moliere und Kleist verfaßt. Weiters habe er damals bereits weitgehend seine 1984 abgeschlossene Habilitation vorbereitet.
Der Beschwerdeführer führt weiters aus, daß ihm vor seiner Auslandstätigkeit zugesagt worden sei, daß die betreffende Zeit für den Fall seiner Anstellung im entsprechenden Lehrberuf an einer inländischen Universität voll als Vordienstzeit angerechnet werden würde. Seine "Anstellung als Universitätsdozent" ab 1. Dezember 1988 sei überhaupt nur dadurch möglich geworden, daß er die angeführte Auslandstätigkeit aufgewiesen habe.
Seine Tätigkeit im gegenständlichen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis habe von Anfang an in folgender Unterrichtseinteilung bestanden:
1. Im Unterricht in deutscher Literatur für österreichische Germanistikstudenten.
2. Im Deutschunterricht als Fremdsprache für die österreichischen Absolventen mit künftigem Fremdsprachenlehrberuf - also inbesondere auch für künftige Lektoren.
3. Im Deutschunterricht für ausländische Studenten, jedoch nicht nur beschränkt auf jene Kenntnisse, die für ein Studium an einer deutschsprachigen Universität allgemein erforderlich sind, sondern auch im Begleitkurs und speziell für ein Germanistikstudium.
Nach Ansicht des Beschwerdeführers ergebe sich daraus, daß die Auslandstätigkeit für seine gesamte Verwendung von besonderer Bedeutung und der Verwendungserfolg ohne die Auslandstätigkeit wesentlich geringer gewesen sei. Somit seien alle Voraussetzungen für die Vollanrechnung nach § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 erfüllt.
Nach § 58 Abs. 2 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Diesen Erfordernissen wurde der angefochtene Bescheid weder hinsichtlich der Feststellung des Sachverhaltes noch der rechtlichen Beurteilung gerecht. Fehlt einem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid in einem wesentlichen Punkt jedwede Begründung, so ist der in der Gegenschrift seitens der belangten Behörde unternommene Versuch, die unterlassene Begründung nachzuholen, nicht geeignet, die diesem Bescheid anhaftende Mangelhaftigkeit zu beseitigen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, Zl. 91/12/0250).
Da die belangte Behörde, obwohl der Beschwerdeführer die volle Berücksichtigung bestimmter Zeiten im Verwaltungsverfahren verlangt hatte, jedwede Begründung für die Festsetzung des Vorrückungsstichtages unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid in wesentlichen Bereichen einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich; er mußte schon deshalb ohne weitere Auseinandersetzung mit dem sonstigen Beschwerdevorbringen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993120101.X00Im RIS seit
20.11.2000