TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/30 92/08/0222

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Veröffentlicht am 30.11.1993
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §11;
ASVG §4 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des R in A, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. September 1992, Zl. 123.838/4-7/92, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Verband XY in W, 2. Wiener Gebietskrankenkasse, Wien X, Wienerbergstraße 15-19, 3. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Wien II, Friedrich-Hillegeist-Straße 1,

4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Wien XX, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- und der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 27. November 1989 stellte der Beschwerdeführer an die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse den Antrag, ihn "aus der Unfall- und Krankenpflichtversicherung nach dem ASVG zu entlassen". Den Antrag begründete er wie folgt: Er sei seit 1. Jänner 1979 pragmatisierter Beamter des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung und sei dem Verband XY (im folgenden: Verband) mit Wirkung vom 3. April 1978 dienstzugeteilt worden. Er erhalte dort ein im Verhältnis zu seinem Beamtenbezug nur geringfügiges zusätzliches Gehalt. Aufgrund seiner dienstrechtlichen Stellung zum Land Niederösterreich sei er bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter pflichtversichert. Mit Schreiben vom 1. August 1989 habe ihm die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mitgeteilt, daß gemäß § 128 ASVG bei mehrfacher Versicherung ein Kostenersatz für Sachleistungen für denselben Versicherungsfall nur einmal gewährt werden könne, und zwar von dem Versicherungsträger, den der Versicherte zuerst in Anspruch nehme. Gleichzeitig sei die Übernahme eines Kostenersatzes für die Zahnbehandlung seiner Ehegattin abgelehnt worden. Dies erweise, daß dem Beschwerdeführer aufgrund des § 128 ASVG aus einer zusätzlichen Pflichtversicherung bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse keinerlei Vorteile erwüchsen, weil bei einer Mehrfachversicherung ein Kostenersatz für Sachleistungen nur einmal erbracht werden dürfe. Im Gegensatz zur mehrfachen Pensionsversicherung, bei der den zu leistenden Versicherungsbeiträgen im Anlaßfall auch eine mehrfache Leistung der Pensionversicherungsanstalten gegenüberstehe, stelle eine Mehrfachversicherung in der Unfall- und Krankenversicherung für den Beschwerdeführer keinerlei Vorteil dar, sondern belaste lediglich sein Einkommen. Dies sei mit Art. 5 StGG unvereinbar.

Mit Bescheid vom 25. Juli 1991 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Beschäftigung als Angestellter beim "Dienstgeber Verband" ab 1. März 1971 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 27. November 1989, ihn ab 1. Jänner 1979 aus der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG zu entlassen, werde als unbegründet abgewiesen. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, daß der Beschwerdeführer durch den Verband als Dienstgeber am 3. März 1971 ab 1. März 1971 als Angestellter zur Voll- und Arbeitslosenversicherung angemeldet worden sei. Die Meldung sei durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zur Kenntnis genommen und entsprechende Beiträge und Umlagen vorgeschrieben worden. Der Beschwerdeführer bestreite auch in seinem Antrag nicht das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG. Er unterliege daher aufgrund der in Rede stehenden Beschäftigung der Voll- und damit auch der Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG. Daran vermöge nichts zu ändern, daß er als Beamter der Niederösterreichischen Landesregierung auch in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bundesland Niederösterreich stehe und als solcher der Pflichtversicherung nach dem B-KUVG unterliege. Mangels gesetzlicher Grundlage stelle der Bestand dieser Pflichtversicherung nach diesem Gesetz nämlich keine Befreiungsmöglichkeit von der nach dem ASVG begründeten Pflichtversicherung aufgrund der gleichzeitig ausgeübten Tätigkeit als Angestellter des Verbandes dar.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seinen Antrag Einspruch.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verwies in ihrer Stellungnahme darauf, daß der Beschwerdeführer auch im Einspruch seine Dienstnehmereigenschaft im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG (im Verhältnis zum Verband) nicht bekämpfe. Sein Einspruch richte sich ausschließlich gegen die Mehrfachversicherung in der Unfall- und Krankenversicherung nach dem ASVG und B-KUVG. Dazu sei zu bemerken, daß der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit einer Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG und dem B-KUVG im Erkenntnis vom 1. Juli 1983, G 49/82 u.a., VfSlg. 9753, bejaht habe.

In seiner Äußerung vom 3. September 1991 wandte der Beschwerdeführer dagegen ein, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gehe offenbar irrtümlich davon aus, daß der Beschwerdeführer mehrere, die Versicherungspflicht begründende Beschäftigungen im Sinne des § 45 Abs. 2 ASVG ausübe. Auch das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gehe von dieser Sachlage aus. Diese Annahme sei jedoch im Fall des Beschwerdeführers irrig, weil er zwar dem Personalstand des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung angehöre, jedoch, wie sich aus dem zugleich vorgelegten Schreiben der Niederösterreichischen Landesregierung an den Verband vom 28. März 1978 ergebe, bereits als Vertragsbediensteter des Landes Niederösterreich mit Wirkung vom 3. April 1978 dem Verband zur Dienstleistung gegen Ersatz der Personalkosten zur Verfügung gestellt worden sei. Nach seiner Pragmatisierung sei am 24. September 1982 ein (ebenfalls vorgelegtes) Übereinkommen zwischen dem Land Niederösterreich und dem Verband abgeschlossen worden, aus dem eindeutig hervorgehe, daß der Beschwerdeführer dem Verband zur Dienstleistung zur Verfügung gestellt worden sei und seine Bezüge, die er als Beamter des Landes Niederösterreich erhalte, vom Verband refundiert würden. Neben seiner Beschäftigung als Landesgeschäftsführer des Verbandes übe er keine weitere unselbständige Tätigkeit aus. Neben den Bezügen als Beamter des Landes Niederösterreich erhalte er auch vom Verband ein Gehalt, das zusammen mit den Bezügen als Landesbediensteter sein Gehalt als Landesgeschäftsführer ergebe. Allein aus diesem Umstand sei bisher eine Verpflichtung zur Mehrfachversicherung abgeleitet worden. Er bestreitet die Richtigkeit dieser Annahme, halte sein bisheriges Vorbringen aufrecht und ergänze dies insofern, als er eine rechtswidrige Anwendung des § 45 Abs. 2 ASVG aus den angeführten Gründen behaupte.

Mit Bescheid vom 2. Juni 1992 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich den Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den bekämpften Bescheid. Nach der Bescheidbegründung sei im Gegenstand die Dienstnehmereigenschaft des Beschwerdeführers (im Verhältnis zum Verband) unbestritten geblieben; strittig sei nur der Bestand der Kranken- und Unfallversicherungspflicht. Diesbezüglich sei der Argumentation des Beschwerdeführers entgegenzuhalten, daß eine Verletzung des Eigentumsrechts im Verwaltungsverfahren nicht überprüfbar und es weiters unerheblich sei, von wem im Falle eines aufrechten Dienstverhältnisses das Entgelt ausgezahlt werde, weil nach § 49 Abs. 1 ASVG auch jene Beträge Entgelt seien, die der Dienstnehmer von einem Dritten erhalte. Deswegen sei es für den Bestand des Dienstverhältnisses auch unmaßgeblich, daß die vom Land Niederösterreich an den Beschwerdeführer geleisteten Entgelte für die zugeteilte Dienstleistung vom Verband refundiert würden. Dies sei als Kostenersatz anzusehen und sohin für den Bestand des strittigen Dienstverhältnisses ohne rechtliche Bedeutung. Auch das Faktum der Zurverfügungstellung zur Dienstleistung ändere an der rechtlichen Würdigung der Sachlage nichts. Sie weise vielmehr darauf hin, daß der Beschwerdeführer in seiner Funktion als Beamter in einer unselbständigen Dienstleistung tätig sei. Dafür biete auch das Vorbringen, der Beschwerdeführer übe sonst keine weitere unselbständige Tätigkeit aus, einen deutlichen Hinweis. Auch der Verweis auf § 45 Abs. 2 ASVG sei nicht zielführend, weil diese Gesetzesstelle dem Beitragsrecht zugehöre, das jedoch nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens sei. Schließlich werde bemerkt, daß dem ASVG eine Entlassung aus der Kranken- und Unfallversicherungspflicht fremd sei und der Versicherungsträger den diesbezüglichen Antrag mangels gesetzlicher Grundlage zu Recht abgelehnt habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer zunächst auf seine Äußerung vom 3. September 1991 im Einspruchsverfahren. Bei ihrer Wertung des Hinweises auf § 45 Abs. 2 ASVG als "nicht zielführend" verkenne die Einspruchsbehörde offensichtlich den Inhalt des Antrages des Beschwerdeführers vom 27. November 1989. Darin habe er nämlich aufgezeigt, daß einer mehrfachen Beitragspflicht nur ein einmaliger Kostenersatzanspruch gegenüber stehe und daraus eine Verletzung des Art. 5 StGG abgeleitet. Auch wenn zugegeben werden müsse, daß im Verwaltungsverfahren die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nicht geprüft werden könne, müßten Gesetze doch soweit verfassungskonform ausgelegt werden, daß dadurch eine Verletzung des Eigentumsrechtes oder des Gleichheitsgrundsatzes hintangehalten werde. Diesbezüglich enthalte der Einspruchsbescheid aber keine Auseinandersetzung mit § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG. Der Einspruchsbescheid sei in diesem Zusammenhang auch widersprüchlich, weil sich die Einspruchsbehörde zwar wegen der Zugehörigkeit des § 45 Abs. 2 ASVG nicht mit dieser Bestimmung, wohl aber mit der ebenfalls dem Beitragsrecht zuzurechnenden Norm des § 49 Abs. 1 leg. cit. befasse.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe des bisherigen Ganges des Verwaltungsverfahrens und Zitierung der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen ausgeführt:

"Die Dienstnehmereigenschaft (des Beschwerdeführers) im Sinne des ASVG aufgrund seiner Beschäftigung beim Verband blieb unbestritten. Unbestritten blieb ferner die Vollversicherungspflicht nach dem ASVG ab der Anmeldung vom 1.3.1971 bis zu dem Zeitpunkt, da (der Beschwerdeführer) zu Beiträgen für die Krankenversicherung und Unfallversicherung nach dem B-KUVG einerseits und nach dem ASVG andererseits herangezogen wurde. Gegenstand der Auseinandersetzung ist die Frage der Mehrfachversicherung hinsichtlich des Zeitraumes ab der Übernahme (des Beschwerdeführers) in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Hiezu ist folgendes festzuhalten:

Zutreffend ist, wie die Wiener Gebietskrankenkasse ausführt, daß der Gesetzgeber für den Fall der mehrfachen Beschäftigung, die eine Versicherungspflicht sowohl nach dem B-KUVG als auch nach dem ASVG in der Kranken- und Unfallversicherung begründet, keine Subsidiaritätsregelung eingerichtet hat. Die im Laufe des Verfahrens angesprochene Regelung des § 45 Abs. 2 ASVG schreibt eine Berücksichtigung der mehrfachen Gehälter - im Falle der Mehrfachversicherung - bei der Errechnung der Beitragsgrundlage vor, bietet jedoch keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber die Mehrfachversicherung schlechthin ausschalten will. Wenn (der Beschwerdeführer) nunmehr die verfassungskonforme Interpretation dieser gesetzlichen Bestimmung in dem Sinne verlangt, daß es zu keiner Mehrfachversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung kommen soll, so kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales diesem Argument angesichts des klaren Gesetzeswortlautes und im Sinne der Bindung der Verwaltung an das Legalitätsprinzip (Art. 18 BVG) nicht folgen.

Zutreffend ist ferner, wie von der Wiener Gebietskrankenkasse ausgeführt, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1.7.1983, G 49/82, die Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung bei mehrfacher unselbständiger Beschäftigung, die zum Unterschied von den gesetzlichen Subsidiäritätsregelungen in den Sozialversicherungsgesetzen der selbständig Erwerbstätigen besteht, als verfassungskonform angesehen und diese Differenzierung als sachlich gerechtfertigt beurteilt hat. Dies im wesentlichen aus historischen Gründen: Die selbständig Erwerbstätigen seien erst spät in die Sozialversicherung integriert worden, ihr Sozialprestige verlange es historisch bedingt, daß für soziale Risken grundsätzlich privat vorgesorgt werde. Der Gesetzgeber bewege sich daher im Rahmen des ihm offenstehenden sozialpolitischen Spielraumes, wenn er diesen Personengruppen die Krankenversicherung nur dann vorschreibt, wenn es an einer Sicherung überhaupt fehlt. Dies zwinge den Gesetzgeber nicht, das für unselbständig Erwerbstätige bestehende Prinzip der Mehrfachversicherung aufzugeben. Pflichtversicherte bilden eine Riskengemeinschaft. Es sei dem Gesetzgeber daher grundsätzlich nicht verwehrt, die Höhe der Beiträge auch ohne direkte Relation zu den Versicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Pflichtversicherten verschieden hoch festzusetzen. Die erhöhte Leistungsfähigkeit ergebe sich auch aus einem mehrfachen versicherungspflichtigen Einkommen. Ferner stehe der vermehrten Beitragspflicht im Hinblick darauf, daß Barleistungen auf jede der in Betracht kommenden Versicherungen zustehen, eine erhöhte Leistung gegenüber.

Zu untersuchen ist nunmehr das Argument (des Beschwerdeführers), er übe nicht mehrere, sondern nur EINE Beschäftigung aus. Er sei vom Land Niederösterreich dem Verband zur Verfügung gestellt worden. (Der Beschwerdeführer) verwies dazu auf das anläßlich seiner Pragmatisierung am 24.9.1982 zwischen dem Land Niederösterreich und dem Verband abgeschlossene Übereinkommen und führte aus, die Bezüge, die er als Beamter des Landes Niederösterreich erhalte, würden vom Verband refundiert. Neben den Bezügen als Beamter des Landes Niederösterreich erhalte er auch vom Verband ein Gehalt, das zusammen mit den Bezügen als Landesbediensteter sein Gehalt als Landesgeschäftsführer ergebe. (Der Beschwerdeführer) bezog in der fraglichen Zeit somit von beiden Dienstgebern ein Entgelt. Daraus ist nach ho. Ansicht abzuleiten, daß er zu beiden Dienstgebern ein aufrechtes Dienstverhältnis hatte. Daß (der Beschwerdeführer) im Rahmen dieser Dienstverhältnisse nicht für das Land Niederösterreich, sondern nur für den Verband Arbeitsleistungen verrichte, daß ferner der Verband dem Land Niederösterreich die für (den Beschwerdeführer) aufgewendeten Personalkosten ersetzte, ändert nach ho. Ansicht nichts an der Tatsache, daß (der Beschwerdeführer) im fraglichen Zeitraum sowohl zum Land Niederösterreich als auch zum Verband in einem Dienstverhältnis stand. Das Land Niederösterreich hat (dem Beschwerdeführer) sein Gehalt bezahlt und dieses vom Verband auf vertraglicher Basis refundiert erhalten. Der Verband hat für die Arbeitsleistungen, die (der Beschwerdeführer) diesem erbrachte, einerseits, wie oben ausgeführt, an das Land Niederösterreich die Personalkosten refundiert und andererseits (dem Beschwerdeführer) unmittelbar ein zusätzliches Entgelt bezahlt. (Der Beschwerdeführer) hat somit für die Arbeitsleistungen, die er dem Verband erbrachte, einerseits aufgrund des vorgewiesenen Übereinkommens vom 24.9.1982 sein Beamtengehalt vom Land Niederösterreich und andererseits ein zusätzliches Gehalt vom Verband erhalten. Nach ho. Ansicht liegen somit zwei Dienstverhältnisse vor, die oben dargelegte Gesetzeslage ist daher auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwenden. Über ihre Verfassungsmäßigkeit ist im gegenständlichen Verfahren nicht zu entscheiden. Jedoch wird in diesem Zusammenhang auf die oben zusammengefaßte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hingewiesen. Auf den Antrag (des Beschwerdeführers), aus der Unfallversicherung bzw. Krankenversicherung nach dem ASVG entlassen zu werden, war nicht einzugehen, da im gegenständlichen Verfahren lediglich das Bestehen oder Nichtbestehen der Versicherungspflicht festgestellt werden kann. Die Versicherungspflicht beginnt und endet ipso iure. Es steht den Versicherungsträgern und Verwaltungsbehörden nicht zu, über ihren Beginn und ihr Ende zu verfügen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid deshalb wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bekämpft, weil die belangte Behörde den Umstand, daß der Beschwerdeführer nur eine Beschäftigung ausübe, rechtlich dahingehend interpretiert habe, es lägen beim Beschwerdeführer zwei Dienstverhältnisse vor, sodaß die Mehrfachversicherung gerechtfertigt sei. Diesbezüglich unterliege die belangte Behörde einem Interpretationsfehler. Es sei, namentlich durch die zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, eindeutig geklärt, daß bei zwei Beschäftigungsverhältnissen (sei es, daß eine unselbständige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu einer unselbständigen Beschäftigung hinzutrete) auch die Pflichtversicherung bei verschiedenen Sozialversicherungsträgern zu begründen sei. Die belangte Behörde habe aber übersehen, daß der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 1. Juli 1983, VfSlg. 9753, die Ansicht vertrete, daß zu einer krankenversicherungspflichtigen unselbständigen Beschäftigung eine weitere unselbständige Beschäftigung oder aber eine selbständige Tätigkeit hinzuzutreten habe. Im gegenständlichen Fall sei zur unselbständigen Beschäftigung des Beschwerdeführers aber weder eine weitere unselbständige Beschäftigung hinzugetreten noch übe er eine andere selbständige Tätigkeit aus. Er sei, wie dem Sachverhalt zu entnehmen sei, vielmehr Landesgeschäftsführer des Verbandes. Er übe lediglich diese eine Beschäftigung als Landesgeschäftsführer aus. Auch die Tatsache, daß er zwei Bezüge erhalte (einen Beamtenbezug als Beamter des Landes Niederösterreich und einen geringfügigen Gehalt vom Verband) vermöge an dem faktischen Umstand nichts zu ändern, daß er nur einer Beschäftigung, nämlich als Landesgeschäftsführer des Verbandes, nachgehe. Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sei - richtig interpretiert - aber zu entnehmen, daß zumindest zwei voneinander unabhängige Beschäftigungen vorliegen müßten, damit die Mehrfachversicherung Platz greifen könne. Da im gegenständlichen Fall lediglich eine bestimmte aktenkundige Beschäftigung vorliege, wäre daher dem Antrag des Beschwerdeführers stattzugeben bzw. festzustellen gewesen, daß die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers hinsichtlich der Unfall- und Krankenversicherung nach dem ASVG ab Antragstellung beendet sei.

Über Aufforderung des Berichters, bekanntzugeben, wie hoch das behauptete "zusätzliche Gehalt", das er unmittelbar vom Verband erhalte, in der Zeit vom 27. November 1989, dem Antragstag, bis zum 24. September 1992, dem Tag der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegenüber dem Beschwerdeführer, gewesen sei, teilte dieser mit Schriftsatz vom 9. November 1993 mit, es sei in diesem Zeitraum immer über der jeweiligen Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. b ASVG gelegen. Zweck dieses "zusätzlichen Gehaltes" sei es, den Beamtenbezug des Beschwerdeführers auf die IX. Gehaltsstufe anzuheben. Ihm solle damit der Bezug eines vortragenden Hofrates zukommen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber ebenso wie die mitbeteiligten Parteien (mit Ausnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde durch die Bestätigung des Einspruchsbescheides, mit dem seinerseits wiederum der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt wurde, einerseits festgestellt, daß der Beschwerdeführer ab dem 1. März 1971 aufgrund seiner Beschäftigung beim "Dienstgeber Verband" der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege, und andererseits den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. November 1989, ihn aus der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG zu entlassen (nach Deutung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse: ab dem 1. Jänner 1979), abgewiesen. Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer, wie sein oben wiedergegebenes Beschwerdevorbringen erweist, nur insoweit, als seinem Antrag nicht stattgegeben und deshalb nicht festgestellt worden sei, daß seine Versicherungspflicht hinsichtlich der Unfall- und Krankenversicherung nach dem ASVG ab der Antragstellung (27. November 1989) beendet sei, mit anderen Worten, daß ab 27. November 1989 keine Versicherungspflicht des Beschwerdeführers in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG mehr bestehe. Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung ist daher nur die Rechtmäßigkeit dieses (von der Feststellung der Versicherungspflicht im Zeitraum vor dem 27. November 1989 wegen der Zeitraumbezogenheit solcher Feststellungen im Sinne des § 59 AVG trennbaren) Abspruches sowie der Abweisung seines Antrages, ihn ab dem Antragstag aus der Kranken- und Unfallversicherung aus dem ASVG "zu entlassen".

Die Beendigung der sohin für den Zeitraum bis 26. November 1989 rechtskräftig festgestellten und nicht bekämpften Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht des Beschwerdeführers nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG setzte voraus, daß einer der Endigungstatbestände des § 11 ASVG vorgelegen wäre. Derartiges hat der Beschwerdeführer aber nicht behauptet: Er hat sich nämlich weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde gegen die Annahme des Bestandes eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Verband im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG auch über den 26. November 1989 hinaus gewandt (die diesbezügliche Wertung seiner einzigen Beschäftigung als Landesgeschäftsführer des Verbandes durch ihn folgt auch daraus, daß er seine Pensionsversicherung aufgrund dieser Beschäftigung auch über diesen Zeitpunkt hinaus bejaht) und auch nicht behauptet, daß ihm ab 27. November 1989 aus diesem Dienstverhältnis kein Entgelt oder nur ein solches unter der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG zugestanden sei; nach seinem ergänzenden Schriftsatz vom 9. November 1993 erhielt er vielmehr vom Verband ein über dieser Grenze liegendes "zusätzliches Gehalt". Da auch nach der Aktenlage weder gegen diese Annahme Bedenken bestehen noch Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß einer der Ausnahmetatbestände von der Vollversicherung nach den §§ 5 bis 9 ASVG vorliegt, hat die belangte Behörde, unabhängig davon, ob die Bezüge des Beschwerdeführers aus seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich (auch) als Entgelt aus seinem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu werten sind, zu Recht seine Vollversicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG auch über den 26. November 1989 hinaus bejaht und seinen Antrag vom 27. November 1989 abgewiesen. Ob gegen die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen, nämlich seiner doppelten Kranken- und Unfallversicherung aufgrund einerseits des Bestandes eines Beschäftigungsverhältnisses zum Verband und andererseits seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Land Niederösterreich bei nur einer Beschäftigung zufolge "der Zurverfügungstellung der Dienstleistung" des Beschwerdeführers an den Verband, d.h. sachverhaltsbezogen des Verzichtes des Landes Niederösterreich auf seine Dienstleistung (weil er ja auf Grund seines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Verband ohnedies zur Dienstleistung ihm gegenüber verpflichtet war), verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, braucht im Beschwerdefall nicht weiter verfolgt zu werden, weil bei einer solchen Konstellation Sitz einer allfälligen Verfassungswidrigkeit nur die §§ 2 und 3 B-KUVG über die Ausnahmen von der Kranken- und Unfallversicherung nach diesem Gesetz sein könnten. Auch die vom Beschwerdeführer verlangte verfassungskonforme Auslegung könnte sich nur auf diese Ausnahmenormen beziehen.

Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080222.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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