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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §26;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 25. Juli 1990, Zl. 246/8-5/K-1990, betreffend Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der verheiratet ist und eine im Jahr 1969 geborene Tochter hat, arbeitet seit 1. Oktober 1985 als Dienstnehmer (Prokurist) der Firma B. in L. Der Familienwohnsitz des Beschwerdeführers befand sich stets in W. Nach einer anderen Unterkunft in der Umgebung von L. mietete der Beschwerdeführer mit Vertrag vom 10. Dezember 1987 ab dem 1. Februar 1988 eine Wohnung in der Größe von 80 m2 in G. Die Mietvertragsdauer war mit drei Jahren vereinbart, dem Beschwerdeführer stand das Recht zu, das Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten aufzulösen.
Für 1988 beantragte der Beschwerdeführer unter anderem die Eintragung eines steuerfreien Betrages für erhöhte Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte. Aufgrund der doppelten Haushaltsführung seien ihm Aufwendungen in Höhe von S 153.558,-- (Miete und Betriebskosten für die Wohnung in G., Kosten für Einrichtungsgegenstände und Familienheimfahrten) entstanden. Das Finanzamt anerkannte nur die auf die Monate Jänner und Februar entfallenden Aufwendungen für Miete, Betriebskosten und Familienheimfahrten als Werbungskosten. Die ab März 1988 angefallenen Aufwendungen stellten Kosten der privaten Lebensführung dar, weil ab diesem Zeitpunkt in G. eine als Familienwohnsitz geeignete Wohnung angemietet worden sei. Die Gattin des Beschwerdeführers sei nicht berufstätig, es seien auch keine anderen berufsbedingten Gründe für die Beibehaltung des Wohnsitzes in W. vorgebracht worden.
In der Berufung wendete der Beschwerdeführer ein, die Wohnung in G. sei wegen ihrer Größe nicht als Familienwohnsitz geeignet, auch sei das Vertragsverhältnis auf drei Jahre befristet. Vor allem aber beabsichtige der Beschwerdeführer aber nicht, auf Dauer in L. zu arbeiten. Es liege daher keine dauernde Arbeitsstelle in L. vor, die die Begründung eines neuen Familienwohnsitzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer könne jederzeit durch Vorlage von Bewerbungen nachweisen, daß von seiner Seite aus nur ein vorübergehendes Dienstverhältnis in L. geplant sei. Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, das Finanzamt Urfahr sei nicht zur Erledigung seines bei einem anderen Finanzamt eingebrachten und an das Finanzamt Urfahr weitergeleiteten Antrages zuständig. Der Beschwerdeführer sei nämlich nach wie vor in W. gemeldet und scheine dort im Wählerverzeichnis für die Nationalratswahl und Gemeinderatswahl auf.
Auf Vorhalt legte der Beschwerdeführer eine Ausfertigung des Dienstvertrages vor, aus welchem sich jedoch keine Befristung ergibt. Der Beschwerdeführer teilte mit, er sehe das Dienstverhältnis nur als eine Übergangslösung an, bewerbe sich laufend bei anderen Firmen und sei bestrebt, ehestmöglich einen Dienstvertrag mit einer in W. befindlichen Firma abzuschließen. Er legte ein Schreiben eines Personalvermittlungsunternehmens vor. Aus diesem ergibt sich, daß sich der Beschwerdeführer seit Sommer 1985 für eine adäquate Position in W. beworben habe, in einer Reihe von Fällen zwar der Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und den Dienstgebern hergestellt worden sei, diese sich aber für andere, meistens jüngere Kandidaten entschieden hätten. Der Beschwerdeführer teilte weiters mit, aufgrund intensiver Reisetätigkeit könnte er gelegentlich die Wochenenden nicht am Familienwohnsitz verbringen. In diesen Fällen würde ihn die Gattin in G. besuchen. Aus diesem Grund sei die Gattin in G. mit der Bezeichnung "Zweitwohnsitz" gemeldet. Tatsächlich halte sie sich durchschnittlich nur an vier Sonntagen pro Jahr in G. auf.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Frage der Zuständigkeit führte sie aus, der Beschwerdeführer habe einen Wohnsitz in G. Da er die Wohnung in G. während der gesamten Arbeitswoche und damit vorwiegend bewohne, sei die Zuständigkeit des einschreitenden Finanzamtes gegeben. Zur Frage der Werbungskosten führt die belangte Behörde aus, seitens des Dienstgebers bestehe keine konkrete und ernsthafte Gefahr einer Versetzung des Beschwerdeführer oder einer Auflösung des Dienstverhältnisses. Der Beschwerdeführer strebe zwar eine Arbeitsstelle in W. an, dafür seien aber ausschließlich persönliche Gründe, wie Freizeitgestaltung und soziale Kontakte, ausschlaggebend. Außerdem sei der Beschwerdeführer schon seit 1. Oktober 1985 für den Arbeitgeber in L. tätig. Er habe ab Februar 1988, also nach mehr als zweijähriger Dienstnehmertätigkeit in L., für drei Jahre einen Mietvertrag abgeschlossen und damit zum Ausdruck gebracht, daß er jedenfalls für diesen Zeitraum die Wohnung benötigen werde. Die Tätigkeit in L. könne daher nicht mehr als nur kurzfristige Übergangslösung bezeichnet werden. Außerdem erweise sich die Postensuche in W. als schwierig und sei ein Erfolg nicht absehbar. Der Wunsch des Beschwerdeführers nach einem Arbeitsplatzwechsel mache die derzeitige Arbeitsstelle noch nicht zu einer bloßen Übergangslösung. Eine durch berufliche Gründe bedingte Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz zu verlegen, liege daher nicht vor. Es wäre zumutbar gewesen, den Wohnsitz in G. als Familienwohnsitz zu gestalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit welcher die Unzuständigkeit der belangten Behörde und die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltendgemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zuständigkeit:
Gemäß § 57 Abs 1 BAO ist in Angelegenheiten des Steuerabzuges vom Arbeitslohn das Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers für die nicht den Gemeinden obliegenden Eintragungen in die Lohnsteuerkarte und für die Durchführung des Jahresausgleiches örtlich zuständig, soweit diese nicht dem Arbeitgeber übertragen ist. Gemäß § 55 Abs 2 BAO ist Wohnsitzfinanzamt jenes Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wobei bei mehrfachem Wohnsitz im Bereich verschiedener Finanzämter jenes als Wohnsitzfinanzamt gilt, in dessen Bereich sich der Abgabepflichtige vorwiegend aufhält.
Gemäß § 74 BAO ist als Abgabenbehörde zweiter Instanz jene Finanzlandesdirektion örtlich zuständig, in deren Bereich die Abgabenbehörde erster Instanz gelegen ist.
Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand nach § 26 Abs 1 BAO dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
In der Beschwerde wird vorgebracht, unter den nach den Kriterien des § 26 Abs 1 BAO in Frage kommenden Wohnsitzen sei derjenige für die Bestimmung des Wohnsitzfinanzamtes maßgebend, der auf die Beibehaltung der Wohnung schließen lasse. Dies treffe für den Wohnsitz in W. zu, da der Beschwerdeführer das dort gelegene Eigenheim nicht aufgeben werde, während er die Mietwohnung in G. lediglich durch eine gewisse Zeitspanne hindurch beibehalten werde.
Die belangte Behörde konnte zu Recht davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer durch die Mietwohnung in G., die er im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bereits mehr als eineinhalb Jahre aufgrund eines auf drei Jahre abgeschlossenen Mietvertrages genutzt hatte, neben seinem Wohnsitz in W. einen weiteren Wohnsitz begründet hat. Der belangten Behörde ist auch darin zuzustimmen, daß bei mehreren Wohnsitzen im Bereich verschiedener Finanzämter jenes Finanzamt das Wohnsitzfinanzamt ist, in dessen Bereich sich der Abgabepflichtige vorwiegend aufhält. Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, das Wohnsitzfinanzamt bestimme sich nach jenem von mehreren Wohnsitzen, welcher (voraussichtlich) in ferner Zukunft beibehalten werde, ist im Gesetz nicht gedeckt.
Im Sachverhaltsbereich nahm die belangte Behörde an, daß der Beschwerdeführer während der gesamten Arbeitswoche und damit vorwiegend die Wohnung in G. bewohnt habe. Das bedeutet auch, daß er sich vorwiegend im Bereich des Finanzamtes Urfahr aufgehalten hat. Konkrete Einwendungen gegen diese Annahme bringt der Beschwerdeführer nicht vor, vielmehr ergibt sich auch aus der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde, daß der Beschwerdeführer nur zu den Wochenenden nach W. fahre.
Die Zuständigkeit des Finanzamtes Urfahr zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides war somit gegeben.
Die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich gemäß § 74 BAO daraus, daß das Finanzamt, das den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat, in ihrem Bereich gelegen ist.
2. Doppelte Haushaltsführung:
Gemäß § 20 Abs 1 Z. 1 EStG 1972 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge weder bei einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Erwachsen einem Steuerpflichtigen aber dadurch doppelte Haushaltskosten, daß die tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz wegen der Entfernung nicht zumutbar ist, so können die dadurch bedingten Mehraufwendungen Werbungskosten darstellen. Voraussetzung ist, daß dem Steuerpflichtigen eine Verlegung seines Familienwohnsitzes an seinen neuen Dienstort nicht zugemutet werden kann. Behält der Steuerpflichtige seinen bisherigen Familienwohnsitz aus privaten Gründen bei, so gehören die durch die getrennte Haushaltsführung verursachten Kosten zu den nicht abzugsfähigen Aufwendungen der Lebensführung (vgl. Doralt EStG2, § 4 Tz 346 ff, und Quantschnigg - Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 Stichwort "doppelte Haushaltsführung" und die dort angegebene Judikatur).
Der Beschwerdeführer begründet die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes damit, daß er sich bemüht habe, in W. eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Arbeit zu finden. Wer einen Arbeitsplatzwechsel anstrebe, sei einem Dienstnehmer gleichzustellen, der jederzeit mit der Abberufung von seinem derzeitigen Arbeitsort rechnen müsse. Dabei könne nicht ins Gewicht fallen, daß die bisherigen Versuche des Beschwerdeführers, einen Arbeitsplatz in W. zu finden, erfolglos geblieben seien.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die abstrakte Möglichkeit, vom derzeitigen Arbeitsort abberufen zu werden, keine ausreichende Begründung für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes an einem anderen Ort (vgl. hg Erkenntnis vom 31. März 1987, 86/14/0165). In gleicher Weise reicht der bloße Wunsch nach einem Arbeitsplatz - bzw. Arbeitsortwechsel nicht aus, ist doch in der Regel bei keinem Dienstnehmer ein künftiger Arbeitsplatz - bzw. Arbeitsortwechsel auszuschließen. Der Umstand, daß ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Dauer vorliegt, macht für sich allein die Verlegung des Familienwohnsitzes nicht unzumutbar (vgl. hg Erkenntnis vom 3. März 1992, 88/14/0081). Der Beschwerdeführer behauptet selbst nicht, daß ein Wechsel des Arbeitsplatzes bzw. Arbeitsortes in absehbarer Zeit tatsächlich in Aussicht gestanden wäre. Sein Vorbringen geht über die abstrakte Möglichkeit einer künftigen beruflichen Tätigkeit in W. nicht hinaus. Es spricht daher nichts gegen die Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes.
Aus dem Dienstvertrag des Beschwerdeführers ergibt sich, daß er seit Oktober 1985 in L. arbeitet. Er behauptet nicht, daß es ihm bis zum März 1988 nicht möglich gewesen wäre, an seinem neuen Dienstort eine für die Familie geeignete Wohnmöglichkeit zu beschaffen. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob die in G. angemietete Wohnung aufgrund ihrer Größe bereits als für einen Familienwohnsitz ausreichende Wohnmöglichkeit anzusehen wäre.
Die belangte Behörde durfte somit davon ausgehen, daß die Unterlassung der Verlegung des Familienwohnsitzes in die Nähe des Dienstortes des Beschwerdeführers und damit die doppelte Haushaltsführung einschließlich der Familienheimfahrten ab März 1988 nicht durch die unselbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers veranlaßt sind, sondern durch Gesichtspunkte der Gestaltung der privaten Lebensführung.
Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid somit in seinen Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990140212.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008