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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1026;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 26. Juli 1993, Zl. UVS-07/25/00615/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde am 3. April 1991 vom Magistrat der Stadt Wien zu einer Anzeige des Gendarmeriepostens Himberg wegen mehrfacher Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) (Beschäftigung mehrerer polnischer Arbeitskräfte durch die
M Gesellschaft m.b.H., deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, an einer Baustelle in Z) als Beschuldigter einvernommen. Als sein Vertreter nahm an dieser Einvernahme der mit schriftlicher Vollmacht ausgewiesene Rechtsanwalt Dr. G teil. Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Magistrat endete mit dem Straferkenntnis vom 28. Oktober 1991, mit welchem der Beschwerdeführer als § 9 VStG Verantwortlicher wegen nach dem AuslBG verbotener Beschäftigung von sechs Polen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 450/1990 schuldig erkannt und zu sechs Geldstrafen von je
S 80.000,-- verurteilt wurde.
Diesen Bescheid adressierte der Magistrat an den Beschwerdeführer persönlich, worauf er diesem laut im Akt erliegendem Rückschein am 9. Jänner 1992 an der Adresse 1120 Wien, A-Straße 90/28, durch Hinterlegung zugestellt wurde.
Am 4. Mai 1992 stoppte die Behörde erster Instanz den bereits eingeleiteten Vollzug und ordnete die neuerliche Zustellung des Bescheides vom 28. Oktober 1991 an den Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Rechtsanwaltes Dr. G an. Diese Zustellung erfolgte am 6. Mai 1992; mit "Kurzbrief" von diesem Tage teilte Rechtsanwalt Dr. G sodann dem Magistrat mit, der Beschwerdeführer werde von ihm nicht mehr vertreten. Dazu hielt ein Beamter des Magistrats in einem Aktenvermerk vom 12. Mai 1992 fest:
"Laut tel. Rücksprache mit Hrn. Dr. G wurde das Vollmachtsverhältnis von Hrn. M vor ca. einem Jahr gelöst.
Bitte Vollzug fortsetzen."
Mit Eingabe vom 2. Oktober 1992 stellte der nunmehrige Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. S, bei der Behörde erster Instanz Anträge auf 1. Einstellung der Exekution, 2. Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Straferkenntnisses und 3. auf neuerliche Zustellung. Bisher sei keine wirksame Zustellung des Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer erfolgt. Dazu gab Dr. S dem Magistrat gegenüber ergänzend an, der Beschwerdeführer sei zwar im Jänner 1992 in Wien 12, A-Straße 90/28, aufrecht gemeldet gewesen, habe sich aber vom 5. Jänner 1992 bis glaublich 28. Jänner 1992 in Polen aufgehalten. Wegen dieser Ortsabwesenheit habe er weder von der damaligen Hinterlegung Kenntnis nehmen noch das an ihn gerichtete Schriftstück beheben können.
Am 30. April 1993 gab der nunmehrige Beschwerdevertreter eine schriftliche Berufung gegen den Bescheid des Magistrats vom 28. Oktober 1991 zur Post, in der er zur Behauptung, diese Berufung erfolge "innerhalb offener Frist", ausführte, das Straferkenntnis sei erst am 16. April 1993 an den nunmehr ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers rechtswirksam zugestellt worden.
Im Verfahren über diese Berufung holte die belangte Behörde eine Auskunft des Postamtes 1120 Wien zur Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides ein, aus der hervorgeht, daß die am 9. Jänner 1992 hinterlegte Sendung noch an diesem Tag behoben worden ist. Auf eine Stellungnahme zu diesem Erhebungsergebnis wurde seitens des nunmehrigen Vertreters des Beschwerdeführers verzichtet.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.
Laut Aktenvermerk vom 12. Mai 1992 sei das Vollmachtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dessen früherem Rechtsanwalt Dr. G "vor ca. einem Jahr gelöst" worden. Mit dem nunmehrigen Rechtsanwalt habe am 9. Jänner 1992 noch kein Vollmachtsverhältnis bestanden. Aus der vom Postamt 1120 Wien vorgelegten Kopie der Empfangsbestätigung vom 9. Jänner 1992 ergebe sich, daß damals der Beschwerdeführer selbst den Empfang des hinterlegten Schriftstückes bestätigt habe. Dazu habe der Beschwerdeführer trotz gebotener Gelegenheit nicht Stellung genommen. Es sei daher als erwiesen anzunehmen, daß der Beschwerdeführer am 9. Jänner 1992 das Straferkenntnis persönlich behoben habe. Dies habe eine wirksame Zustellung dargestellt, weil der Beschwerdeführer am 9. Jänner 1992 nicht vertreten gewesen sei. Die somit mehr als ein Jahr nach der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides eingebrachte Berufung sei daher verspätet und deshalb ohne Eingehen auf die Berufungsausführungen zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer bestreitet, den erstinstanzlichen Bescheid am 9. Jänner 1992 persönlich übernommen zu haben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die von der belangten Behörde im Beschwerdefall angeregte Zurückweisung der Beschwerde als verspätet kam mit Rücksicht darauf nicht in Betracht, daß gemäß § 26 Abs. 1 lit. a VwGG dann, wenn ein mündlich verkündeter Bescheid schriftlich zugestellt wurde, für den Beginn der Beschwerdefrist der Tag dieser Zustellung allein maßgebend ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juli 1948, Slg. 44/F, sowie die in der Gegenschrift der belangten Behörde genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0158, in der berichtigten Fassung).
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie, daß die belangte Behörde bloß auf Grund einer Kopie der Übernahmsbestätigung vom 9. Jänner 1992 und ohne Einholung eines Gutachtens eines Schriftsachverständigen festgestellt habe, der Beschwerdeführer habe damals persönlich das an ihn adressierte Straferkenntnis des Magistrats vom 28. Oktober 1991 übernommen. Außerdem läßt der Beschwerdeführer durchblicken, diese Übernahmsbestätigung habe "ein gleichlautendes separates Straferkenntnis über in etwa die gleiche Strafhöhe" betroffen.
Es erübrigt sich indes, diesen Fragen weiter nachzugehen, weil die damals an den Beschwerdeführer persönlich verfügte Zustellung schon deshalb nicht rechtswirksam werden konnte, weil nach der Aktenlage der Beschwerdeführer damals der Behörde gegenüber noch von Rechtsanwalt Dr. G vertreten worden ist. Der Beschwerdeführer hat die diesem Vertreter erteilte schriftliche Vollmacht anläßlich seiner Einvernahme am 3. April 1991 vorgelegt. Ein Widerruf dieser Vollmacht ist der Behörde vor dem 9. Jänner 1992 nicht bekanntgegeben worden.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird die Kündigung einer Vollmacht eines Parteienvertreters der Behörde gegenüber, bei welcher der Parteienvertreter eingeschritten ist, erst wirksam, wenn sie ihr mitgeteilt wird. Dies steht im Einklang mit den gemäß § 10 Abs. 2 AVG heranzuziehenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes; gemäß § 1026 ABGB treten nämlich die Wirkungen der Aufhebung einer Vollmacht dem Dritten (hier der Behörde) gegenüber so lange nicht ein, so lange sie diesem ohne sein Verschulden unbekannt war (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1989, Zl. 89/01/0104, und die dort dazu angeführte Vorjudikatur und Literatur).
Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Ab dem Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung im Sinne dieser Gesetzesstelle - somit jedenfalls ab Vorliegen einer einem Rechtsanwalt erteilten Vollmacht - hat die Behörde nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht mehr an den Vertretenen zuzustellen; wird statt dessen an den Vertretenen selbst zugestellt, dann ist diese Zustellung unwirksam (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1989, Zl. 88/09/0140). Eine im Sinne des zweiten Satzes des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz mögliche Sanierung hat im Beschwerdefall nicht stattgefunden.
Es hat dies nach der Aktenlage offenbar auch die in erster Instanz eingeschrittene Behörde vorerst zutreffend erkannt, weshalb am 4. Mai 1992 der Vollzug gestoppt und die neuerliche Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides - und zwar nunmehr an Rechtsanwalt Dr. G - angeordnet wurde. Erst NACH dieser Zustellung wurde der Behörde von Rechtsanwalt Dr. G mitgeteilt, daß das Vollmachtsverhältnis nicht mehr aufrecht sei. Frühestens diese Mitteilung aber brachte das Vollmachtsverhältnis im Sinne der oben angeführten Judikatur der Behörde gegenüber zum Erlöschen, weshalb die Zustellung an Rechtsanwalt Dr. G am 6. Mai 1992 wirksam war und den Lauf der Berufungsfrist ausgelöst hat. Daß dies in der Folge offenbar von Dr. G in Verkennung seiner Fortsetzungspflicht (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1969, Slg. 7671/A, und vom 17. Dezember 1984, Slg. 11618/A), aber auch von den eingeschrittenen Verwaltungsbehörden nicht erkannt worden ist, vermag nichts daran zu ändern, daß gemäß § 6 Zustellgesetz die erste gültige Zustellung eines Schriftstückes für das weitere Verfahren maßgebend ist. Selbst wenn daher, wovon der Beschwerdeführer ausgeht, am 16. April 1993 eine weitere Zustellung des Bescheides vom 28. Oktober 1991 an seinen nunmehrigen Vertreter erfolgt sein sollte, wäre dadurch die gemäß § 6 Zustellgesetz an die erste gültige Zustellung geknüpfte Rechtsfolge (hier: Beginn der Berufungsfrist) nicht aufgehoben worden, und zwar selbst dann nicht, wenn die erstinstanzliche Behörde selbst diese erste Zustellung als ungültig erachtet haben sollte (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1988, Zl. 87/12/0043).
Ist aber gemäß diesen Erwägungen von der ersten gültigen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer am 6. Mai 1992 auszugehen, dann hat die belangte Behörde, wenn auch mit einer unzutreffenden Begründung, das Gesetz nicht dadurch verletzt, daß sie die vom Beschwerdeführer erst am 30. April 1993 zur Post gegebene Berufung im angefochtenen Bescheid als verspätet zurückwies. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Ende Vertretungsbefugnis Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993090398.X00Im RIS seit
20.11.2000