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L2 DienstrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchersatzlose Behebung eines erstinstanzlichen Bescheides betr denErsatz zu Unrecht empfangener Leistungen; keine verfassungswidrigeVerweigerung einer Sachentscheidung; zutreffende Annahme derZulässigkeit eines bescheidmäßigen Abspruchs über einen Antrag (hier:Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung) nur bei Vorliegeneines solchen AntragsSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 10. September 2004 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß §9 der Besoldungsordnung 1994 (BO 1994) der Stadt Wien Geldleistungen, die er für einen näher genannten Zeitraum zu Unrecht empfangen habe, zu ersetzen habe. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 27. September 2004 fristgerecht Berufung.
Mit Bescheid vom 17. November 2004 wies der Magistrat der Stadt Wien den "Antrag [des Beschwerdeführers] vom 21. Oktober 2004 auf Feststellung, dass [seiner] Berufung vom 27. September 2004 gegen den ha. Bescheid vom 10. September 2004 ... aufschiebende Wirkung gemäß §12 Abs2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG) zuzuerkennen ist," ab. Begründend wird darin ua. ausgeführt: Gemäß §12 Abs2 DVG hätten Berufungen im Dienstrechtsverfahren keine aufschiebende Wirkung, sofern diese nicht in den Gesetzen und Verordnungen ausdrücklich zuerkannt werde; die aufschiebende Wirkung sei auszusprechen, wenn mit dem Bescheid Rechte des Bediensteten aberkannt oder gemindert würden, es sei denn, dass die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug dringend geboten sei. Der vom Beschwerdeführer am 21. Oktober 2004 - telefonisch - gestellte Antrag könne nur dahin gehend verstanden werden, dass eine Feststellung darüber begehrt werde, dass der Berufung gegen den Bescheid vom 10. September 2004 aufschiebende Wirkung gemäß §12 Abs2 DVG zuzuerkennen sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Rechtswirkungen dieses (mit Berufung bekämpften) Bescheides aufgeschoben werden könnten, läge aber die Voraussetzung, dass durch den Bescheid Rechte aberkannt oder gemindert werden, nicht vor.
2. Gegen den (die begehrte Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Berufung abweisenden) Bescheid vom 17. November 2004 erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Dienstrechtssenat der Stadt Wien. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 hob dieser den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien gemäß §66 Abs4 AVG auf.
Begründend wird dazu ausgeführt:
"Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Behörde den fernmündlich gestellten Antrag des Berufungswerbers vom 21. Oktober 2004 auf Feststellung, dass der Berufung gegen den Bescheid vom 10. September 2004 ... aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, abgewiesen. Über einen Antrag kann die Behörde allerdings nur dann bescheidmäßig absprechen, wenn ein solcher Antrag überhaupt vorliegt, was im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht der Fall ist. Weder existiert ein die Erlassung des angefochtenen Bescheides betreffender schriftlicher Antrag des Berufungswerbers vom 21. Oktober 2004 noch wurde ein allfälliges mündliches Anbringen von der erstinstanzlichen Behörde schriftlich festgehalten.
Auch aus dem vom Berufungswerber eingebrachten Schriftsatz vom 4. November 2004, welcher auf das mit der zuständigen Sachbearbeiterin am 21. Oktober 2004 geführte Telefonat Bezug nimmt, kann ein derartiger angeblich am 21. Oktober 2004 gestellter Antrag nicht abgeleitet werden (arg.: 'Anlässlich unseres Telefonates vom 21. Oktober 2004 haben Sie mir - ohne nähere Begründung - erklärt, Sie wollen der rechtzeitig eingebrachten Berufung nachträglich die aufschiebende Wirkung aberkennen. Die im Gesetz genannten Gründe liegen nicht vor. Zudem hätte ein solcher Ausspruch im Bescheid über die Hauptsache aufgenommen werden müssen. Der angekündigte Bescheid ist bis heute nicht ergangen.'). Mangels eines Antrages war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos zu beheben.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Feststellungsbescheid über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nicht möglich ist, da bei Vorliegen der in §12 DVG genannten Voraussetzungen die aufschiebende Wirkung von Amts wegen oder auf Antrag zuzuerkennen ist bzw. ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen abzuweisen ist. Bemerkt wird, dass ein auf Erlassung des nunmehr aufgehobenen Bescheides gerichteter Antrag mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides zurückzuweisen gewesen wäre."
3. Gegen diesen Berufungsbescheid vom 15. Dezember 2005 wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein faires Verfahren und auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
Zur behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bringt der Beschwerdeführer darin va. Folgendes vor:
"Unrichtig geht die belangte Behörde davon aus, daß kein ausreichender Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorliegen würde.
Aufgrund des mit der zuständigen Stelle geführten Telefonates vom 21.10.2004 kann nicht strittig sein, daß die bescheidmäßige Erledigung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich de[s] Bescheid[es] vom 10.9.2004 begehrt wurde.
Das geführte Telefonat wurde von der zuständigen Beamtin auch unvollständig und verzerrt protokolliert.
...
Die Berufungsbehörde hat die erstinstanzlichen Entscheidung ersatzlos aufgehoben, weshalb dem Beschwerdeführer eine materielle Erledigung der ... Berufung ... verwehrt wurde."
4. Der Dienstrechtssenat der Stadt Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. dann verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
In einer über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes erstatteten Stellungnahme vom 8. Mai 2006 führt der Beschwerdeführer ua. aus:
"Aus dem Aktenvermerk vom 21.10.2004 geht nicht hervor, daß der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Entscheidung über die aufschiebende Wirkung ausdrücklich begehrt hat.
Aus dem Wortlaut des §12 Abs2 DVG 1984 geht hervor, daß die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, wenn die Voraussetzungen vorliegen (arg: 'ist auszusprechen'). Eine gesonderte Antragstellung ist nicht erforderlich.
...
Der Anspruch auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ergibt sich auch nach §12 Abs2 DVG aus dem Gesetz, ohne daß es einer gesonderten Antragstellung bedarf.
Wie sich ... aus der Beschwerde ... ergibt, wurde nicht ein Antrag gestellt ..."
Angesichts dessen ist aber die Auffassung der belangten Behörde:
"Über einen Antrag kann die Behörde ... nur dann bescheidmäßig absprechen, wenn ein solcher Antrag überhaupt vorliegt, was im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht der Fall ist. ... Mangels eines Antrages war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos zu beheben."
zutreffend. Es kann daher keine Rede davon sein, dass dem Beschwerdeführer mit dem bekämpften Bescheid zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert wurde.
Die belangte Behörde hat daher dadurch, dass sie die erstinstanzliche Entscheidung ersatzlos behoben hat, nicht zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
Insoweit der Beschwerdeführer behauptet, dass
"auf Grund der inhaltlich rechtswidrigen Entscheidung ... eine gesetzwidrige Verweigerung einer Sachentscheidung und damit eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vorliege"
genügt es auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, der zu Folge durch die unrichtige Anwendung der materiellen Bestimmungen eines Gesetzes das genannte Grundrecht nicht verletzt wird, weil dieses Recht nicht die Gesetzmäßigkeit des Inhalts des betreffenden Verwaltungsaktes gewährleistet (vgl. zB VfSlg. 15.068/1998 mwH).
2. Inwieweit in dem Verfahren, das zur Erlassung des bekämpften Bescheides geführt hat, die Verfahrensgarantien des Art6 EMRK in Betracht kommen sollen, ist unerfindlich.
3. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001 16.640/2002).
Keiner dieser Mängel liegt hier jedoch vor. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen. dass das Ermittlungsverfahren mit einem wesentlichen, in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet wäre; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage, noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.
Zusammenfassend ist also die getroffene behördliche Entscheidung nicht mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel, der eine Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bewirkte, belastet.
4. Aus den gleichen Erwägungen, wie sie soeben angestellt wurden, geht auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, er sei in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden, von vornherein ins Leere.
5. Ob der Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in dem - hier vorliegenden - Fall, dass eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 14.807/1977 uva.).
6. Der Beschwerdeführer wurde sohin aus den in der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht dargelegten Gründen der Fall gewesen wäre.
7. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Dienstrecht, Ersatz zu Unrecht empfangener Leistungen, Wirkungaufschiebende, BerufungsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B229.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009