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L80459 Bodenbeschaffung Stadterneuerung Assanierung Wien;Norm
AVG §52 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Kail, Dr. Giendl und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde
1. der A-Aktiengesellschaft und 2. der C-Gesellschaft mbH, beide in W, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Wr Lreg vom 4. April 1993, Zl. MD-VfR-O 2/93, betreffend Vorschreibung eines Kostenvorschusses im Zusammenhang mit der Genehmigung eines Kaufvertrages nach § 9 Abs. 2 des Stadterneuerungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerinnen wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 13. April 1993 wurde der Erstbeschwerdeführerin "als Verkäuferin" und der Zweitbeschwerdeführerin "als Käuferin" unter Berufung auf § 76 Abs. 4 AVG "aufgrund des Antrages auf Genehmigung eines Kaufvertrages nach § 9 Abs. 2 Stadterneuerungsgesetz, BGBl. Nr. 287/1974 in der Fassung BGBl. Nr. 421/1992, für die erforderlichen Barauslagen ein Kostenvorschuß von
1.) S 1,604.026,80 und von 2.) S 554.326,80, insgesamt
S 2,158.353,60 je zur Hälfte vorgeschrieben". Der Berechnung des Vorschusses wurde eine den Mitgliedern der Gutachterkommission im Sinne des § 22 des Stadterneuerungsgesetzes zustehende Gebühr für Mühewaltung im Sinne der §§ 34 und 51 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 343/1989 und eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 32 Abs. 1 leg. cit. zugrunde gelegt.
Die Berufungsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß es sich bei den Mitgliedern dieser Gutachterkommission um nichtamtliche Sachverständige handle, welche nach dem durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 199/1982 neu eingefügten § 53 a AVG Anspruch auf Gebühren im gleichen Ausmaß wie Sachverständige im gerichtlichen Verfahren hätten. Umfang und Höhe dieser Gebühren seien von der Behörde, die den Sachverständigen in Anspruch genommen oder die Beweisaufnahme veranlaßt habe, festzusetzen. Durch § 53 a AVG werde eine Gleichbehandlung der Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren und im Verwaltungsverfahren hinsichtlich Umfang und Höhe ihres Anspruches herbeigeführt. Daher habe die Verwaltungsbehörde auch in Ansehung des Gebührenanspruches der Mitglieder der Gutachterkommission in Stadterneuerungsangelegenheiten vom Gebührenanspruchsgesetz in der für ihr Verfahren geltenden Fassung auszugehen. In diesem Zusammenhang sei auf Art. III Abs. 1 EGVG zu verweisen. Mit dem Inkraftreten der AVG-Novelle 1982 am 1. März 1983 würden sich Umfang und Höhe des Gebührenanspruches nicht nach dem im Wiener Gutachtergesetz 1977 zitierten Gebührenanspruchsgesetz 1975, BGBl. Nr. 136, sondern aufgrund des nunmehr anzuwendenden § 53 a AVG nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 343/1989 sowie der Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Festsetzung eines Zuschlags zu den im Gebührenanspruchsgesetz angeführten Beträgen, BGBl. Nr. 214/1992, richten. Abschließend meinte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides, die Behörde erster Instanz habe zutreffend ausgeführt, daß die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 31 Abs. 1 des Stadterneuerungsgesetzes vor der Entscheidung über einen Antrag auf Genehmigung eines Kaufvertrages ein Gutachten der Gutachterkommission über die angemessene Gegenleistung einzuholen habe. Der Behörde würden daher im vorliegenden Fall Barauslagen im beschriebenen Umfang erwachsen, weshalb die Parteien, die um eine solche Amtshandlung angesucht haben, gemäß § 76 Abs. 4 AVG zu Recht zum Erlag des Kostenvorschusses zu verhalten gewesen seien.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AVG
haben nachstehenden Wortlaut:
"Sachverständige
§ 52. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.
(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige heranziehen und, wenn sie nicht schon für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im allgemeinen beeidet sind, beeiden. ...
...
Gebühren von Sachverständigen und Dolmetschern
§ 53 a. (1) Nichtamtliche Sachverständige und nichtamtliche Dolmetscher haben Anspruch auf Gebühren unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Ausmaß wie Sachverständige (Dolmetscher) im gerichtlichen Verfahren. ...
...
§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen sind, im allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen.
...
(4) Ist eine Amtshandlung nicht ohne größere Barauslagen durchführbar, so kann die Partei, die um die Amtshandlung ansucht, zum Erlag eines entsprechenden Vorschusses verhalten werden."
§ 9 Abs. 1 und 2 und § 22 des Stadterneuerungsgesetzes, BGBl. Nr. 287/1974, lauten wie folgt:
"Genehmigung von Rechtsgeschäften
§ 9. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung und Aufhebung sowie die Vollziehung von Vorschriften, wie sie in den Abs. 2 bis 5 sowie im § 31 Abs. 1 und 2 enthalten sind, richtet sich nach Art. 11 Abs. 1 und 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 19292).
(2) In den gemäß § 1 Abs. 1 festgelegten Gebieten sowie für Baulichkeiten außerhalb von Assanierungsgebieten gemäß § 1 Abs. 2, im letztangeführten Fall nur, wenn ein Enteignungsverfahren gemäß § 13 Abs. 3 eingeleitet wurde, bedarf die Übertragung des Eigentums, die Einräumung eines Baurechtes und eines Fruchtnießungsrechtes an einem Grundstück oder Teilen davon, soweit sie von Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz nicht ausgenommen sind, durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Gegenleistung den angemessenen Wert (§ 23) übersteigt. Nebenbedingungen sind, soweit sie einen Schätzungswert haben, bei der Bewertung der Angemessenheit der Gegenleistung zu berücksichtigen. Wird die Genehmigung versagt, so ist das Rechtsgeschäft rechtsunwirksam. Ebenso sind Vereinbarungen rechtsunwirksam, die der Umgehung der Genehmigungspflicht dienen.
Gutachterkommission
§ 22. (Grundsatzbestimmungen) (1) Zur Erstellung von Gutachten über die nach diesem Bundesgesetz zu erbringenden Leistungen (§§ 8, 9, 12, 19, 29, 30, 31 und 32) hat das Land eine Gutachterkommission zu bestellen.
(2) Die Gutachterkommission besteht aus einem Vorsitzenden und zwei gerichtlich beeideten Sachverständigen. Der Vorsitzende, der rechtskundig sein muß, wird von der Landesregierung auf die Dauer von vier Jahren bestellt; die Bestellung kann wiederholt werden. Je ein Mitglied der Gutachterkommission wird vom Entschädigungsberechtigten und vom Entschädigungsverpflichteten bei Gutachten betreffend die Genehmigung von Rechtsgeschäften (§ 9) von den Vertragschließenden und von der Gemeinde (§ 31 Abs. 1) bestellt. Im Falle der Säumigkeit des Entschädigungsberechtigten oder des Entschädigungsverpflichteten hat die Landesregierung das Mitglied zu bestellen. Für jedes Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu bestellen, das das Mitglied bei dessen Verhinderung vertritt. Die Mitglieder dürfen nicht mit der Verwaltung von gemeindeeigenen Liegenschaften befaßt sein und sind bei der Ausübung ihrer Gutachtertätigkeit an keine Weisung gebunden. Die Mitglieder der Gutachterkommission sind in deren Sitzungen von der Beratung und Abstimmung in einzelnen Fällen ausgeschlossen, wenn wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen (§ 7 Abs. 1 AVG 1950, BGBl. Nr. 172).
(3) Die Mitglieder der Gutachterkommission sind verpflichtet, die durch ihre Tätigkeit zur Kenntnis gelangten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen geheimzuhalten.
(4) Die Mitglieder der Gutachterkommission sind für ihre Tätigkeit nach dem Zeitaufwand zu entschädigen."
§ 3 des Gesetzes vom 25. April 1977, über die Einrichtung und die Regelung des Aufgabenbereiches von Gutachterkommissionen in Stadterneuerungs- und Bodenbeschaffungsangelegenheiten, LGBl. für Wien Nr. 22/1977, lautet:
"§ 3. Den als Sachverständigen der Gutachterkommission angehörenden Mitgliedern gebührt für ihre Tätigkeit die volle Entschädigung entsprechend den Bestimmungen des III. Abschnittes des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 136/1975 ..."
Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß es sich bei der Gutachterkommission im Sinne des § 22 des Stadterneuerungsgesetzes um ein Kollegialorgan handelt, welchem kraft Gesetzes die Aufgabe übertragen ist, u.a. im Zusammenhang mit Rechtsgeschäften unter Lebenden, welche die Übertragung des Eigentums an den dem § 9 Abs. 2 leg. cit. unterliegenden Grundstücken zum Inhalt haben, ein Gutachten über den angemessenen Wert der Gegenleistung zu erstatten. Im gegebenen Zusammenhang ist vor allem maßgeblich, daß die als Kollegialorgan zur Erstattung der erwähnten Gutachten berufene GUTACHTERKOMMISSION unmittelbar durch das Gesetz geschaffen worden ist (vgl. dazu das bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., auf S. 363 unter Z. 5 zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1979, Zl. 3191/78), und sohin der Behörde im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG "zur Verfügung steht". Die Gutachterkommission erfüllt daher die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AVG und nicht jene des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle und ist daher als Amtssachverständiger zu qualifizieren, weshalb auf sie auch nicht die Bestimmungen des § 53 a Abs. 1 AVG über die Gebührenansprüche nichtamtlicher Sachverständiger anzuwenden sind. Daraus folgt aber, daß die Grundsatzbestimmung des § 22 Abs. 4 des Stadterneuerungsgesetzes und die Vorschriften des § 3 des Landesgesetzes LGBl. für Wien Nr. 22/1977 in bezug auf die Entschädigung der Mitglieder der in Rede stehenden Gutachterkommission für ihre Tätigkeit gelten. Gemäß § 3 dieses Landesgesetzes gebührt diesen Mitgliedern für ihre Tätigkeit die volle Entschädigung entsprechend den Bestimmungen des III. Abschnittes des Gebührenanspruchsgesetzes 1975. Damit zählt - abweichend von den Bestimmungen des AVG, aber im Hinblick auf Art. 11 Abs. 2 B-VG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 444/1975 verfassungsrechtlich zulässig - die den Mitgliedern der - amtlichen - Gutachterkommission gebührende Entschädigung zu den nicht von Amts wegen, sondern von der antragstellenden Partei zu tragenden Barauslagen, welche nach Maßgabe des § 76 Abs. 4 AVG vorschußweise zu erlegen sind. Die Entschädigung der Mitglieder dieser Kommission und damit der im Beschwerdefall vorgeschriebene Vorschuß ist nun allerdings - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 343/1989 sowie unter Bedachtnahme auf die Verordnung des Bundesministers für Justiz BGBl. Nr. 214/1992, sondern im Hinblick auf die statische Verweisung des § 3 des mehrfach erwähnten Landesgesetzes LGBl. für Wien Nr. 22/1977 nach "den Bestimmungen des III. Abschnittes des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 136/1975", zu berechnen. Dazu kommt noch, daß in der bereits wiedergegebenen grundsatzgesetzlichen Regelung des § 22 Abs. 4 des Stadterneuerungsgesetzes ausdrücklich vorgesehen ist, daß die Mitglieder der Gutachterkommission für ihre Tätigkeit "nach dem Zeitaufwand" zu entschädigen sind. Bei der gebotenen grundsatzgesetzkonformen Auslegung des § 3 des Landesgesetzes LGBl. für Wien Nr. 22/1977 führt dies aber zu dem Ergebnis, daß die Bestimmungen der Stammfassung des III. Abschnittes des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 über den Umfang der Gebühr des Sachverständigen nur hinsichtlich der Regelungen über die Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinne des § 24 Z. 3 leg. cit. angewendet werden dürfen, also einem sachverständigen Mitglied der Gutachterkommission insbesondere keine "Gebühr für Mühewaltung" gemäß der Z. 4 dieser Gesetzesstelle sowie des § 34 leg. cit. zusteht.
Die belangte Behörde ist demnach bei der Berechnung des den Beschwerdeführerinnen vorgeschriebenen Vorschusses von einer unrichtigen Grundlage für die Ermittlung der Barauslagen ausgegangen, weil sie nicht nur eine Gebühr für Mühewaltung als zulässig angesehen hat, sondern darüber hinaus auch noch der Berechnung der Entschädigung für Zeitversäumnis nicht die Regelung der Stammfassung des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 zugrunde gelegt hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerinnen war abzuweisen, weil für den Schriftsatzaufwand nur der in der zitierten Verordnung vorgesehene Pauschalbetrag zuerkannt werden kann und an Stempelgebühren für die zweifach vorzulegende Beschwerde und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides insgesamt nur S 300,-- zu entrichten waren.
Schlagworte
Amtssachverständiger Person Bejahung Gebühren Kosten Sachverständiger KollegialorganEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993050119.X00Im RIS seit
20.11.2000