TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/7 91/05/0143

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Veröffentlicht am 07.12.1993
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs4 Z4;
BauO NÖ 1976 §10 Abs1 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §11 Abs2 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §11 Abs3;
BauO NÖ 1976 §118 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs4 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Baden, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Mai 1991, Zl. R/1-V-90136, betreffend Nichtigerklärung einer Grundabteilung (mitbeteiligte Partei:

B-Gesellschaft m.b.H in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Abteilungswerberin war im Zeitpunkt ihres Antrages (3. Oktober 1989) noch außerbücherliche Eigentümerin der 3.189 m2 großen Parzelle 357/1, welche mit einer Villa und einer Schwimmhalle bebaut ist, und der 850 m2 großen Parzelle 357/4, je im Grundbuchskörper EZ 440, KG X. Sie legte mit ihrem Ansuchen einen Teilungsplan vom 26. September 1989 betreffend die Veränderung der Bauplätze Grundstück Nr. 357/1 und 357/4 vor und ersuchte gleichzeitig um Abänderung der Bebauungsdichte für beide Grundstücke von 20 % auf 25 %. Die Baubehörde teilte mit Schreiben vom 8. November 1989 u.a. mit, daß eine Abänderung der Bebauungsdichte nicht in Frage käme.

Der Verhandlung vom 18. Jänner 1990 lag allerdings ein Teilungsplan vom 22. November 1989 zugrunde. Danach sollte das Grundstück 357/1 auf 1780 m2 reduziert und das Grundstück 357/4 auf 2.268 m2 vergrößert werden. Laut Plan war die Schwimmhalle auf dem Grundstück 357/1 als "unterirdisch" bezeichnet und mit strichlierten Linien eingetragen. Im Akt befindet sich eine handschriftliche Berechnung, die laut Inhaltsverzeichnis des Gemeindeaktes vom Amtssachverständigen der Gemeinde stammt, wonach die Schwimmhalle 186,56 m2 groß sei, aber nur mit einer Fläche von 76,81 m2 eine oberirdisch bebaute Fläche darstelle.

Der Amtssachverständige stellte bei der Verhandlung an Ort und Stelle fest, daß die Bebauungsvorschriften nicht verletzt würden und kein Widerspruch zum geltenden Flächenwidmungsplan bestehe.

Mit Bescheid vom 15. Februar 1990 bewilligte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin gemäß §§ 10 und 11 der NÖ Bauordnung die beantragte Teilung. Es wurde ausgeführt, daß auf dem nunmehr verkleinerten Grundstück 357/1 durch den Baubestand (Villa und Schwimmhalle) die im Bebauungsplan ausgewiesene Bebauungsdichte von 20 % nicht überschritten werde.

Mit Schreiben vom 22. Februar 1990 erklärten die Planverfasser, daß sie (als Abteilungswerber) auf jedes Rechtsmittel verzichten; am selben Tag bestätigte das Stadtbauamt die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Bescheides vom 15. Februar 1990.

Mit gleichlautenden Schreiben vom 7. Mai 1990 ersuchten Nachbarn um Einräumung der Parteistellung und um Unterbrechung des (offenbar schon anhängig gemachten) Baubewilligungsverfahrens. Sie machten insbesondere die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Bebauungsdichte geltend.

Die Baubehörde kündigte in einem dem Grundbuchsgericht am 25. Mai 1990 zugestellten Schreiben an, der Gemeinderat werde den Bescheid vom 15. Februar 1990 gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG wegen Nichtigkeit aufheben; es wurde auf den Sitzungstermin 19. Juni 1990, verwiesen. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 11. Juni 1990, TZ 4060/1990, wurden aufgrund des Teilungsplanes und aufgrund des Bescheides vom 15. Februar 1990 verschiedene Grundbuchseintragungen bewilligt; insbesondere erfolgte die Eröffnung der neuen Einlage EZ 1299, bestehend aus dem vergrößerten Grundstück 357/4. In der Begründung dieses Beschlusses wurde ausdrücklich auf das oben genannte Schreiben der Beschwerdeführerin Bezug genommen und ausgeführt, daß gemäß § 93 GBG allein der Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuches für seine Beurteilung entscheidend sei.

Der Gemeinderatssitzung vom 19. Juni 1990 lagen aktuelle Grundbuchsauszüge (Anfragedatum 19. Juni 1990) zur EZ 440 und zur EZ 1299 jeweils mit Bezugnahme auf die TZ 4060/1990 vor. Mit dem an diesem Tag beschlossenen, am 20. Juni 1990 ausgefertigten und am 21. Juni 1990 zugestellten Bescheid erklärte der Gemeinderat der Beschwerdeführerin als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in Ausübung des Aufsichtsrechts den Bescheid vom 15. Februar 1990 als nichtig, da dieser an einem durch gesetzliche Vorschriften ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leide. In der Begründung wurde ausgeführt, daß es sich bei der Schwimmhalle keineswegs um ein auch nur teilweise unterirdisches Bauwerk handle, sondern daß sie zur Gänze als bebaute Fläche zu berücksichtigen sei. Daraus ergebe sich für das Grundstück 357/1 eine Bebauungsdichte von 26 %, was im Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan stehe. Auch liege ein Widerspruch zu § 21 Abs. 4 (Abstand der Schwimmhalle von der neuen Grundgrenze) vor.

Aufgrund der von der Abteilungswerberin dagegen erstatteten Vorstellung holte die belangte Behörde ein Gutachten zur Frage ein, inwieweit die Schwimmhalle auf dem Grundstück 357/1 als unterirdisches Gebäude bzw. als bebaute Fläche zu werten sei und welche Bebauungsdichte vor und nach der Teilung vorlag. Das Gutachten vom 22. Februar 1991, welches nach einem Ortsaugenschein erstattet wurde, ergab, daß die Bebauungsdichte bei Berücksichtigung der Schwimmhalle im Ausmaß von 203 m2 vor der Teilung 16 %, danach 28,8 % betragen habe.

Während dem Rekurs der Beschwerdeführerin gegen den Grundbuchsbeschluß vom 11. Juni 1990 vom Rekursgericht Folge gegeben wurde, stellte der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 12. März 1991 diesen Grundbuchsbeschluß wieder her. Unter Bezugnahme auf § 93 GBG vertrat das Höchstgericht die Auffassung, daß eine Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 4 AVG nur ex nunc wirken könne und daher im Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuches trotz Ankündigung der Nichtigerklärung allein die rechtskräftige Abteilungsbewilligung zu beachten war.

Der gegen den Aufhebungsbescheid des Gemeinderates gerichteten Vorstellung der Mitbeteiligten gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge und hob den Bescheid ersatzlos auf. Da für die Beurteilung des Grundbuchsgesuches der Zeitpunkt des Einlangens maßgebend sei, sei in diesem Zeitpunkt die Grundabteilung auch "durchgeführt" im Sinne des § 118 Abs. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung. Darüber hinaus sei der Grundbuchsbeschluß der Gemeinde zugestellt worden, bevor es zur Nichtigerklärung im Gemeinderat gekommen sei. Am 21. Juni 1990 sei eine Nichtigerklärung nicht mehr zulässig gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gemeinde gemäß Art. 119 a Abs. 9 B-VG, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Niederösterreichische Bauordnung (in der hier zur Anwendung gelangenden Fassung LGBl. 8200-6; im folgenden: BO) sieht im § 10 Abs. 1 vor, daß eine Grundabteilung der Bewilligung der Baubehörde bedarf. Nach Abs. 6 Z. 3 dieser Bestimmung ist die Bewilligung nur dann zu erteilen, wenn bei bestehenden Baulichkeiten dadurch kein Widerspruch zu einer Bestimmung dieses Gesetzes (z.B. über Belichtung, Bauwich oder Bebauungsdichte) entsteht. Gemäß § 11 ("Durchführung von Grundabteilungen") Abs. 1 BO erlischt die Bewilligung, wenn die Grundabteilung nicht binnen zwei Jahren ab Rechtskraft bei Gericht beantragt worden ist; gemäß Abs. 2 darf im Grundbuch eine Änderung von Grundstücksgrenzen im Bauland nur durchgeführt werden, wenn sie von der Baubehörde rechtskräftig bewilligt wurde und wenn sie den gesamten Inhalt der Bewilligung umfaßt. Der Gemeinde steht gemäß Abs. 3 gegen den Beschluß des Grundbuchsgerichtes über die Durchführung der Grundabteilung das Rechtsmittel des Rekurses zu.

Gemäß § 118 Abs. 4 BO leidet ein Bescheid, der entgegen u. a. der Bestimmung des § 10 Abs. 6 BO erlassen wurde, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler; seine Aufhebung ist jedoch gemäß § 118 Abs. 4 Z. 1 BO nur bis zur Durchführung im Grundbuch möglich.

Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 BO gegeben, weil eine von der Baubehörde rechtskräftig bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen (Bescheid vom 15. Februar 1990) vorlag. Der Grundbuchsbeschluß, dem der zuletzt genannte Bescheid zugrundelag, stammt vom 11. Juni 1990 und wurde der Beschwerdeführerin am 18. Juni 1990 zugestellt; am 19. Juni 1990 lagen aktuelle Grundbuchsauszüge vor, sodaß auch der Vollzug gemäß § 102 Abs. 1 GBG ausgewiesen war.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist alleine die Frage strittig, ob die durch den Gemeinderatsbescheid erfolgte Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 1990 wegen Nichtigkeit gemäß § 68 Abs. 4 AVG innerhalb der im § 118 Abs. 4 Z. 1 BO gesetzten Frist erfolgte oder nicht. Gemäß § 118 Abs. 1 BO sind in einem nach diesem Gesetz durchzuführenden Verfahren die Bestimmungen des AVG anzuwenden, wenn sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Gemäß § 68 Abs. 4 AVG können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid (Z. 4) an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohtem Fehler leidet. Liegt diese Voraussetzung vor, so kann gemäß § 118 Abs. 4 Z. 1 BO die Aufhebung aber nur bis zur Durchführung im Grundbuch erfolgen.

Die Beschwerdeführerin meint nun, mit "Durchführung im Grundbuch" sei der rechtskräftige Abschluß des Grundbuchverfahrens zu verstehen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Auffassung nicht zu teilen: Voraussetzung der Durchführung der Änderung im Grundbuch (§ 11 Abs. 2 BO) ist die rechtskräftige Bewilligung der Grundabteilung durch die Baubehörde. Gemäß § 11 Abs. 3 BO hat das Grundbuchsgericht den Beschluß über die Durchführung einer Grundabteilung der Gemeinde zuzustellen; letztere ist rekursberechtigt. Damit wird aber klar zum Ausdruck gebracht, daß dann, wenn die Gemeinde ihr Rekursrecht in Anspruch nimmt, der Beschluß über die DURCHFÜHRUNG bereits ergangen sein muß.

Gemäß § 102 Abs. 1 GBG muß der Vollzug des Bewilligungsbeschlusses im Grundbuch nach dem Inhalt des Beschlusses erfolgen; einen mehrstufigen Verfahrensablauf etwa in dem Sinne, daß der Vollzug erst nach Rechtskraft erfolgen dürfe, sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr ist gemäß § 125 Abs. 1 GBG die Anmerkung des Rekurses im Grundbuch vorgeschrieben, wenn der Rekurs gegen die Bewilligung der Eintragung gerichtet war.

Auch ein Vergleich der früheren Fassung der hier anzuwendenden Bestimmungen mit der geltenden Rechtslage läßt das von der Beschwerdeführerin gewünschte Auslegungsergebnis nicht zu. § 12 Abs. 1 BO in der Fassung LGBl. 8200-0 sah eine Sperrfrist von drei Monaten ab Rechtskraft des Abteilungsbewilligungsbescheides vor; erst danach durfte das Grundbuchsgesuch eingebracht werden. § 118 Abs. 4 BO alter Fassung ließ eine Aufhebung innerhalb dieser Sperrfrist zu. Allein die Auflassung der Sperrfrist durch die Novelle LGBl. Nr. 8200-6 machte eine Änderung des § 118 Abs. 4 erforderlich (vgl. Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung4 Erl. zu § 11 BO, S 114).

Ob mit der Wendung "Durchführung im Grundbuch" bereits das Einlangen beim Grundbuchsgericht, die Beschlußfassung des Grundbuchsgerichtes oder der Vollzug im Grundbuch gemeint ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil alle diese Zeitpunkte vor der Beschlußfassung des Gemeinderates (und somit vor der Wirksamkeit des Bescheides durch Zustellung) liegen. Da zu diesem Zeitpunkt ein Aufhebungsbescheid gemäß § 118 Abs. 4 Z. 1 BO nicht mehr zulässig war, ist auch eine Auseinandersetzung mit den Rechtswirkungen eines solchen Bescheides (siehe die von Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes5, Rz. 664 erhobene Kritik an der höchstgerichtlichen Judikatur) entbehrlich.

Da somit die belangte Behörde zu Recht in Stattgebung der Vorstellung mit Bescheidaufhebung vorgegangen ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991050143.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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