TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/14 93/05/0224

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Veröffentlicht am 14.12.1993
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Index

L10012 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Kärnten;
L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Kärnten;
L82000 Bauordnung;
L82002 Bauordnung Kärnten;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Krnt 1992 §18 Abs2;
BauO Krnt 1992 §21 Abs2;
BauO Krnt 1992 §21 Abs5;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Allg Krnt 1993 §95 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Gemeinde X, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 19. August 1993, Zl. 8 BauR1-249/3/93, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: AM in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligte beantragte mit Eingabe vom 8. November 1988 die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit 32 Wohneinheiten auf den Parzellen Nr. 364, 366/1 und 363/1. Nach Vorbesprechungen mit dem Bürgermeister und mehrfacher Befassung des Gemeindevorstandes sowie der Ortsbildpflegekommission der beschwerdeführenden Gemeinde, Erstellung eines Raumordnungsgutachtens und Projektsänderungen beantragte der Mitbeteiligte schließlich mit einer bei der Beschwerdeführerin am 21. Dezember 1990 eingelangten Eingabe die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit 21 Wohnungen, 13 Junior-Suiten und einem Restaurant auf den genannten Parzellen. Über dieses Ansuchen beraumte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde mit Kundmachung vom 14. Mai 1991 eine mündliche Verhandlung für den 28. Mai 1991 an, zu der auch die Anrainer geladen wurden. Der Vertreter des Dr. JK, der Dr. MK, des Dr. WD und des Dr. ND erklärte in dieser Verhandlung, das Bauvorhaben sei unzulässig, weil es der Widmung widerspreche. Es sei ein Apartmenthaus, wofür eine Sonderwidmung fehle. Der Schluß, daß es sich um ein Apartmenthaus handle, ergebe sich zwingend aus der Anlage der einzelnen Wohnungen und dem Fehlen aller jener Elemente, die für Dauerwohnungen typisch sind, wie z.B. Keller und Dachbodenanteile. Die Verhandlung wurde schließlich zur Vorlage weiterer Pläne vertagt. Mit Kundmachung vom 27. September 1991 wurde die Fortführung der Verhandlung für den 8. Oktober 1991 anberaumt; in dieser Verhandlung stellte der Vertreter des Mitbeteiligten den Antrag, allen Geladenen, soferne sie nicht als unmittelbare Anrainer gälten, die Parteistellung abzuerkennen. Unter Berufung auf ein Gutachten des Ing.Dr. N. (Sachverständiger für Raumordnungs- und Naturschutzrecht beim Amt der Kärntner Landesregierung) hielt der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde fest, daß die 21 Wohnungen im Sinne des derzeit geltenden Flächenwidmungsplanes Verwendung zu finden hätten (ganzjährige Bewohnung), über eine vertragliche Vereinbarung sei noch gesondert zu verhandeln. Die im Plan ausgewiesenen Junior-Suiten seien eine selbständige Geschäftseinheit und kein Wohnungseigentum. Schließlich wurde dem Mitbeteiligten mit Bescheid des Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde vom 16. Dezember 1991 unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen die Baubewilligung erteilt. Unter Punkt 47 wurde u.a. ausgeführt, im § 5 Abs. 1 Gemeindeplanungsgesetzes 1982 werde die gesetzliche Verpflichtung ausgesprochen, daß Flächen für Apartmenthäuser, Feriendörfer, Wochenendhäuser und Hoteldörfer als Sonderwidmung festgelegt werden müßten. Das gegenständliche Objekt habe keineswegs eine einheitliche, sondern eine Mischform verschiedener Nutzungsverwendungen zum Gegenstand. Das Objekt solle ein relativ großes Restaurant, 13 gewerbsmäßig zu vermietende Wohneinheiten sowie 21 eigenständige Wohneinheiten beeinhalten. Für die 21 Wohneinheiten werde die nachstehend (unter Punkt 48 festgehaltene) Verwendungsfestlegung als Bescheidauflage festgelegt. Unter Punkt 48 wurde vorgeschrieben, daß die 21 Wohneinheiten einem ganzjährigen Wohnbedarf zu dienen haben. Dadurch werde eine ganzjährige Bewohnung sichergestellt. Betreffend einer ganzjährig gegebenen Wohnnutzung sei mit dem Bauwerber ein entsprechender Vertrag abzuschließen, um eine ganzjährige Bewohnung zu sichern.

Dieser Bescheid erging auch an Dr. JK, Dr. PK, Dr. MK und Dr. ND. Dr. JK, Dr. PK und Dr. MK haben gegen diesen Baubewilligungsbescheid berufen und vorgebracht, das Bauvorhaben könne objektiv nur als Apartmenthaus beurteilt werden, wofür die Vielzahl kleinerer Wohnungen und das Fehlen von Abstellräumen spreche. Die Auflage in Punkt 48 des Baubewilligungsbescheides sage nicht aus, mit wem der Bauwerber einen Vertrag abschließen solle; diese Auflage sei nicht einmal für eine Vollstreckung geeignet und daher untauglich. Die Widmung Kurgebiet nach § 2 Abs. 5 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 schreibe vor, daß unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Kurgebiet mit dem Bauvorhaben keine örtlich unzumutbare Umweltbalstung verbunden sein dürfe. Mit der Ruhe wäre es allein schon wegen des gegenüber den heutigen Verhältnissen vervielfachten Verkehrs, den die schmalen Straßen ohne empfindliche Beeinträchtigung der Bewohner, Anrainer und Gäste nicht aufnehmen könnten, vorbei. Es werde daher beantragt, die Baubewilligung zu versagen. Auch der Mitbeteiligte hat eine Berufung eingebracht, die sich aber nur gegen die Auflagen hinsichtlich der Punkte 47 und 48 bezog.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Gemeinde ohne Datum wurde aufgrund des Vorstandsbeschlusses vom 11. Juni 1992 der Berufung des Dr. JK, des Dr. PK und der Dr. MK Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben und der "Bauantrag abgewiesen". Die Berufung des Mitbeteiligten wurde insofern behandelt, als die Berufungsbehörde im Spruch aussprach, sie erachte es nicht mehr als erforderlich, auf die Berufung des Bauwerbers hinsichtlich der Punkte 47 und 48 einzugehen, da der Bauantrag zur Gänze abgewiesen sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Verwirklichung des Bauvorhabens stehe im Widerspruch mit dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde, weil es für die Verwirklichung des eingereichten Bauvorhabens einer Sonderwidmung für Apartmenthäuser bedürfe, die zu verbauenden Flächen jedoch nur als Bauland-Kurgebiet gewidmet seien. Dieser Bescheid erging nach seiner Zustellverfügung und dem angeschlossenen Rückschein nur an den Mitbeteiligten zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters und wurde diesem am 10. Juli 1992 zugestellt.

Aufgrund der Vorstellung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Gemeinde hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 23. November 1992 den Bescheid des Gemeindevorstandes behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde zurückverwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus der Niederschrift über die Sitzung des Gemeindevorstandes vom 11. Juni 1992 ergebe sich, daß der Gemeindevorstand der Berufung der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der Bescheidpunkte 47 und 48 keine Folge gegeben habe. Hingegen fehle im Spruch des mit Vorstellung angefochtenen Bescheides dieser Teil des Beschlusses, weshalb daher der Bescheid mit dem Beschluß des Gemeindevorstandes nicht übereinstimme. Weiters sei laut Spruch des angefochtenen Bescheides der Bauantrag des Mitbeteiligten wegen Fehlens einer Sonderwidmung abgewiesen worden, hingegen scheine in der Niederschrift des Gemeindevorstandes vom 11. Juni 1992 der diesbezügliche Beschluß gar nicht auf. Es liege somit ein weiterer Fall der mangelnden Übereinstimmung zwischen Spruch des angefochtenen Bescheides und Beschlußfassung des Gemeindevorstandes vor. Bereits aus diesem Grunde sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Überdies habe der Mitbeteiligte schon während der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 1991 beantragt, allen Geladenen, soferne sie nicht unmittelbare Anrainer seien, die Parteistellung abzuerkennen. Im Rahmen des Berufungsverfahrens habe er ausgeführt, daß die Parteistellung der Berufungswerber Dr. JK, Dr. PK und Dr. MK zu überprüfen sei, seien ihre Grundstücke doch ca. 200 m von den Baugrundstücken entfernt und durch dazwischenliegende Grundstücke getrennt. Die Berufungsbehörde habe nun einen weiteren schwerwiegenden Mangel gesetzt, indem sie sich mit diesem allenfalls berechtigten Vorbringen des Mitbeteiligten nicht befaßte, ja es in ihrer Entscheidung nicht einmal erwähnte. Stünde nämlich den genannten Berufungswerbern keine Parteistellung zu, dann hätte ihrer Berufung nicht Folge gegeben, der Bescheid des Bürgermeisters nicht aufgehoben und der Bauantrag nicht abgewiesen werden dürfen. Völlig verfehlt sei aus diesen Erwägungen der Spruch des Bescheides, wonach es die Berufungsbehörde wegen der Abweisung des Bauantrages nicht mehr für notwendig erachte, auf die Berufung des Mitbeteiligten einzugehen. Überdies fehlten jegliche Hinweise dafür, inwiefern Nachweise eines Wohnbedarfes nicht vorhanden sein sollten. Selbst der Gemeindevorstand räume ein, daß im Gutachten des Amtes der Kärntner Landesregierung davon ausgegangen werde, daß das Restaurant der Gästebewirtung, die 13 Junior-Suiten insgesamt der gewerblichen Nutzung und die 21 Wohneinheiten einem ganzjährigen Wohnbedarf zugeführt würden. Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß alle Ausführungen des Gemeindevorstandes, mit denen versucht werde, einen Widerspruch zum Flächenwidmungsplan nachzuweisen, in keiner Weise zu überzeugen vermochten. Der Gemeindevorstand halte dem Mitbeteiligten auch vor, sich gegen die im erstinstanzlichen Bescheid festgelegte ganzjährige Wohnnutzung (ganzjähriger Wohnbedarf) ausgesprochen zu haben und leite daraus ab, daß diese Anlage in bezug auf die 21 Wohneinheiten nicht einem ganzjährigen Wohnbedarf dienen würde. Diese Auffassung können nicht geteilt werden, der Mitbeteiligte habe sich keineswegs gegen die festgelegte ganzjährige Wohnnutzung ausgesprochen, sondern nur den Standpunkt vertreten, daß der § 14 der Kärntner Bauordnung keine Handhabe für eine derartige Auflage biete und dieser Umstand also nicht Gegenstand einer Auflage sein könne. Im Ergebnis sei diese Ansicht des Mitbeteiligten zutreffend.

In der Folge erging seitens der beschwerdeführenden Gemeinde an den Vertreter des Mitbeteiligten ein Schreiben vom 28. April 1993, in dem mitgeteilt wurde, es sei seitens des Gemeindevorstandes beabsichtigt, die Berufung der Berufungswerber Dr. JK, Dr. PK und Dr. MK mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen. Der Gemeindevorstand begründe aber die neuerliche Versagung des Bauantrages damit, daß das gegenständliche Objekt ein Apartmenthaus sei und hierfür eine Sonderwidmung erforderlich sei. Die künftigen Wohnungsbenützer im gegenständlichen Fall würden sicher Ortsfremde sein, da für ortsansässige Wohnungssuchende geförderte Wohnungen durch eine gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft errichtet würden. Ebenso lasse die Lage des beantragten Baukörpers erkennen, daß die Wohnungen sicherlich nur von Ortsfremden gekauft und benützt werden. Das gegenständliche Bauvorhaben befinde sich an einem vom Fremdenverkehr bevorzugten Platz; die Entfernung zum Wörthersee betrage rund 50 m, es sei eine unmittelbare Lage am Golfplatz gegeben. Der Gemeindevorstand sei daher der Ansicht, daß die künftigen Wohnungsbenützer und Eigentümer nahezu 100prozentig Ortsfremde sein würden.

Mit Schreiben vom 11. Mai 1993, eingelangt am selben Tag beim Gemeindeamt der beschwerdeführenden Gemeinde zog der Mitbeteiligte seine Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters zurück, wobei er darauf hinwies, daß der Gemeindevorstand in seiner Sitzung vom 8. Juli 1992 über die Berufung des Mitbeteiligten nicht entschieden habe, sodaß die Zurückziehung der Berufung rechtzeitig sei.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1993 hat der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde der Berufung des Dr. JK, Dr. PK und der Dr. MK neuerlich Folge gegeben und den Bescheid des Bürgermeisters vom 16. Dezember 1991 aufgehoben. Gleichzeitig wurde gemäß § 17 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung 1992, in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG und § 94 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung die Baubewilligung zur Errichtung einer Wohnanlage mit 21 Wohneinheiten, 13 Junior-Suiten und einem Restaurant wegen Fehlens einer Sonderwidmung versagt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, im gegenständlichen Bauvorhaben betrage die Entfernung zum Grundstück der Berufungswerber Dr. K nicht 200 m, sondern nur ca. 170 m. Der Gemeindevorstand sei der Meinung, daß bezogen auf § 21 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung 1992 die (Grundstücke) der Fam. Dr. K als im Einflußbereich des Bauvorhabens liegende Grundstücke anzusehen seien und somit eine Parteistellung vorliege. Der Begriff der Anrainer solle speziell bei Großbauvorhaben großzügig ausgelegt werden, da nicht nur während der Bauführung sondern überhaupt durch das geplante Bauvorhaben das öffentliche Weggrundstück 521, KG Maria Wörth vermehrt in Anspruch genommen werde und dadurch die Lebensqualität der Anrainer beeinträchtigt werde. Die Lage und die Gestaltung des Baukörpers lasse annehmen, daß die Wohnungen sicherlich nur von Ortsfremden gekauft und benützt werden. Aufgrund der Zurückziehung der Berufung durch den mitbeteiligten Bauwerber sei der Beschluß des Gemeindevorstandes vom 2. März 1993 dahingehend geändert worden, daß den Berufungswerbern, der Familie K die Parteistellung nicht aberkannt und ihrer Berufung neuerlich Folge gegeben werde.

Aufgrund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung des mitbeteiligten Bauwerbers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 19. August 1993 den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 26. Mai 1993 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen. Begründend wurde im wesentlichen nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die Berufung des mitbeteiligten Bauwerbers sei im Zeitpunkt der Beschlußfassung des Gemeindevorstandes am 24. Mai 1993 nicht mehr anhängig gewesen, sodaß der Gemeindevorstand nicht mehr befugt gewesen sei, über die Berufung zu entscheiden. Es gehe zwar aus dem Spruch des Bescheides nicht ausdrücklich hervor, daß die Versagung der Baubewilligung aufgrund der Berufung des Bauwerbers ausgesprochen worden sei, es erhelle jedoch aus der Einleitung und der Begründung des Bescheides zweifelsfrei, daß der Gemeindevorstand auch die Berufung des Bauwerbers miterledigte. Infolge dieser (funktionellen) Unzuständigkeit des Gemeindevorstandes erweise sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Selbst unter Berücksichtigung der Entfernung der Grundstücke der Familie Dr. K zum Bauvorhaben von 170 m könne eine Parteistellung dieser Berufungswerber nicht angenommen werden, zumal der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. September 1983, Zl. 83/06/0093, ausgeführt habe, daß selbst bei einer Entfernung von mindestens 30 m vom Bauplatz und Dazwischenliegen eines anderen Grundstückes die Parteistellung eines Nachbarn zu Recht verneint werden könne, wenn nicht besondere Umstände vorlägen (etwa Immissionen). Von besonderen Umständen im Sinne von Immissionen könne aber bei der gegenständlichen Wohnanlage keine Rede sein. Es falle Größe und Umfang der Wohnanlage zwar in gewisser Weise ins Gewicht, dennoch müsse unter Berücksichtigung des angeführten Erkenntnisses die Art des gegenständlichen Bauvorhabens (kein emittierender Betrieb) und die erhebliche Entfernung berücksichtigt werden, sodaß eine Parteistellung dieser Berufungswerber keinesfalls gegeben sei. Der Bescheid sei aber auch deshalb fehlerhaft, weil für die Berufungsbehörde offensichtlich allein die (vermeintliche) Parteistellung Anlaß dafür war, der Berufung Folge zu geben. Auch ein Anrainer könne mit einer Berufung aber nur dann durchdringen, wenn er durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden sei. Eine derartige (konkrete) Rechtsverletzung habe die Berufungsbehörde nicht einmal behauptet. Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß der Gemeindevorstand der Berufung der Berufungswerber Dr. JK, Dr. PK und Dr. MK nicht hätte Folge geben dürfen, sondern ihre Berufung vielmehr als unzulässig zurückweisen hätte müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Gemeinde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 95 Abs. 5 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, LGBl. Nr. 8, wiederverlautbart mit LGBl. Nr. 77/1993, ist die Gemeinde verpflichtet, bei der neuerlichen Entscheidung der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde Rechnung zu tragen. Die Gemeinde hat in dieser neuerlichen Entscheidung auch ausdrücklich anzuführen, daß ihre Entscheidung in Bindung an die Rechtsansicht der Landesregierung ergeht.

Diese Bindungswirkung des aufsichtsbehördlichen Bescheides kommt nur bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage in Betracht. Während im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeindevorstandes (ohne Datum) im ersten Rechtsgang noch die Parteistellung der Anrainer im § 18 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung in der Fassung vor deren Novelle LGBl. Nr. 26/1992, (BO), geregelt war, ist die Parteistellung der Nachbarn aufgrund der 4. Bauordnungsnovelle infolge der Wiederverlautbarung LGBl. Nr. 64/1992 nunmehr im § 21 Abs. 2 geregelt, wobei aber sowohl in der Fassung vor als auch nach der 4. Bauordnungsnovelle der Begriff Anrainer mit "Eigentümer der im Einflußbereich des VORHABENS liegenden Grundstücke" umschrieben wurde. Durch die 4. Novelle wurden aber 2 neue Absätze - seit der Wiederverlautbarung als Abs. 4 und 5 bezeichnet - eingefügt. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung können Parteien im Sinne des Abs. 1 und 2 gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Nach Abs. 5 sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Parteien im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Bestimmungen des Baurechtes oder die Bebauungspläne stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken, die Gebäudehöhe sowie jene Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarschaft in gesundheitlichen Belangen, im Interesse der Brandsicherheit oder gegen Immissionen dienen. Zufolge der Übergangsbestimmung in Art. II Abs. 3 LGBl. Nr. 26/1992, sind die Bestimmungen betreffend die Parteien im Baubewilligungsverfahren und deren subjektiv-öffentliche Rechte auch auf Verfahren anzuwenden, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. April 1992) bereits anhängig sind. Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß die Bestimmungen des § 21 unter Berücksichtigung der Wiederverlautbarung in der Fassung anzuwenden sind, in welcher die subjektiv-öffentlichen Rechte der Anrainer beispielhaft angeführt sind. Da, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, die Berufung des mitbeteiligten Bauwerbers vor der Beschlußfassung des Gemeindevorstandes am 24. Mai 1993 und damit auch vor Erlassen des Bescheides vom 26. Mai 1993 zurückgezogen wurde, war der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde nicht mehr befugt, über eine Berufung des mitbeteiligten Bauwerbers zu entscheiden. Zu überprüfen war daher, ob die Berufung der Grundeigentümer Dr. AK, Dr. PK und Dr. MK mangels Parteistellung zurückzuweisen war oder bei Vorliegen der Parteistellung, ob diese Anrainer durch die erteilte Baubewilligung in einem ihnen durch Kärntner Bauordnung eingeräumten subjektiv-öffentlichen Recht verletzt waren, weiters ob sie diese Rechtsverletzung rechtzeitig geltend gemacht und in der Berufung verfolgt haben.

Nun ist der beschwerdeführenden Gemeinde darin zuzustimmen, daß die Bestimmung des § 21 Abs. 2 BO keine Auslegung dahingehend zuläßt, daß Anrainer nur die Eigentümer seien, deren Grundstücke an das Bauvorhaben anschließen. Vielmehr wird der Kreis der Anrainer von der Art und Größe des Bauvorhabens und den zu erwartenden Immissionen abhängen. Das dem Bauvorhaben nächstgelegene Grundstück des Dr. JK und des Dr. PK (Grundstück Nr. 331/1 und .154) ist vom zu bebauenden Grundstück ca. 160 m entfernt. Das Bauvorhaben selbst ist von der Grundstücksgrenze ca. 170 m entfernt. Zwischen diesen Grundstücken liegen fünf andere Grundstücke. Das Grundstück Nr. 504/6 in EZ 224, das auch im Miteigentum der Dr. MK steht, ist von dem zu bebauenden Grundstück sogar über 210 m entfernt. Der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde ist der Begründung seines Bescheides vom 26. Mai 1993 zufolge davon ausgegangen, daß den Berufungswerbern Dr. K die Parteistellung zukomme, weil der Begriff der Anrainer speziell bei Großbauvorhaben großzügig ausgelegt werden soll, da nicht nur während der Bauführung sondern überhaupt durch das geplante Bauvorhaben das öffentliche Weggrundstück 521 KG Maria Wörth vermehrt in Anspruch genommen werde und dadurch die Lebensqualität der Anrainer beeinträchtigt wird. Andere Gründe, die eine Parteistellung der Berufungswerber begründen könnte, hat der Gemeindevorstand nicht dargelegt. Nun ist aber weder die Inanspruchnahme eines öffentlichen Weggrundstückes während der Bauführung sowie durch das geplante Bauvorhaben selbst ein im § 21 Abs. 5 BO genanntes, subjektiv-öffentliches Recht. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß der Kärntner Landesgesetzgeber unter dem Begriff "Einflußbereich" im § 21 Abs. 2 BO derartige Einflüsse gemeint hat. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die vermehrte Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsflächen keine Nachbarrechte begründet (s. etwa Hauer, Kärntner Baurecht2, S 144 f) sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich Gegenteiliges anordnet. Daß das Bauvorhaben einen jener "Einflüsse" ausüben könnte, aus deren Auftreten die genannten Berufungswerber ihre Stellung als Anrainer ableiten könnten und dessen Abwehr nach der materiellen Regelung der Bauordnung für Kärnten oder einer sonstigen baurechtlichen Norm der Baubehörde anvertraut wäre, kann weder der Begründung des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 26. Mai 1993, noch der übrigen Aktenlage entnommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 5. November 1974, Zl. 1037/72, betreffend die Verweigerung der Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren nach der Kärntner Bauordnung in der damals geltenden Fassung ausgesprochen, daß hinsichtlich einer Ferienwohnanlage mit insgesamt 215 Wohneinheiten im Kurgebiet bei einer Entfernung des Grundstückes der Beschwerdeführer zu dem zu bebauenden Grundstück von nahezu 100 m mit Sicherheit auszuschließen sei, daß den Beschwerdeführern die Stellung von Anrainern im weiteren Sinn dieses Wortes zukomme. Auch nach der damals geltenden Fassung des § 18 Abs. 2 BO waren Anrainer die Eigentümer der im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstückes, sodaß das Kriterium des "Einflußbereiches" auch nach der damaligen Rechtslage ausschlaggebend für die Parteistellung war. Der Verwaltungsgerichtshof sieht im Hinblick auf seine bisherige Rechtsprechung und dem hier vorliegenden Sachverhalt keinen Grund, weshalb im Beschwerdefall die Parteistellung der mehrfach genannten Berufungswerber zu bejahen wäre. Der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde hat daher zu Unrecht die Parteistellung der Berufungswerber Dr. A, Dr. P und Dr. MK angenommen.

Im Ergebnis hat daher die belangte Behörde zu Recht den Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Gemeinde vom 26. Mai 1993 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Beschwerdeführerin zurückverwiesen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993050224.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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